Kleine ÜberfliegerIst mein Kind hochbegabt? So finden Eltern es heraus
Carson Huey-You aus den USA ist erst 14 und hat gerade einen Abschluss an einer Universität gemacht. Seine Mutter erzählt, dass Carson schon mit drei Jahren Lust hatte, anspruchsvolle Mathematik zu lernen und seinen Schulabschluss schon mit zehn gemacht hat.
Immer wieder gibt es solche „Überflieger-Kinder“, die Klassen überspringen oder in jungen Jahren die Uni abschließen. Rund zwei Prozent aller Kinder haben einen IQ über 130 und gelten damit als hochbegabt. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wie gehen Eltern und Schule damit um?
Was ist Hochbegabung?
Eine einheitliche Definition für Hochbegabung gibt es nicht. Allgemein beschreibt der Begriff eine weit über dem Durchschnitt liegende Intelligenz, erklärt Martina Rosenboom, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind aus Wildeshausen. Als Schwelle gilt bei Psychologen dabei ein Intelligenzquotient von mindestens 130.
Woran erkennt man eine Hochbegabung?
Eine Hochbegabung kann sich bereits im Kindergartenalter zeigen, zum Beispiel durch eine auffallend schnelle Sprachentwicklung oder an hoher Begeisterung für Zahlen oder Naturwissenschaft. Manche Kinder eignen sich dabei in beeindruckendem Ausmaß Wissen an, erklärt Annegret Mahn, Psychologin aus Berlin. „Wenn Kinder im Alter von vier Jahren zum Beispiel schon alle Autofabrikate oder Dinosaurierarten bestimmen können, kann das ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein.“
Das muss es aber nicht. „Entwicklungssprünge und Lerneifer im Vorschulalter können auch leicht überschätzt werden.“ Oft werde Hochbegabung durch Probleme erkannt, die sich in der Grundschule durch Unterforderung und Langeweile ergeben. Vor allem Mädchen, werden stiller und ziehen sich zurück. „Jungen hingegen fallen häufiger durch ein lautes, störendes oder auch aggressives Verhalten auf“, sagt Karsten Otto, Vorsitzender des Vereins Hochbegabtenförderung in Bochum. Ein wichtiges Indiz könnte sein, dass die Kinder bei schwierigeren Lerninhalten plötzlich auffällig konzentriert bei der Sache sind.
Wann sollte getestet werden?
Wenn Eltern, Erzieher oder Lehrer vermuten, dass ein Kind hochbegabt ist, muss nicht direkt ein IQ-Test gemacht werden. Das gilt zumindest, wenn das Kind im Kindergarten und in der Schule gut zurecht kommt. Zeigen sich Probleme, wie auffälliges Verhalten, schafft ein Test Klarheit und die Grundlage für gezielte Gespräche mit Erziehern und Lehrkräften, sagt Rosenboom. Offiziell vorlegen muss man den Test aber nicht. „Ich rate Eltern eher dazu, den Test in die Schublade zu legen und erst rauszuholen, wenn es Gesprächsbedarf gibt.“ Gerade bei Kindern, die in der Schule gut zurechtkommen, könne der „Stempel“ Hochbegabung auch zu unnötigen Schwierigkeiten führen, wie Ablehnung oder überhöhte Erwartungen. „Deshalb ist es manchmal besser, die Hochbegabung gar nicht zu thematisieren“, sagt Psychologin Mahn.
Wie läuft so ein Test ab?
Ein Intelligenztest wird von Psychologen und Psychiatern sowie Sonderpädagogen und Schulpsychologen gemacht. Die Experten empfehlen den Test frühestens ab dem Alter von vier Jahren, besser später. Nach einem Vorgespräch wird das Kind altersgemäß auf seine intellektuellen Fähigkeiten getestet, so dass am Ende nicht nur der IQ ermittelt ist, sondern auch ein individuelles Persönlichkeitsprofil besteht. Wichtig ist, dass das Kind beim Test motiviert und ausgeruht ist. „Manche Tests laufen auch über mehrere Termine, um die Kinder nicht zu überfordern“, sagt Rosenboom. Die Eltern erhalten abschließend eine schriftliche Auswertung der Ergebnisse.
Wie können Eltern ein hochbegabtes Kind fördern?
Je nach Motivation und Interesse ist es sinnvoll, Kindern neben der Schule weitere Aufgaben und Hobbys zu ermöglichen, zum Beispiel den Besuch einer Musikschule oder von naturwissenschaftlichen Kursen. Karsten Otto empfiehlt Eltern, ihr Kind ergänzend in einer Gruppe mit anderen hochbegabten Kindern anzumelden, die beispielsweise über Hochbegabten-Vereine angeboten werden. „Durch den Kontakt mit Gleichgesinnten machen Kinder die wichtige Erfahrung nicht einzigartig, sondern einer von vielen zu sein.“ Daneben sei für Kinder, vor allem Jungen, ein Mannschaftssport ein wertvolles Lernumfeld, sagt Otto: „In der Gruppe können sie soziale Fähigkeiten trainieren und vor allem lernen, zu verlieren.“
Wie kann die Schule auf den Bedarf reagieren?
Lehrer sind grundsätzlich in der Pflicht, den Unterricht so zu gestalten, dass alle Schüler angemessen gefördert werden. „Bei einer Klasse mit 30 Schülern ist das aber oft nicht leicht zu realisieren“, sagt Mahn. Ein Überspringen der Klassenstufe sei für hochbegabte Kinder nicht immer gut, da dies manche Kinder sozial und emotional überfordern kann. Erstmal sei es besser, so rät Karsten Otto, das Standardpensum der Klasse für das hochbegabte Kind mit schwierigeren Inhalten aufzufüllen und in manchen Teilen zu ersetzen.
Reicht diese Förderung nicht aus, rät Otto zum Modell „Dreh-Tür“. Dafür wechseln die Kinder nur zu bestimmten Fächern in die nächsthöhere Klasse. Langfristig müsse dann geschaut werden, wie sich das Kind entwickelt und ob ein Klassensprung nicht doch Sinn macht. Der beste Zeitpunkt dafür sei, wenn der Start in der neuen Klasse mit dem Wechsel auf die weiterführende Schulen zusammen falle, sagt Otto. „Das macht es den Kindern leichter, Anschluss zu finden.“ Wichtig ist aber immer, was das Kind möchte. „Am besten erfolgt alles auf Probe mit der Option einer Hintertür, damit das Kind nicht unter unnötigen Leistungsdruck gerät.“ Diese Probezeit sollte mindestens vier bis sechs Wochen dauern. (dpa)