Ausufernde HochzeitenWarum uns das Theater ums Heiraten so nervt
Köln – Zwei Hände liegen aufeinander, die eine ziert ein neuer Ring – meist mit einem funkelnden Stein. Wenn dieses Foto auf dem Smartphone-Bildschirm aufploppt, ist es wieder so weit: Freunde verkünden über Whatsapp ihre Verlobung. Dass sich zwei Menschen gefunden haben und ihr Leben zusammen verbringen möchten, ist natürlich ein Grund zur Freude.
Doch setzt diese Nachricht nicht nur für das künftige Brautpaar, sondern auch für die Freunde eine ganze Maschinerie in Gang. Getreu dem Motto: groß, teuer, pompös. Antrag, Verlobungsfeier, Junggesellenabschied und schließlich die Hochzeit – alles muss ein echtes Event werden. Das scheint erstmal eine Entscheidung des Brautpaares und für ihren Geldbeutel zu sein, aber bei näherem Hinsehen, trifft es ebenso uns, ihre Freunde.
Erfahrungen mit Hochzeiten
Nicht dass der Eindruck entsteht, wir würden unseren Freunden ihr Glück nicht gönnen. Nein, wir freuen uns sehr für jeden einzelnen Freund und jede einzelne Freundin, die mit der eigenen Heirat den ersten Schritt in ein gemeinsames Leben gehen möchte.
Wir stellen uns aber die Frage, ob das alles wirklich so groß und teuer sein muss – für die Brautpaare und uns Freunde. Schließlich gehören wir als Redakteurinnen nicht gerade zu den Gutverdienern unter den Akademikern. Ein Erfahrungsbericht darüber, wie die Hochzeiten unserer Freunde unsere Finanzen ruinieren und alle unter Stress setzen.
Der Antrag in einer romantisches oder malerischen Kulisse
Meist nimmt alles im Sommer seinen Lauf: Es ist nicht nur die Jahreszeit, in der sich gemeinhin die Hochzeiten tummeln. Pärchen können mit Mitte/Ende 20 nicht mehr gemeinsam in den Urlaub fahren, ohne sich zu verloben. Denn schon bei den Heiratsanträgen muss es etwas Besonderes sein: Strand oder Pool statt Restaurant oder heimischem Garten. Bei einigen Heiratswilligen reicht gerade einmal die eindrucksvolle Kulisse des Grand Canyons, des Uluru oder des Macchu Pichu, beliebt sind auch der Eiffelturm, Venedig oder der Central Park.
Wie groß muss der Druck sein, dass alles – vom Antrag bis zu den Flitterwochen – ganz besonders wird? Sie könnten einem fast leidtun, die armen Paare, bei so viel Geltungszwang und Erwartungsdruck von außen. Würden sie einen nicht regelmäßig wahnsinnig machen mit all ihren Wünschen. Als gute Freundin bleibt einem kaum eine andere Wahl, als den Flug nach Kalifornien zu buchen, wenn dort ganz in Weiß am Strand geheiratet werden soll. Und dann zu stornieren, wenn das Brautpaar feststellt, dass es plötzlich Nachwuchs erwartet und deshalb doch lieber ganz traditionell im Dorf der Eltern heiraten will.
Verlobungsfeier und Junggesellenabschied – die ersten Schritte zur Hochzeit
Als gute Freundinnen besuchen wir natürlich nicht nur die Hochzeit, sondern auch alle anderen Events, die die Vorfreude auf den eigentlichen großen Tag steigern sollen. Bei manchen Freunden beginnt alles mit der Verlobungsfeier – eigentlich eine Hochzeit in klein, eben nur ohne Trauzeremonie. Das bedeutet für unser Konto die erste Abbuchung: 100 bis 150 Euro für das Geschenk und on top kommen noch Kosten für ein neues Kleid und die Anreise.
Es ist aber nicht nur der finanzielle Stress, der sich auf uns Freunde überträgt, sondern auch der emotionale: Die Wahrscheinlichkeit, einen Bald-Vermählten zu erzürnen, ist generell relativ hoch. Gibt es doch so viele potenzielle Streitpunkte: das passende Outfit, den Beitrag bei der Feier, das Geschenk.
Wir haben schon Freundschaften darüber zerbrechen sehen, wohin es beim Junggesellinnenabschied geht – Amsterdam, Hamburg, Würzburg, Barcelona oder Dublin. Unnötig zu erwähnen, dass ein „JGA“ natürlich immer ein ganzes Wochenende in Anspruch nimmt und nicht irgendwo stattfinden kann, wo alle eine möglichst kurze Anreise haben. Der nächste Kostenpunkt für das Konto mit mindestens 200 Euro pro Person. Die Kosten für so einen „JGA“ steigen schnell: Tickets für die Bahn, Hotelzimmer, Programmpunkte wie Pole-Dance-Kurs oder Weinprobe, Eintritt für Clubs und Alkohol.
