Einserschüler verrätWie das Schulzeugnis in einem Jahr eine Note besser wird
Köln – Im Durchschnitt mehr als eine Note besser auf dem Zeugnis – innerhalb eines Schuljahres. Das hört sich für viele Schülerinnen und Schüler und deren Eltern wie ein Traum an. Tim Nießner ist das in der siebten Klasse gelungen. „Am Ende der sechsten Klasse lag mein Durchschnitt bei 3,0. Da dachte ich mir: Du bist kein Genie, aber so schlecht bist du auch nicht“, erzählt er. Also nahm er sich vor, am Ende der siebten Klasse einen Durchschnitt von 2,6 zu haben. Und landete bei 1,9.Von da an war sein Ehrgeiz geweckt. „Ich hatte mich innerhalb eines Jahres so krass verbessert und wollte wissen, wie weit ich noch gehen kann.“ Das Thema lässt ihn einfach nicht los. Heute hat der junge Mann bereits zwei Ratgeber zum Thema Schule und Noten veröffentlicht. In seinem Buch „Zeugnisretter“ gibt er versetzungsgefährdeten Schülerinnen und Schülern Tipps, um sich in der Schule zu verbessern. „Wer jetzt anfängt und sich anstrengt, kann seinen Schnitt bis zum Ende des Schuljahres noch retten. Ganz easy.“ Wie das gehen soll, hat er uns verraten.
Das Wichtigste sei die Motivation, schreibt Nießner ganz zu Beginn seines Buches: „Im Moment ist deine Motivation in puncto Schule sehr wahrscheinlich extrem gering. Wenn wir das nicht ändern, bringen dir all die Tipps und Tricks, die ich dir beibringen möchte, null.“ Nießner empfiehlt, sich vorzustellen, wie das Traumleben nach der Schule aussehen könnte. Und dann, wie das Leben aussehen wird, wenn man so weitermacht wie bisher. „Wenn ich das dann gegenüberstelle, kann ich mich sehr gut motivieren, für die Schule zu arbeiten“, ist Nießner überzeugt. „Selbst, wenn man kein Arzt oder Jurist werden möchte – in jeden Beruf steigt man doch leichter ein, wenn man einen guten Schulabschluss hat.“ Dieses Gedankenexperiment funktioniere sogar zu Hause im Kinderzimmer: „Wer sich zum Beispiel wünscht, ein Hotel auf den Malediven zu leiten, sollte ein Foto von den Malediven ausdrucken und neben seinen Schreibtisch hängen. Solche Dinge helfen!“
Schlechte Schüler gekonnt ansprechen
Nießner fordert seine Leserschaft aber auch dazu auf, nicht mehr zu schwänzen, sich Freunde zu suchen, die motiviert für die Schule sind, und regelmäßig seine Hausaufgaben zu machen. Ratschläge, die jeder Schüler auch schon von den Eltern bekommen – und vermutlich ignoriert hat. Warum also sollten Schüler auf Tim Nießner hören? „Ich weiß selbst, wie es sich anfühlt, ein schlechter Schüler zu sein, was einen in dieser Situation motiviert und was nicht. Ich weiß aber auch, wie es ist, wenn man besser wird. Deswegen kann ich jeden Schüler, egal, in welcher Phase er sich befindet, richtig ansprechen“, sagt Nießner. Das sei der große Unterschied zu anderen Bildungsratgebern. Was seine Bücher außerdem noch unterscheidet? Ganz klar, die Sprache. Nießner bewegt sich auf Augenhöhe mit seinen Lesern, er schreibt so locker und lässig, wie er mit seinen Freunden spricht. Und da gehören Worte wie abgefuckt nun mal auch dazu.
Eltern rät Nießner übrigens, nicht schon in der Grundschule zu viel Druck auszuüben. „Ich finde, Kinder sollten langsam in die Schule starten und dann später durchstarten.“ Er selbst kenne viele Schüler, die als Kinder sehr gut in der Schule gewesen sind – und dann in der Pubertät überhaupt keine Lust mehr hatten. Und was er überhaupt nicht gut findet: „Schüler ständig zur Nachhilfe zu schleppen!“ Dadurch nehme die Schule einen großen Teil der Freizeit ein, die man eigentlich zum Abschalten brauche. Gleichzeitig würden der Schüler sich dann noch weniger im Unterricht bemühen – im Wissen, dass er nachmittags ja sowieso alles in der Nachhilfe aufarbeitet. Was wiederum dazu führe, dass er noch mehr Nachhilfe brauche – und das nehme dann einen immer größeren Teil der Freizeit ein. „Ein Teufelskreis“, kommentiert er.
Mündliche Mitarbeit ist der perfekte Trick
Und mit welchem Trick ist Nießner selbst am besten durch die Schulzeit gekommen? „Am meisten weitergebracht hat mich, den Fokus auf die mündliche Mitarbeit zu legen. Das ist der perfekte Weg, um entspannt besser zu werden und Zeit zu sparen.“ Denn im Unterricht müsse man aufgrund der Schulpflicht ja so oder so sitzen (denn Schwänzen ist ja nicht mehr). Nießner schreibt dazu in seinem Buch: „Es wäre schön dumm von dir, wenn du die ganze Zeit, die du eh in der Schule sein musst, nicht dazu nutzen würdest, dich ein paarmal zu melden und so was für deine Noten zu tun.“ Und das habe noch weitere positive Effekte: Wenn man im Unterricht zuhört und sich beteiligt, vergeht die Zeit schneller, und man lernt auch schon vieles von dem, was später in der schriftlichen Klausur abgefragt wird. Das muss man dann zu Hause nicht mehr nacharbeiten. Und ganz nebenbei bemerkt man vielleicht auch, dass man manche Fächer oder Themen gar nicht so doof findet – und mehr darüber erfahren möchte. Das zahlt dann wiederum aufs Motivationskonto ein. „Wenn ich so zurückdenke, dann war die mündliche Mitarbeit damals auch der Treiber dafür, dass ich mich so sehr verbessert habe. Das ist mir aber eigentlich erst durch die Arbeit am ersten Buch klar geworden“, sagt Nießner.
