Monogam? Nicht mit mir„Ich habe meine Affäre schon länger als meinen Mann“
- Angela lebt in einer liebevollen Ehe, aber ein Leben lang nur Sex mit einer Person zu haben, ist für sie unvorstellbar.
- Sie hat eine Affäre und ihr Ehemann weiß das und zwar seit Anfang ihrer Beziehung. Doch jetzt schmerzt ihn der Gedanke.
- Wie das Paar mit dieser Situation umgehen kann, erklärt uns eine Paartherapeutin.
Köln – Angela kann und will nicht monogam leben. Sie liebt ihren Mann, kann sich ein Leben ohne ihre Affäre aber nicht vorstellen. Als Angela*, 35, ihren heutigen Mann kennenlernte, den Vater ihrer drei Kinder, da hatte sie mehrere Affären gleichzeitig. Markus* war eine von ihnen. In ihn verliebte sie sich. Mit ihm wollte sie eine Familie gründen. Doch da war noch etwas. Etwas, mit dem Markus würde zurechtkommen müssen.
Denn Angela wollte zwar nur mit ihm eine ernsthafte Beziehung, aber sie wollte eben auch von Anfang an ehrlich sein: „Mich gibt es als Partnerin nur mit dem Wissen, dass ich nicht monogam leben kann und will.“ Ein Leben lang Sex mit nur einer Person? Für sie unvorstellbar.
Von Anfang an ehrlich: Angela braucht ihre Affäre
Markus war in dieser ersten Zeit offenbar so verliebt, dass er zunächst einmal zustimmte, ihr sagte, dass er das dann wohl akzeptieren müsse. Konkret ging es um einen Mann, den Angela bereits in der Schulzeit kennengelernt hatte, mit 15. Mit ihm würde sie sich auch weiterhin treffen und Sex haben. Sie kannte ihn weit länger als Markus.
„Als unsere Kinder dann kamen, war der andere Mann erstmal kein Thema mehr“, erinnert sich Angela. Doch ein Jahr nach der Geburt des jüngsten Kindes wuchs in ihr wieder die Sehnsucht, denn mit dem anderen konnte sie sexuelle Vorlieben ausleben, die für Markus nicht in Frage kamen. „Mir fehlt etwas“, sagte sie zu ihrem Mann. „Ich will ihn wiedersehen.“
Sieben Jahre hatte sie auf die Abenteuer mit dem anderen verzichtet. Die Familienplanung war abgeschlossen, sie wollte sich selbst wiederfinden. Doch der Gedanke, seine Frau wieder teilen zu müssen, schmerzte Markus. Sie diskutierten nächtelang.
„Ein Leben lang Sex mit nur einem? Unvorstellbar!“
„Ich wäre diese Beziehung nicht eingegangen, wenn du auf Exklusivität bestanden hättest“, warf sie ihm vor. Er hatte gewusst, auf was er sich einließ. Er hatte wohl trotzdem gehofft, dass seine Frau irgendwann ganz von dem anderen ablassen würde. „Wie lang soll das denn noch gehen?“, fragt sich Markus manchmal. Und sie kann ihm nicht antworten. Sie müsste lügen, wenn sie ein Ultimatum nennen sollte. „Wenn ich daran denke, das irgendwann beenden zu müssen, könnte ich direkt losweinen“, sagt sie.
Dabei liebt sie den anderen nicht. Ihr geht es allein um das Ausleben ganz anderer sexueller Fantasien. Solcher, auf die Markus nicht steht. Mit Augenbinde und Spielchen. Auch der andere hat Familie. Auch für ihn sind es nur kleine Alltagsfluchten.
Angelas Mann nimmt Kontakt zur Affäre auf
Statt sich in seiner Eifersucht einzurichten, fängt Markus an, mit dem Anderen zu schreiben. Irgendwann treffen sie sich zum Kaffee, klären, dass der Andere keinerlei Interesse hat, in die Beziehung zwischen Markus und Angela einzubrechen. Und es gibt feste Regeln zwischen Angela und dem anderen. Es gibt keine Dates, nur Sex. Safer Sex. Kein Küssen. Und sie treffen sich nur, wenn Markus auf der Arbeit ist, so dass ihm keine Freizeit mit Angela verloren geht.
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Auch Markus hat es mit anderen Frauen versucht. „Aber das war nichts für ihn“, sagt Angela. Ob sie Mitleid mit ihm hat? „Ich glaube, er hatte die Hoffnung, dass die Liebe reicht, um nur noch ihn zu wollen.“ Er sei wirklich verletzt gewesen, als sie wieder Kontakt zu dem anderen wollte, das hätte ihr weh getan, weil sie ihn ja liebe. Aber Angela sagt, sie könne doch auch mehrere platonische Freunde haben, jedem gehöre ein Stück ihres Herzens.