Hochzeiten müssen bis in das letze Detail geplant werden
Sind die Vorfeierlichkeiten gut über die Bühne gegangen, kommt die eigentliche Feier: die Hochzeit. Das läuft nicht immer ohne Tränen und Drama ab – schließlich muss alles perfekt sein. Der Ablauf der Feier wird bis ins letzte Detail geplant. Dazu kommt: Bei erstaunlich vielen Dingen werden junge, aufgeklärte Menschen wieder ganz traditionsbewusst und fast abergläubisch, wenn sie heiraten. Da wird das pompöse Hochzeitskleid bei der Trauzeugin gelagert, damit der künftige Gatte es bloß nicht sieht. Die Nacht vor der Hochzeit muss sich einer von beiden einen anderen Schlafplatz suchen.
Eine Hochzeit am Strand von Mallorca, in einem Schloss, einer Burg oder einem Romantikhotel – es muss von der Hochzeit unbedingt Fotos in einer wunderschönen und vor allem Instagram-tauglichen Umgebung geben. Ob es für das Paar und die Gäste in einer schön dekorierten Halle in der Nähe des Wohnorts nicht viel entspannter, stressfreier und günstiger gewesen wäre, scheint nicht zu zählen.
Was die Freunde bei einer Hochzeit tun müssen
Auch bei der Deko des Festsaals wird lieber geklotzt, statt gekleckert. Handgefertigte Schlüsselanhänger, geklöppelte Schieferntafeln oder verzierte Seifenstücke sind gerade einmal die Gastgeschenke. Gute Freunde bereiten für die Hochzeitsfeier selbstverständlich Programmpunkte vor. Denn die obligatorische Tanzaufführung der besten Freunde gehört zum Pflichtprogramm.
In unseren Kleiderschränken hängt mittlerweile ein wahrer Fundus an Hochzeitsoutfits. Schließlich können wir nicht bei jeder Feier das gleiche Kleid tragen. Dazu kommt noch Hochzeitsgeschenk, Anreise und eventuelle Übernachtung im Hotel – die allein gerne mal 200 Euro für ein Doppelzimmer kostet. Für unsere Finanzen bedeutet eine einzige Hochzeit inklusive ihrer Vorfeierlichkeiten schnell ein Minus von 200 bis 400 Euro. Ein kleiner Betrag verglichen mit der Summe, die die armen Brautpaare für ihre Feiern ausgeben.
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Weniger Perfektionismus, dafür mehr Liebe
Doch bei all dem Glanz und Prunk steigt leider oft der Stresspegel beim Brautpaar und auch bei den Gästen – schließlich soll alles perfekt sein. Der eigentlich so schöne, freudvolle Anlass, der Brautpaar, Familie und Freunden einen wunderschönen Tag bereiten soll, verkommt zu einem hochstilisierten Event. Ein etwas schlichteres Fest mit gutem Essen und schöner Musik würde allen Beteiligten Stress ersparen, mehr Freude bringen und unseren Geldbeutel schonen.
Wir wollen unseren Freunden nicht ihre Hochzeit ausreden und lieben diese wunderbaren Menschen auch sehr, aber fragen uns einfach, ob eine entspanntere Haltung und weniger Perfektionismus nicht besser wären. Schließlich würden dabei alle Zeit, Nerven und Geld sparen.
Ein Appell an alle Heiratswilligen
Und liebe Brautpaare, lasst es euch von einem Gast sagen, der schon einige Hochzeiten mitfeiern dufte – eine Feier gleicht meist der anderen. Obwohl die Hochzeit so individuell, schön und perfekt sein sollte und trotz hoher Ausgaben und detaillierter Planung. Also macht euch bitte nicht so einen Druck! Oder wie eine weise Braut es zusammenfasste: „Eine glückliche, gesunde Ehe ist wichtiger als eine prunkvolle Feier.“
Eure Hochzeit wird nicht zu etwas Besonderem, weil sie gut geplant oder teuer ist. Ihr selbst und eure Liebe macht die Feier schön und zu etwas Besonderem. Tut uns also den Gefallen und schont unseren und euren Geldbeutel bei der Planung eurer Hochzeit – sie wird so wahrscheinlich viel schöner als mit viel Protz. (dmn)
* Weil wir aber natürlich trotzdem weiter auf Hochzeiten eingeladen werden möchten – auch wenn sie unserem Geldbeutel schaden – verraten wir an dieser Stelle lieber nicht unsere Namen. Sagen wir einfach, wir sind Marie und Anna.