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Erziehungsexperte Jesper JuulSelbstbestimmte Kinder brauchen keine Grenzen

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Selbstbestimmte Kinder wissen sehr genau, was für sie gut ist und was nicht – auch bei Kleidungsfragen. 

  1. Selbstbestimmte Kinder haben ihren eigenen Kopf und einen besonders starken Wunsch nach eigenständigen Entscheidungen und Autonomie.
  2. Sie wissen ganz genau, was gut für sie ist. Das kann für Eltern ziemlich anstrengend sein.
  3. In seinem letzen Buch gibt der im Sommer verstorbene Erziehungsexperte Jesper Juul Tipps für einen entspannten Umgang mit autonomen Kindern.

Köln – Autonome Kinder haben einen besonders starken Wunsch nach Selbstbestimmtheit. Der zeigt sich oft schon sehr früh und kann für die Eltern manchmal anstrengend sein, denn die unbeugsame Haltung dieser Kinder ist im Alltag oft unbequem. Eltern fühlen sich schnell hilflos. Dabei geht es diesen Kindern nicht um Rebellion oder Trotz, sie wollen sich nur lediglich nicht fremdbestimmen lassen. In seinem letzten Buch plädiert der Familientherapeut Jesper Juul, der 2019 verstorben ist, für ein offenes und authentisches Miteinander anstelle von Machtkämpfen, Manipulation oder Kapitulation.

Jesper Juul: „Das Kind ist. Punkt.“

Seine wichtigste Aussage lautet: „Das Kind ist. Punkt.“ Diese Aussage ermögliche Eltern eine gewisse Entspanntheit. Sie müssten ihre Kinder nicht formen, alles Wesentliche sei bereits in ihnen angelegt. Wichtig sei nur, dafür zu sorgen, dass sich die Talente des Kindes frei entfalten können. Gemeinsam mit Mathias Voelchert und Knut Krüger definiert Juul in seinem Buch zuerst, was ein selbstbestimmtes Kind überhaupt ist und arbeitet dann anhand von konkreten Situationen und Fragen von betroffenen Eltern problematische Situationen des Familienalltags ab.

Daran erkennen Sie selbstbestimmte Kinder:

> Sie bestehen von Geburt an auf ihr Selbstbestimmungsrecht und lassen dadurch ihre Eltern an ihrer Liebe und dem Wert ihrer Fürsorge zweifeln.

> Sie fordern das Recht ein, über ihre eigenen Belange zu entscheiden und eigene Entscheidungen zu treffen. Sie zweifeln nur selten daran, was gut und was schlecht für sie ist.

> Sie brauchen keine Wahlfreiheit, sondern das Recht, zu den Angeboten und Forderungen ihrer Eltern Nein sagen zu dürfen.

> Sie wollen nicht über ihre Eltern und Familie entscheiden, kämpfen aber um ihr Recht, eigene Entscheidungen zu treffen und lassen sich nicht durch Bestrafungen oder Belohnungen manipulieren.

> Autonome Kinder kommen fast immer mit einem „fertigen“ Körper und einem „reifen“ Gesichtsausdruck zur Welt. Eltern beschreiben oft, wie ihr Neugeborenes ihnen mit klarem Blick direkt in die Augen gesehen hat. Die Körper dieser Babys sind straff und ohne Babyspeck und zeigen bereits wohldefinierte Muskeln. Diese Kinder sind der Motorik von Gleichaltrigen weit voraus.

> Ihr Verhalten ist von Anfang an sehr spezifisch. Manche von ihnen wollen nicht allzu viel Körperkontakt und machen sich nichts aus Kuscheln. Fremden Erwachsenen gegenüber sind sie reserviert und weisen deren Kontaktversuche konsequent ab.

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Das Buch: Jesper Juul: Dein selbstbestimmtes Kind. Unterstützung für Eltern, deren Kinder früh nach Autonomie streben. Kösel Verlag, 20 Euro

Wie geht man am besten mit autonomen Kindern um?