Für sein erstes Buch hat Tim Nießner Interviews mit etwa hundert Schülerinnen und Schülern geführt, die einen 1,0er Schnitt haben. Er wollte wissen, wie sie es geschafft haben, so gut durch die Schule zu kommen. Ihre Antworten hat er in dem Buch „Die geheimen Tricks der 1,0er Schüler“ gesammelt. „Das aktuelle Buch richtet sich ausschließlich an schlechte Schüler. Ich nehme sie quasi an die Hand und sage ihnen, was sie wann wie machen sollen.“ Das Herzstück des Buches bilden dabei die drei Phasen. In Phase eins geht es darum, Grundlagen zu schaffen, mit dem Schwänzen aufzuhören, Hausaufgaben zu machen oder respektvoll mit der Lehrkraft umzugehen. Dann steigt das Tempo an: Der Leser soll sich eine bestimmte Anzahl an Malen melden, freiwillig Referate übernehmen oder das Heft abgeben. „In Phase drei geht es dann darum, alle Tricks anzuwenden und es notentechnisch ins obere Mittelfeld zu schaffen“, so Nießner. Er schätzt, dass Schüler pro Phase zwei bis drei Monate brauchen. „Wer die Grundlagen schon beherrscht, kann aber auch schon früher in Phase zwei einsteigen.“
Das System Schule austricksen
In Nießners Buch geht es häufig darum, das System Schule so clever wie möglich für sich selbst zu nutzen. So führt Nießner auch den Halo-Effekt an, der in der Psychologie eine Fehleinschätzung beschreibt. Nießner erklärt es in seinem Buch so: „Deine Freundin, die eine bessere Note als du bekommt, ist das perfekte Beispiel. Deine Lehrerin kennt sie schon länger und findet sie sympathisch. Das ist das Merkmal, das so dominant wirkt, dass es einen Urteilsfehler hervorruft. Die Lehrerin hat den Eindruck, dass diese ihr sympathische Schülerin immer gut mitmacht. Dadurch bekommt sie am Ende eine bessere Note als du.“ Also empfiehlt Nießner, diesen Effekt für sich zu nutzen: Freundlich und respektvoll mit dem Lehrer umzugehen, sich ordentlich anzuziehen, seinen Stuhl so auszurichten, dass der Lehrer einen immer im Blickfeld hat, und so weiter.
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Doch obwohl er das System für sich zu nutzen weiß, blickt Nießner auch kritisch darauf. „Als größten Fehler empfinde ich, dass es immer noch die Aufteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule gibt. Ich selbst bin auf eine Gesamtschule gegangen und finde es gut, dass alle zusammen unterrichtet werden. Denn man hilft sich ja auch gegenseitig“, sagt Nießner. „Wenn man aber zum Beispiel auf der Hauptschule nur mit unmotivierten Leuten zusammen ist, dann zieht einen das runter. Aber wenn es durchmischt ist, findet man immer motivierte Schüler, die einem mitziehen.
Hier listen wir fünf weitere Tipps von Tim Nießner auf, mit denen Schülerinnen und Schüler ihre Noten retten können.
1. Youtube
Viele Schülerinnen und Schüler verbringen hier eh gerne ihre Freizeit. Warum also nicht ein paar Videos gucken, die einen in der Schule weiterbringen? Wer sich etwa Videos über den Ersten Weltkrieg anguckt, wenn das Thema in Geschichte besprochen wird, kann sich in der Stunde problemlos beteiligen. Tim Nießner empfiehlt Videos von „simpleclub“ oder „MrWissen2go“.
2. Belohnung aushandeln
Mal abgesehen von der Vorstellung vom Traumleben können auch Belohnungen ganz schön motivierend wirken. Tim Nießner rät, mit den Eltern auszuhandeln, dass es für eine bestimmte Note auf dem Zeugnis eine bestimmte Belohnung gibt.
3. Mündliche Mitarbeit
Eine einfache Möglichkeit, um mündlich mitzumachen: Freiwillig die Gruppenarbeit vortragen und später den anderen Gruppen Feedback zu ihren Ergebnissen geben. Oder einfach die Hausaufgaben vorlesen.
4. Drannehm-Deal
Wer sich einfach nicht zur mündlichen Mitarbeit aufraffen kann, kann mit dem Lehrer einen Drannehm-Deal aushandeln. Darin ist festgelegt, dass der Lehrer den Schüler eine bestimmte Anzahl an Malen innerhalb einer Stunde drannimmt. Der Schüler verpflichtet sich im Gegenzug, aufzupassen. Meldet der Schüler sich nicht von selbst, darf der Lehrer ihn auch einfach so drannehmen. Das Gute in der Corona-Zeit: Der Schüler kann den Deal unproblematisch per Mail aushandeln und kommt so nicht in die missliche Lage, das vor vielen anderen nach der Stunde machen zu müssen. Und der Deal funktioniert auch im Online-Unterricht.
5. Rechtschreibung üben
Wer die Rechtschreibung nicht beherrscht, bekommt in jedem schriftlichen Fach bei den Klausuren Punktabzug. Tim Nießner empfiehlt, die Autokorrektur am Handy auszuschalten, damit man in dem Bereich fit wird.
Tim Nießner „Der Zeugnisretter – Wie du gechillt durch die Schule kommst, ohne groß zu lernen“, mvg Verlag, 144 Seiten, ab 12 Jahre