Elsa, Lilifee, BarbieMädchen im „Rosa-Wahn“ – was können Eltern dagegen tun?
Der Lieblingsteddy? Altrosa. Die bevorzugte Brotdose? Ein knalliges Pink. Der Kleiderschrank? Offenbart ein Meer an rosa- und pinkfarbenen Kleidern. Dabei hatte man doch extra auch grüne und rote Bauklötze, blaue Spielzeugautos und schwarze Piratenschiffe gekauft. Trotzdem erleben viele Eltern bei ihren Töchtern den Rosa-Wahn. Das geht teilweise so weit, dass 4-jährige Mädchen plötzlich nur noch in rosa- oder pinkfarbenen Kleidern vor die Tür gehen und sich weigern, Hosen zu tragen. Manche mögen ihr Prinzessinnen-Kostüm gar nicht mehr ausziehen.
Warum wird die Pinkisierung immer stärker?
Woran liegt das? Und warum wird die Pinkisierung der Mädchenwelt scheinbar immer stärker? „Wir leben in einem androgynen Zeitalter“, sagt Diplom-Psychologin Angelika Rohwetter. „Geschlechterstereotype werden immer stärker aufgebrochen.“ Gleichzeitig hätten Kinder etwa ab dem vierten Lebensjahr den Drang, ihr Geschlecht zu definieren – sich bewusst als Mädchen oder Jungen darzustellen. „Da herrscht eine große Sehnsucht nach Geschlechtsidentität“, so die Psychologische Psychotherapeutin aus Bremen.
Die Vorliebe für Rosa ist anerzogen
„Dabei ist die Vorliebe für Rosa bei Mädchen und das Faible der Jungen für Blau natürlich anerzogen“, sagt Rohwetter, die sich eingehend mit Geschlechterrollen beschäftigt hat. Einer Studie zufolge ziehen Babys Blau sogar allen anderen Farben vor. Der Jugendforscher Axel Dammler verweist in diesem Zusammenhang außerdem darauf, dass Pink eine industrielle Farbe ist: „Die Vorliebe für Pink kann den Mädchen gar nicht angeboren sein, denn Pink ist eine Farbe, die in der Natur so nicht vorkommt und erst seit wenigen Jahrzehnten überhaupt mit Mädchen verbunden wird“, schreibt er in seinem Buch „Rosa Ritter und schwarze Prinzessinnen“.
Jahrhundertelang galt Rosa als Farbe der Jungen
Jahrhundertelang galt Rosa als Farbe der Jungen, wie Eva Heller in ihrem Werk „Wie Farben wirken“ schreibt. Rosa war das „kleine Rot“, schließlich war Rot die Farbe der Macht und der Könige. Mädchen trugen dagegen Blau, die Farbe der Jungfrau Maria. Je weniger Einfluss die Religion hatte, desto mehr verblasste diese Zuschreibung. Hinzu kam, dass Arbeiter und Matrosen Blau trugen – und heute sind so viele felsenfest davon überzeugt, dass Mädchen Rosa tragen und Jungen Blau tragen, dass man meinen könnte, es sei nie anders gewesen.
Umso schwieriger ist es, die Zuschreibungen aus den Köpfen der Erwachsenen und damit auch der Kinder zu verscheuchen. Kinder spiegeln ihre Eltern und ihre Vorbilder: Sie orientieren sich an älteren Mädchen und Jungen im Kindergarten und lernen dementsprechend: Pink und Rosa gleich Mädchen, Blau und Schwarz gleich Junge. „Die Farbe wird da fast schon zum tertiären Geschlechtsmerkmal“, sagt Rohwetter.
Und die Industrie springt auf diese Sehnsucht der Kinder nach klaren Kategorien auf: „Das ist eine raffinierte Ausbeute dieses Bedürfnisses“ , sagt Rohwetter. Ein gutes Beispiel seien etwa die Spielsachen von Lego oder Playmobil, die jahrelang zu den geschlechtsneutralen gehörten, die inzwischen aber auch auf extra Angebote für Mädchen in Rosa – Feen- und Prinzessinnen-Welten – oder Jungen – Piratenschiffe und Ritterburgen – setzten. Da bleibt der spanische Spielzeugwarenhersteller, der in seinen Katalogen Mädchen zeigt, die mit Laser-Schwertern kämpfen und Jungen, die Tierbabys füttern, die Ausnahme.
Rosa gleich Schwäche, Naivität und Passivität?
Aber warum stört es Eltern überhaupt, wenn ihre Töchter in den Rosa-Wahn verfallen? „Das Problem ist, dass wir Rosa mit eher negativ konnotierten Charaktereigenschaften assoziieren.“ Dazu gehörten etwa Schwäche, Naivität und Passivität. „Das kann für die Mädchen ein Nachteil sein“, so Rohwetter. „Sie werden womöglich weniger ernst genommen“. Wer ständig im rosa Glitzerkleidchen umherschwebt, läuft Gefahr, als süße Prinzessin abgestempelt zu werden, der Erzieher eher keine verantwortungsvollen Aufgaben übertragen oder die Mitschüler eher nicht zur Klassensprecherin wählen.
Was also können Eltern tun? „Sie sollten den Rosa-Wahn gelassen sehen“, sagt Rohwetter. „In der Regel ist das nur eine Phase, die wieder vorbeigeht.“ Wer vehement dagegen ankämpfe, der sorge im Zweifel nur dafür, dass Mädchen sich ihrer rosaroten Welt noch mehr zuwenden – womöglich auch, um sich von den Eltern abzugrenzen.
Wir müssen uns auch selbst hinterfragen
Wir müssen uns auch selbst hinterfragen: Warum finden wir es so schlimm, dass die Tochter nur rosa trägt? Wichtig sei deshalb auch, dass Eltern ihren Kindern klarmachen, dass Rosa eben nicht „typisch Mädchen“ ist und Blau nicht „typisch Junge“. Eltern könnten etwa sagen: „Rosa ist lediglich eine Farbe, die nichts über Deine Charaktereigenschaft aussagt.“
Prinzessin Elsa oder Star Wars – beides geht nicht
Die Krux ist, dass durch Spielwarenabteilungen und Kindergärten heutzutage immer öfter eine Grenze verläuft, die für das jeweils andere Geschlecht nicht zu übertreten ist: bloß keine Jungs in Prinzessin Lilifees und Prinzessin Elsas Wunderland und keine Mädchen im Star-Wars-Piraten-Themenpark. Es gibt kaum noch Überschneidungen oder als geschlechtsneutral empfundene Zonen, die zulassen, dass Mädchen und Jungen zusammenspielen. Anstatt diese Entwicklung vor den Kinder ständig zu bekämpfen und zu kritisieren, könne man aber besser spielerisch auf sie einwirken, sagt Rohwetter.
Mehr Jungen mit rosa Kinderwagen, mehr Mädchen auf dem Piratenschiff
Die Expertin hätte da eine Idee, um dieses Schema aufzubrechen: „Einen Tag gehen die Jungen mit einem Erzieher in die vermeintliche Mädchenwelt der Spielwarenabteilung und schauen, ob sie dort nicht doch etwas finden, was sie interessiert. Umgekehrt gehen die Mädchen mit einer Erzieherin in für Jungen vorgesehen Themenwelten.“ Auch im Kindergarten könnte man einmal alle Jungen und Mädchen tauschen lassen und mit dem Lieblingsspielzeug des jeweils anderen spielen. Vielleicht wäre das ein Ansatz, damit es künftig mehr Mädchen gibt, die in kurzen Hosen Piratenschiffe entern und mehr Jungen, die rosa Kinderwagen vor sich herschieben.
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