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Alles ganz schnell vorbeiNach Weihnachten kommt die Einsamkeit

Lesezeit 4 Minuten
Man sieht den Fuß eines geschmückten Weihnachtsbaum, darunter liegen eingepackte Geschenke.

Verpackte Geschenke liegen in einem Wohnzimmer unter einem festlich geschmücktem Weihnachtsbaum.

Im einen Moment ist alles laut, bunt und voller Leben, dann ist der Weihnachtsbesuch weg und es ist vorbei. Die Einsamkeit macht älteren Leuten zu schaffen.

Gerade herrschte noch Leben, war alles bunt und laut, manchmal vielleicht auch zu laut. Jetzt klappt die Wohnungstür zu, gedämpft dringen noch die Stimmen aus dem Flur hinein. Dann hört man, wie auch die Haustür ins Schloss fällt, die Stimmen sind weg. Der Besuch ist weg. Stille umfängt den 83-Jährigen. Er ist wieder allein. Und Weihnachten ist vorbei. Jedenfalls für ihn.

Solange hatten sie darüber gesprochen, wann man kommen wird, wer was zum Kaffee mitbringt, wohin man denn vorher zum Mittagessen hingehen könnte. Und natürlich die Geschenke für die Kinder, seine Enkel. Er hörte von Spielzeugnamen, von denen er nie etwas gehört hatte, aber auch von Lego, ja, das kannte er noch, von früher. Aber die neuen Dinge, die es da gibt, sind ihm fremd. Ninjago, was ist das? Ganz gleich, die Enkel haben sich gefreut, sehr sogar, über die Geschenke von Opa.

Dabei waren sie eigentlich nicht von ihm, einer seiner Söhne hatte alles im Vorfeld besorgt und ihm in einem passenden Moment ins Schlafzimmer gelegt, sodass er sie dann hervorholen konnte. Eine nachträgliche Bescherung am ersten Weihnachtstag, jetzt, wo die Familie sich bei ihm, in seiner Wohnung, trifft. Den Heiligabend hatte er alleine verbracht. Das sei auch nicht anders gegangen, sagt er. Seine Söhne wohnen weiter weg, er hätte da dann übernachten müssen. Das wollte er nicht. Sie waren ja auch für den ersten Feiertag verabredet.

Fernsehen, um wieder mal Stimmen zu hören

Und dann rauscht es vorbei. Das gehe immer schnell. Und dann dauere es so lange, bis alle mal wieder da sind. Silvester werde er allein für sich sein. Und vermutlich werde er tun, was er nun auch tut: Er schaltet den Fernseher ein. Das macht er an vielen Tagen, eigentlich an allen. Er sucht nicht einmal etwas Besonderes. Hauptsache, er hört Stimmen. Sonst ist in der ruhig gelegenen Wohnung nur das leise Ticken der Wanduhr zu hören. Diese Uhr hat er schon seit über 50 Jahren.

Seit zehn Jahren ist er Witwer. Der Tod seiner Frau kam damals völlig überraschend. Danach hat er alles verändert. Als erstes hat er das Haus verkauft, von dem Erlös konnte er die Restschuld begleichen. Es blieb noch einiges über. Nein, finanzielle Probleme hat er nicht. Seine Rente ist gut und die Miete, hier in dem kleinen Dorf, wo er lebt und wo er auch geboren wurde, ist günstig. Die Wohnung ist fast eine Kopie des Hauses, er hat nahezu alles so wieder eingerichtet, wie es früher mal war. Die Vorhänge und auch die Nachdrucke von Werken großer Impressionisten, die seine Frau so schätzte, hängen wieder an der Wand. Und natürlich hat er alle Möbel mitgenommen. Selbst der Nippeskram, für den er eigentlich nie etwas übrig hatte, steht wieder überall herum.

Die Corona-Pandemie kappt viele Verbindungen

Die ersten Wochen ist er damit beschäftigt, alles so herzurichten. Und auch die Abwicklung des Hausverkaufs füllt ihm die Tage. Zu der Zeit geht es ihm auch gesundheitlich noch ganz gut. Er kann Veranstaltungen besuchen und ab und an in die Kneipe gehen. Und in seinen Dorf kennt er eigentlich jeden. Doch mit der Zeit wird alles weniger. Irgendwann fällt es ihm schwer, mit dem E-Bike, das er sich gegönnt hat, zu fahren. Das Gehen bereitet vermehrt Schmerzen, er bleibt immer öfter zu Hause.

Und dann kommt Corona. Die letzten Verbindungen brechen weg. Alles macht zu und wird abgesagt. Die Sorge um eine mögliche Infektion bestimmt das Leben. Im Supermarkt sieht er manchmal einen Bekannten von weitem. Man grüßt sich knapp, mit gehörigem Abstand. Mehr traut sich keiner. Und auch an der Kasse gibt es nicht den Plausch wie früher. Mitunter sind es Wochen, in denen er mit keinem wirklich spricht – außer am Telefon. Aber das sei am Ende eben doch nicht dasselbe.

Und auch jetzt, wo die Corona-Pandemie nur noch ein Randthema ist, ist vieles weiterhin verändert. Wenn er es noch mal schafft, in die Kneipe zu gehen, ist da eigentlich keiner mehr. Und dennoch beschwert sich der 83-Jährige nicht wirklich. Das Alleinsein gehöre wohl zum Alter, sagt er. Aber zu schaffen mache es ihm schon.

Die Altenhilfe setzt sich dafür ein, dass Angebote erweitert werden, die Seniorinnen und Senioren aus ihrer Einsamkeit herausholen. So werden Nachbarschaftshilfen wie Kölsch Hätz in Köln unterstützt und andere karitative Einrichtungen, die unter anderem Fahrten und Nachmittage für Ältere anbieten.