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KommentarNein, Stillen in der Öffentlichkeit ist eben nicht dasselbe wie Wildpinkeln

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Ein Baby trinkt an der Brust seiner Mutter. Ist das in der Öffentlichkeit 2019 noch ein Aufreger? (Symbolbild)

Köln – Es weht ein Stillsturm durch Social Media. Frauen solidarisieren sich, zeigen sich beim Stillen ihrer Babys. Der Grund: Moderatorin Nina Bott soll aus einem Hamburger Café geworfen worden sein, weil sie ihrem fünf Monate alten Sohn Lio die Brust gab.

Der Kellner habe sie gebeten, das Café zu verlassen, weshalb sie dann draußen im Stehen weitergestillt habe, bis ein Frisör von gegenüber ihr immerhin einen Stuhl anbot.

Nina Bott hat drei Kinder wie ich. Als meine Kinder noch im Still-Alter waren, wohnte ich – Klischee, Klischee – als Zugezogene im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, dem der Ruf des Babyboom-Kiezes voraus- und hinterhereilte.

Über „Latte Macchiato-Mütter“ lästern

Damals sorgte dort das Buch „Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter“ der taz-Autorin Anja Meier für Aufregung, in dem sie eine „Kaffeehauschefin“ über so genannte „Latte Macchiato-Mütter“ lästern ließ und mit folgenden Worten zitierte: „Du lieber Himmel, der Prenzlauer Berg war mal underground, schwul-lesbisch, alles, ich komm ja von hier. Jetzt setzen die sich hier im Pulk hin, holen ihre Euter raus und stillen die Kinder.“

Und es ging noch über die „Euter“ hinaus: „Nicht dass die da mal 'ne Decke drüberlegen oder so - neeeein, das soll jetzt aber auch wirklich jeder mitkriegen, dass sie ihr Baby ernähren können, dass sie das hinkriegen mit vierzig oder wie alt die sind. Großes Getöse. Ick meine, das Wort "stillen" kommt ja wohl von STILLE. Aber dit raffen die einfach nicht, die Rinder.“

„Böse Rinder“ oder „heiligen Mütter“

Die Diskussion um das öffentliche Stillen ist also keine neue. Sie spielt sich erneut zwischen „Die bösen Rinder“ und die „heiligen Mütter“ ab. Wir drehen uns im Kreis, denn selbst die Lagerbildung – von „Geht gaaar nicht, ist ja eklig, ich pinkel ja schließlich auch nicht in der Öffentlichkeit“ bis hin zu „Jetzt zeige ich euch meine nackten Stillbrüste erst recht und ziehe blank“ – ist eine ähnliche wie damals.

„Ach so. Der Kellner soll also Rücksicht nehmen. DU NICHT. HAHAHA. Das ist so priceless“, schreibt ein Kommentator auf der Instagram-Seite von Nina Bott. Gleichzeitig solidarisieren sich aber auch Frauen mit der Moderatorin und posten Fotos. Model Sara Kulka schreibt: „Eigentlich wollte ich heute kein Stillbild posten aber aus Solidarität zu Nina Bott mache ich dies gerne.“

Tuch drüber. Fertig.

Finden wir denn da keinen respektvollen Mittelweg? Denn nein, als Mutter von Zwillingsbabys, die ihr zweijähriges Kind von der Tagesmutter abholen musste, war es mir nicht möglich, immer nur innerhalb der eigenen vier Wände zu stillen. Es hatte einfach immer jemand Hunger. Flaschen nahmen die Babys nicht. Ich hätte also gar nicht anders gekonnt, als auch in der Öffentlichkeit zu stillen. Tuch drüber. Fertig. Eine Selbstverständlichkeit. Wer´s nicht sehen mag, schaut halt weg.

Für Aufregung sorgte zu jener Zeit schließlich auch noch ein Cafébesitzer in ebenjenem Berliner Bezirk, der extra einen Poller an die Tür gesetzt hatte, damit keine Eltern mit Kinderwagen die Lokalität betreten können. Soll das der Weg sein?

Extrabereiche für stillende Mütter?

Kinderfreie Hotels und Extrabereiche für stillende Mütter – ähnlich einem Wickeltisch auf der Toilette? Alte Menschen in Altenheime und Menschen mit Behinderungen in Werkstätten? Ist es das, was wir unter einer inklusiven, vielfältigen Gesellschaft verstehen, in der jede und jeder ein Recht auf seine eigene Meinung und ein selbstbestimmtes Handeln haben sollte?

Warum nur bringen wir immer wieder Fotos aus dem Urlaub im Süden mit, auf denen alte Menschen im Schatten auf Bänken sitzen? Weil sich viele von uns genau so einen Platz für alle doch insgeheim wünschen.

Ein Kind hat Hunger. Ein Kind wird ernährt. Das sind die nüchternen Fakten, die zu dieser Grundsatzdiskussion führen. Mehr sollte es doch bitteschön auch nicht sein.