„Lehrerkind“ Bastian Bielendorfer„Die kölsche Seele macht mir Mut in der Pandemie“
Bastian Bielendorfer, 36, ist Comedian, mehrfacher Bestsellerautor (u.a. „Lebenslänglich Pausenhof") und er ist Deutschlands bekanntestes Lehrerkind: Bekannt wurde der Wahl-Kölner mit seinem bemerkenswerten Auftritt bei der RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“, für den er seinen Vater, einen Gymnasiallehrer, als Telefonjoker um Hilfe bat. Der gab ihm die richtige Antwort, äußerte aber unverblümt seine Enttäuschung, bereits bei der 8000-Euro-Frage angerufen worden zu sein. Jetzt ist Bielendorfers neues Buch erschienen. In „Die große Pause. Mein Corona-Tagebuch“ berichtet er von seiner persönlichen Corona-Zeit. Wir haben mit ihm unter anderem darüber gesprochen, wie man in dieser Zeit den Humor nicht verliert.
Herr Bielendorfer, ist es erlaubt, über eine Pandemie Witze zu machen?
Bastian Bielendorfer: Man darf über alles Witze machen, solange man damit eine Person nicht beleidigt und den Respekt vor dem Menschen oder einer Sache, wie dem Virus, bewahrt. Da halte ich es, wie die großen Humoristen, die ich verehre: Loriot oder Jürgen von der Lippe hatten es nicht nötig, auf eine Person draufzuschlagen, sie zu erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen. Eher haben sie sich selbst kleingemacht. Auch ich beginne meine Auftritte gerne damit, mich fünf Minuten über mich selbst lustig zu machen.
Bevor wir zu Ihren Absurditäten kommen, erst einmal die Frage: Was ist das Komische an Corona? Und jetzt sagen Sie bitte nichts, was mit vergriffenem Klopapier und ausverkaufter Hefe zu tun hat.
Wie fast alles, hat auch die Corona-Pandemie neben dem tragischen einen komischen Aspekt. Mein Job ist es, ihn im Alltag als Erster zu entdecken – übrigens die Uraufgabe eines Stand-Up-Comedians. Mal ehrlich: Die Senioren, die sich im Supermarkt von ihren Rollatoren lösten, um auf die frisch eingetroffene Ladung Klopapier drauf zu springen, diese Kung-Fu-kämpfenden Klopapier-Omas hatten doch schon etwas Abstruses. Oder dieser Zumba-Ausweichtanz, den Corona bei einem Großteil der Bevölkerung befördert hat, sobald man sich auf dem Bürgersteig begegnet. Auch die verschiedensten Variationen von Abtrennwänden in unseren Restaurants – als ob alle Gastronomen über Nacht zu Hobby-Hornbach-Kunden mutierten, das alles gehört doch zur witzigen Seite der Pandemie. Dennoch werde ich kein Corona-Comedy-Programm machen, wir Comedians haben alle Ähnliches erfahren, das reicht nicht aus für 250 originelle Formate.
Was verrät der Umgang mit der Pandemie Ihrer Meinung nach über uns Deutsche?
Corona hat zwei Seiten offenbart: eine sehr solidarische, vor allem anfangs, als wir klatschend an den Fenstern standen, aber auch eine narzisstische, egoistische. Die Hamstereinkäufe sind bestes Beispiel dafür, dass viele Menschen keinen Zentimeter weit daran gedacht haben, wie sich ihr Handeln auf andere auswirkt. Vor allem aber hat Corona gezeigt: Wir Deutschen sind nicht gemacht für gemeinschaftliche emotionale Gefühlsbekundungen. Anders die Italiener, die von ihren Fenstern aus ganze Straßenmusik-Festivals auf die Beine stellten. Wenn bei uns jemand mit seinem Akkordeon am Fenster steht, werden ihn Luftgewehr-Kugel treffen, noch bevor die Polizei an Ort und Stelle ist.
Der tragische Aspekt der Pandemie ist für Sie persönlich?
Dass es für meine Branche, uns Unterhalter, wie für viele andere, die durch die Krise unsichtbar werden, keine wirklich witzige Zeit ist. Seit neun Monaten ist fast alles runtergefahren, und wir können nicht abschätzen, wie lange noch. Kein Licht am Horizont. Veranstaltungen werden verschoben und verschoben und verschoben.
Die große Pause also, so wie der Titel ihres neuen Buches. Hatten oder haben Sie einen Plan B, was Ihren Beruf betrifft?
Eine Alternative wäre etwas im Bereich Psychologie – meinem Studienabschluss. Psychotherapeut käme meinem jetzigen Job ja sehr nahe. Ich habe aber die große Hoffnung, dass die lange Durststrecke, durch die wir müssen, die Chance birgt, dass der Wunsch danach, unterhalten zu werden, riesig sein wird, wenn der Spuk irgendwann mal vorbei sein wird. Die Menschen haben lange gedarbt. Das, was ihnen in den Talkshows in den vergangenen neun Monaten geboten wurde, war weder unterhaltsam noch hat es zum Erkenntnisgewinn beigetragen. Man hat ja den Eindruck, dass an deren Aufzeichnungsorten statt Wolfgang Bosbach nun Streeck und Drosten ihre Wurfzelte aufgebaut haben. Die kommen gar nicht mehr raus aus den Studios.
