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Corona-ZeugnisseWarum dieses Jahr alle eine Eins mit Sternchen verdient haben

Lesezeit 4 Minuten
Ferien_Schule_dpa

Nicht nur die Kinder freuen sich, dass dieses Schuljahr geschafft ist. 

Köln – Ein Schuljahr geht zu Ende, das uns allen in Erinnerung bleiben wird: den Kindern, den Lehrerinnen und Lehrern und na klar, auch den Eltern! Schließlich fand der Unterricht zum größten Teil zu Hause statt. Mit Arbeitsblättern zwischen Dosensuppen-Klecksern, Nazi-Videos auf Englisch für Geschichte und Nachfragen zum Sexualkundeunterricht während man selbst versuchte, ein wichtiges berufliches Telefonat zu führen. Unsere Autorin zieht Bilanz nach diesem Ausnahmejahr.

Wow. Was haben wir da bloß alle miterlebt. Und wie bewertet man so ein Jahr in Noten? Sollte die Kommentarspalte im Zeugnis nicht auch das viele Lernen im Distanzunterricht lobend erwähnen? Und wie geht das überhaupt mit der Beurteilung der Schülerinnen und Schüler, wenn die Hälfte der Klasse die Webcam während der Stunde ausmachte – aus „Datenschutzgründen“ oder schlicht: „die Technik, ich weiß auch nicht, was los ist...“

Klausuren mussten alle nachgeschrieben werden im Präsenzunterricht

Hätte man uns vor zwei Jahren davon erzählt, wie wir diese letzten Monate miteinander verbringen würden, wir hätten laut gelacht. „Unreal“, wie meine TikTok-Teenager-Kinder das nennen würden. Ich habe in diesem Schuljahr viel Slang gelernt. Wir sagen jetzt alle „safe“, wenn wir was ernst meinen und „chill mal“, wenn wir uns wieder aufregen über zu viele Arbeitsblätter, zu viele Hygienekonzept-Änderungen, zu viele Tests und Klausuren, die alle nachgeschrieben werden mussten, als endlich wieder Präsenzunterricht möglich war.

Ich weiß nicht, welche Note mir meine Kinder für die letzten Monate geben würden als Mutter und Hilfslehrerin. Ich weiß jetzt jedenfalls, dass ich für den Job nicht geeignet bin. Dass ich dankbar für Leute bin, die bei Youtube die binomischen Formeln erklären. Dass es gut war, als ich sagte, ich würde meinen Job als Homeschool-Lehrerin an den Nagel hängen, um den Zunder aus der Beziehung zu meinen Kindern zu nehmen.

Keine Hobbys, keine Pausen-Lästereien, kein Kaugummi am Kiosk

Was war ich zeitweise verzweifelt! Weil die Berge an Aufgaben nie bewältigt waren, weil jeden Montag das Postfach überquoll und der Drucker heiß lief. Weil ich bei drei Kindern plus eigenem Job den Überblick verlor. Weil noch anstrengender als all die Aufgaben und Anforderungen die emotionale Arbeit war. Hier trösten, da für Gleichgewicht sorgen. Die Pflichten waren für die Kinder ja geblieben – während ihnen gleichzeitig die Freuden genommen wurden. Keine Freunde mehr treffen. Keine Hobbys mehr. Keine Pausen-Lästereien. Kein Kaugummi am Kiosk. Dass die Kinder das überhaupt durch dieses Schuljahr geschafft haben, ist doch schon einen Orden wert!

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Und die Eltern erst! Was wurde ihnen da an Zusatzarbeit zugemutet. Kein Fach wurde vom Stundenplan genommen, kein Inhalt angepasst, der Stoff einfach durchgezogen. Und wer jetzt wohlfeil über die Lehrer schimpft, vergisst vielleicht, dass viele von ihnen selbst noch eigene Kinder unterrichten und betreuen mussten. Vergisst, was es bedeutet, den Stoff für die vielen Stunden im Distanzunterricht irgendwie abwechslungsreich gestalten zu müssen. Dass sie nebenbei die Digitalisierung der Schulen voranbringen mussten und Hygienekonzepte schreiben... Überforderung auf allen Seiten.

Warum nicht ausnahmsweise in diesem Jahr Noten für Eltern und Lehrer vergeben?

Es war aber auch ein Teamwork. Wir haben alle versucht, das Beste draus zu machen. Es war für alle ein Mehr an allem. Ein Jahr voller Sorgen, voller Überforderung, voller Neuerungen. Und jetzt soll es dafür Noten geben und Zeugnisse. Ich finde, so viel wie in diesem Jahr neu gedacht wurde, warum nicht ausnahmsweise in diesem Jahr auch mal Noten für Eltern und Lehrer vergeben? Zeugnisse, die bezeugen, was wir da alle geleistet haben? Lieber noch ohne Noten, nur mit lobenden Worten. Denn wer braucht schon binomische Formeln, wenn es darum geht, sich und die Familie und die Kinder durch eine Pandemie zu balancieren? Anerkennung und Wertschätzung sind jetzt angebracht. Und wenn das mit dem Zeugnis nicht klappt, sagen wir es halt einfach an dieser Stelle: Es ist ein Wahnsinn, was hier geleistet wurde! Und alle, wirklich alle Beteiligten haben dafür eine Eins verdient. Eine Eins mit (Corona-)Sternchen.