Stellen Sie ihnen ein „Büfett“ mit all der geistigen und psychologischen Nahrung auf, die es anzubieten gibt. Selbstbestimmte Kinder haben genau dieselben Bedürfnisse wie andere Kinder, müssen aber selbst über Zeitpunkt, Ort und Menge der „Nahrung“ bestimmen können. Haben Sie keine Angst, das Kind könnte ihr Angebot missbrauchen. Selbstbestimmte Kinder haben ein ausgeprägtes Gespür und großen Respekt vor den Grenzen anderer Menschen. Sagen Sie dann am besten: „Nimm‘ dir, was du willst“ statt „Nimm‘ dir, wozu du Lust hast.“ Das korrespondiert mit dem Bedürfnis des Kindes nach Selbstbestimmung, was etwas ganz anderes ist, als sich vom Lustprinzip leiten zu lassen. Wichtig: Sagen Sie es nur einmal und dann nie wieder. Jede Wiederholung signalisiert, dass sie dem Erinnerungs- oder Kooperationsvermögen des Kindes nicht trauen.

Das Kind gleichwertig behandeln, aber sich selbst abgrenzen

Wichtig ist vor allem, das Kind gleichwertig zu behandeln. Es geht darum, vertrauenswürdig und entgegenkommend zu sein. Ein autonomes Kind darf die Familie nicht steuern und hat auch gar kein Interesse daran. Falls dies geschieht, liegt es daran, dass die Eltern sich steuern lassen – beispielsweise aus Angst vor Konflikten – und sich nicht klar genug abgrenzen. Statt Anweisungen zu geben, sollten Erwachsene in einer persönlichen Sprache immer klar sagen, wie es ihnen geht, damit die Kinder einen Einblick bekommen und Empathie entwickeln können. Hier ein Beispiel-Dialog:

Sohn: „Papa, bringst du mich nachher ins Bett?”Vater: „Ja gern'. Was meinst du, welche Zeit dir passen würde?”Sohn: „So um 9.”Vater: „Das ist mir zu spät. Nach neun ist nur Papa-Zeit, wenn du krank bist. Sonst ist das meine Erwachsenen-Zeit.”Sohn: „Okay, dann gehe ich eben alleine ins Bett. Aber kannst du mir um halb neun noch was vorlesen?”Vater: „Das tue ich gern.”Der Vater sorgt für ein gleichwertiges Verhältnis, indem er sich abgrenzt, anstatt seinem Sohn Grenzen zu setzen.

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Auf keinen Fall besserwisserisch auftreten

Nicht besserwisserisch auftreten, das ist für die Beziehung zwischen Eltern und Kind gefährlich. Bei autonomen Kindern ist das oft besonders schwierig, weil diese so oft Entscheidungen für sich treffen, die aus Erwachsenensicht nicht klug sind, beispielsweise bei temperaturangemessener Kleidungsauswahl. Bei autonomen Kindern müssen Sie Ihre Ratschläge zusammen mit all den anderen guten Angeboten auf das Büfett stellen. Das Kind entscheidet, ob, wann und wie viel es nimmt.

Keine Überzeugungsversuche

Mit Überzeugungs- und Motivationsversuchen sollte man vorsichtig sein. Erwachsene sollten das Nein der Kinder zur Kenntnis nehmen, persönlich darauf reagieren und mit aufrichtigem Interesse nach der Begründung fragen. Umgekehrt sollte man auch selbst klar machen, warum man mit etwas nicht einverstanden ist. Kinder können ihre Empathie und soziale Verantwortung nur dann entwickeln und auch auf das Empfinden der Erwachsenen Rücksicht nehmen, wenn sie wissen, wie es ihnen geht. Erwachsene verwehren ihnen diese Einsicht, wenn sie ihnen Anordnungen geben und belehrende Vorträge darüber halten, was gut für sie ist.