Apropos Psychologie: War das Tagebuch auch eine Art Therapie für Sie?
Alles, was Komiker machen, ist auch Therapie. Corona hat mich, was meinen Job betrifft, von heute auf morgen ausgebremst, ohne wirklichen Ausblick. Aber ich habe das Buch Mitte März begonnen, nicht mit dem Plan es zu veröffentlichen, sondern festzuhalten, was diese Pandemie mit mir macht – und mit meinem Umfeld. Deshalb ist es auch ernster als all meine anderen Bücher, nicht zuletzt deshalb, weil ich darin erstmals den Tod meiner Mutter thematisiere. Und es scheint zu berühren – wie mir Leser rückgemeldet haben. Das ist ein sehr großes Kompliment. Menschen zum Lachen zu bringen, ist schon großartig, sie zu berühren noch viel mehr.
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Erzählen Sie doch bitte ein wenig mehr von den sonnigen Seiten eines Comedians.
Er kommt Langschläfern sehr entgegen und er ist sehr glücklich machend. Weil mein Publikum – im Gegensatz zu dem eines Lehrers oder Zahnarztes – freiwillig kommt und einen am Ende auch noch beklatscht.
Wie bewahren Sie sich in Krisenzeiten Ihren Humor?
Er ist immer da, ich muss dafür morgens kein Yoga machen. Es ist schon immer eine Art Reflex, Dinge mit Humor zu nehmen – für mich das probateste Mittel, um auf die Widrigkeiten des Lebens zu reagieren. Den Herausforderungen des Lebens entgegen zu lachen, habe ich schon mit zwölf Jahren lernen müssen.
Als Sie in der Schule gemobbt wurden, weil Sie aus einer Lehrer-Dynastie stammen?
Nicht nur das, aufgrund meiner körperlichen Auffälligkeiten lebte ich, bis ich 16 war, quasi als Mensch gewordene Akne-Frikadelle. Was auch gar nicht gut war in meinem Heimatort Gelsenkirchen: Sich für Bücher statt für Fußball zu interessieren. Ich habe mit der Zeit immer besser gelernt, auf erniedrigende Erfahrungen mit Humor zu reagieren. Humor ist Tragik plus Zeit, sagen die Briten. Und meinen damit das tiefe Einverständnis in die Absurdität und Komik unserer Existenz, an der die einen verzweifeln, die anderen, wie ich, können darüber lachen.
Die Erniedrigungen Ihrer Jugend waren also der Initiationsfaktor für Ihren späteren Job?
Gut möglich, ich habe früh gelernt, auf Widrigkeiten des Lebens mit dem Kopf statt mit dem Körper zu reagieren – weil der mich schon immer im Stich ließ. Kürzlich hat mich, apropos positive Nebeneffekte von Corona, mein erster Fitnesscoach des Lebens, gefragt, warum ich Sport treiben möchte. Um nackt gut auszusehen, habe ich spontan geantwortet. Dafür müssen wir Ihren Körper erst in einen Zustand bringen, bei dem Ästhetik überhaupt ein Ziel sein kann, hat er geantwortet.
Sport ist demnach doch nicht das, was Sie dieser Tage glücklich macht, sondern?
Mit 35 Jahren morgens aufzuwachen und Dinge, die man vorher als selbstverständlich erachtet hat, Wert zu schätzen, einigermaßen gesund zu sein, keine existenziellen Ängste zu haben, und zu wissen, dass es den liebsten Menschen um einen herum, auch so geht: das macht glücklich. Auch ein positiver Nebenaspekt von Corona: Dass ich meine Frau viel mehr sehe als vor Corona, einer Zeit, in der wir eine Skype-Ehe geführt haben, weil ich ständig unterwegs war.
Ein Letztes: Kann nicht auch Köln glücklich machen, eine Stadt, von der Sie in Ihrem Buch schreiben, der Dom stehe schwarz in ihrem Zentrum, der Rhein fließe als braune Suppe mit Hochwasser dahin, am Fenster flögen ein paar Möwen vorbei, die sich wohl selbst wundern, warum sie nicht im Watt der Nordsee rumpicken dürfen sondern die Rheinpromenaden vollkacken müssen?
Dann haben Sie mein Buch nicht zu Ende gelesen. Dass Köln eine städtebauliche Katastrophe ist, darüber müssen wir wohl nicht streiten. Wir befinden uns nun mal nicht in Florenz. Aber dass der Kölner dieses Nicht-Florenz mit einer größter Intensität lieben kann, diese ungewöhnliche Liebe zu einer Stadt habe ich noch nirgends anders erlebt – das ist charmant. Gehen sie mal mit Peter Brings durch Ehrenfeld. Dann recken sich die Köpfe aus den Fenstern und mit ihnen die Kölsch-Gläser.
Peter, trink doch ene mit! Und er? Er trinkt mit. Er könnte ja auch den Rollkragen hochziehen und die Kapuze über den Kopf. Aber nein, er stößt mit an! Diese kölsche Seele, diese Demut und Freundlichkeit, kurz: diese Lebenshaltung zeichnet Köln aus. Und macht Mut. Nicht umsonst lebe ich seit fast acht Jahren hier.
Buchtipp: Bastian Bielendorfer: Die große Pause. Mein Corona Tagebuch, Gräfe und Unzer Verlag, 256 Seiten, 17,99 Euro