„Seine Eifersucht verletzt mich, hält mich aber nicht ab“
„Ich liebe meinen Mann über alles“, sagt sie. Ihr fiele kein Grund ein, der zu einer Scheidung führen würde. Auch sexuell böte er ihr mittlerweile das, was sie ursprünglich gesucht habe. „Ich will aber trotzdem nicht auf den anderen verzichten.“ Auf alle die Möglichkeiten, die sich im Leben böten. „Wir haben ja nicht viel Zeit für unsere Selbstverwirklichung.“
Durch die Affäre sei sie auch im Alltag viel zufriedener, viel geduldiger. „Da reichen die 30 Minuten pro Monat, dass ich ausgeglichen und glücklich bin“, sagt sie. „Ich nehm' ihm ja nichts weg und ich will mich dafür auch nicht als schlechter Mensch fühlen.“ Es habe mit ihm ja nichts zu tun. Nur mit ihr.
Ihr Freundeskreis weiß Bescheid, die Kinder nicht, die sind noch zu klein. „Ich weiß trotzdem sehr zu schätzen, dass mein Mann das mitmacht“, sagt Angela. Nie hätte sie sich das zu träumen gewagt. Für sie ist es so, wie es ist, perfekt. Wären da nur nicht die ein, zwei Tage im Jahr, an denen ihr Mann einen Rappel kriegt, weil er Angela doch lieber für sich allein hätte...
Das sagt die Expertin:
Inga Thomsen ist Diplom-Pädagogin und Systemische Therapeutin mit eigener Praxis, unter anderem für Paarberatung und Familientherapie, in Berlin. Aus ihrer jahrelangen Praxis weiß sie, dass sich nicht alle trauen, so offen zu ihren Bedürfnissen zu stehen wie Angela und Markus. Thomsen sagt: „Etwa 40 Prozent der Menschen in vermeintlich monogamen Beziehungen gehen fremd. Das macht Außenbeziehungen fast zu etwas Normalem, das aber gesellschaftlich natürlich tabuisiert ist.“
Sie sagt, Monogamie könne funktionieren, wenn sich beide immer wieder füreinander entscheiden. „Aber alles hat seinen Preis. Die einen legen mehr Wert auf Sicherheit. Die anderen mehr auf Lebendigkeit.“ Angela versucht mit ihrem Mann Markus, beides miteinander zu verbinden.
Was machen Angela und ihr Mann gut, was kann man selbst in der eigenen Beziehung umsetzen? Inga Thomsen hat es uns erklärt:
Ehrlichkeit von Anfang an
„Die Grundlage dieser Beziehung ist die Ehrlichkeit von Anfang an. Wir haben es hier mit zwei sehr reifen Menschen zu tun, die Verantwortung für sich übernehmen, die viel miteinander reden und die ihr Gegenüber wirklich ernst nehmen.“
Klare Definitionen
„Bei dem anderen Mann von Angela handelt es sich ganz klar um eine Affäre. Schwieriger gestaltet es sich in polyamoren Beziehungen, in denen mehrere Personen zum selben Zeitpunkt eine Liebesbeziehung miteinander pflegen. Diese klare Definition macht es im Alltag einfacher, denn die Affäre bezieht sich auf eine ganz klare sexuelle Spezifikation, die ihr der eigene Mann nicht geben kann. Angela braucht das, um sich lebendig zu fühlen und formuliert das auch ganz klar so. Ihr Mann wusste das von Anfang an, hatte die Wahl – und hat sich dafür entschieden. Beide Partner sind hier in der Selbstverantwortung.“
Gegenseitiges Entgegenkommen
„Angela kann sich nicht vorstellen, die Affäre zu beenden und bringt das so auch ganz klar zum Ausdruck. Ihr Mann kann also davon ausgehen, dass dieses Bedürfnis bei ihr nicht versiegt. Das mag kompromisslos wirken, das ist es aber nicht. Denn sie kommt ihrem Mann in vielem entgegen. Sie trifft den anderen nur in der Arbeitszeit ihres Mannes und auch nur 30 Minuten im Monat, obwohl sie das vermutlich gern öfter tun würde. Aus meiner Sicht macht sie da sehr große Kompromisse.
Prioritäten setzen
„Ich finde es toll und mutig, dass Angela ihre Prioritäten und Energien klar einschätzen und setzen kann. In der Zeit des Kinderkriegens hat sie alle Energie in die Familie gesteckt und erst danach, mit dem wieder aufkeimenden Wunsch nach Selbstbestimmung erneut Kontakt zur Affäre aufgenommen – und dies dann ihrem Mann auch sofort wieder offen mitgeteilt.“
Was für den einen gilt, gilt auch für den anderen
„Interessant finde ich, dass auch Markus Frauen getroffen hat, dass auch er geschaut hat, ob Dates mit anderen einen Mehrwert für ihn haben. Er entscheidet sich nicht aus Rache für eine Affäre, er hat einfach – mit ihrem Einverständnis – geschaut, ob das etwas für ihn sein könnte – und dabei festgestellt, dass er eben anders tickt und das nicht möchte. Ich finde das großartig, weil es zeigt, wie erwachsen und bewusst die beiden ihre Ehe führen. Für sie ist die Affäre ein Ausgleich. Für ihn ist eine solche Außenbeziehung eher nicht denkbar.“
Klare Regeln
„Je ehrlicher die Partner miteinander sind, je mehr sie aushandeln, was sie brauchen und was nicht, je mehr sie drüber sprechen, welche Regeln für sie gelten, desto besser kann ein solches Konstrukt funktionieren.“
* Der Name der Protagonistin wurde von der Redaktion geändert