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„Praktisch ein Todesurteil“Putin rüstet auf, preist Atomwaffen – und bestraft kritischen General drakonisch

Lesezeit 4 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin plant massive Investitionen in die russische Kriegsflotte. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin plant massive Investitionen in die russische Kriegsflotte. (Archivbild)

Putin bleibt auf Kriegskurs: Enorme Summen sollen in den kommenden Jahren in seine Armee fließen. Auf Kritiker wartet der „Fleischwolf“.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat Milliardeninvestitionen für die Aufrüstung der Kriegsflotte seines Landes angekündigt. „Im nächsten Jahrzehnt sind 8,4 Billionen Rubel (umgerechnet derzeit etwa 87 Milliarden Euro) für den Bau neuer Boote und Schiffe der Kriegsflotte vorgesehen“, sagte Putin russischen Nachrichtenagenturen zufolge auf einer Sitzung zur Entwicklung der Kriegsflotte in St. Petersburg.

Die Um- und Aufrüstung der Flotte sei neuen Gefahren und Herausforderungen geschuldet, sagte der Kremlchef. Er verwies dabei auf die Entwicklung der Drohnen- und Robotertechnik, die Digitalisierung, aber auch die politische Lage in der Welt. Auf den von ihm begonnenen Krieg gegen die Ukraine, in dem auch eine Reihe von Schiffen der russischen Schwarzmeerflotte versenkt wurde, ging er in dem Zusammenhang nicht speziell ein.

Wladimir Putin: 87 Milliarden Euro für die Kriegsflotte

Stattdessen lobte er das bisherige Aufrüstungstempo der Flotte. Seinen Angaben nach wurden in den vergangenen fünf Jahren 49 Kriegsschiffe verschiedener Klassen in russischen Werften gebaut, darunter auch Atom-U-Boote.

Zufrieden zeigte sich der Kremlchef am Freitag unterdessen auch mit den „strategischen Nuklearstreitkräften“ der Marine seines Landes. „Der Anteil moderner Waffen und Ausrüstung bei den strategischen Nuklearstreitkräften der russischen Marine beträgt bereits 100 Prozent“, erklärte der Kremlchef.

Wladimir Putin lobt „strategische Nuklearstreitkräfte“

Dennoch würden weitere Schiffe und U-Boote benötigt, die wie das kürzlich vom Stapel gelaufene U-Boot „Perm“ in der Lage sein sollen, Hyperschall-Marschflugkörper abzufeuern. Mit diesen Waffen könnten „die Aufgaben strategischer Natur erfüllt werden“, erklärte Putin weiter. 

Neben den massiven Aufrüstungsplänen wurde kurz vor Putins Treffen mit dem amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff in St. Petersburg auch eine drakonische Maßnahme des Kremlchefs gegen einen einstigen Kritiker bekannt.

In Ungnade gefallener Generalmajor wird an die Front geschickt

So berichtete die russische Zeitung „Kommersant“, dass der beim Kremlchef in Ungnade gefallene ehemalige Kommandeur der 58. kombinierten Armee, Ivan Popow, in Zukunft eine nicht näher bezeichnete Strafsturmabteilung namens „Sturm Z“ leiten soll.  

„Eine solche Entsendung kommt praktisch einem Todesurteil gleich, da das russische Militärkommando Strafsturmabteilungen ‚Sturm Z‘ vor allem für selbstmörderische Frontalangriffe einsetzt“, ordnete das amerikanische Institut für Kriegsstudien die Entscheidung des Kremls ein.

Igor Popow richtete sich in offenem Brief an den Kremlchef

„Dass Popow nach seiner Zeit als Kommandant einer Feldarmee nun das Kommando über eine solche Einheit übernimmt, ist keine Rückkehr zur Militärkarriere, sondern eine Bestrafung und schwere Degradierung“, hieß es weiter in einem Sonderbericht der US-Analysten, die seit Kriegsbeginn regelmäßig über das Geschehen an der Front, aber auch über die Vorgänge in Moskau und Kiew berichten. 

Popow hatte Berichten zufolge zuvor einen offenen Brief an Putin geschrieben und darin gebeten, wieder in die Streitkräfte aufgenommen zu werden. Der ehemalige Generalmajor appellierte darin an Putin als seinen „wichtigsten Befehlshaber“, die Situation zu klären und ihn wieder in den aktiven Militärdienst aufzunehmen. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigt danach, dass Putin über den Brief informiert worden sei.

Generalmajor kritisierte in Audiobotschaft die Armeeführung

Zuvor war Popow nach dem kurzzeitigen Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Moskau in Ungnade gefallen. Der Kreml warf dem Generalmajor vor, sich illoyal und kritisch gegenüber dem russischen Oberkommando geäußert zu haben.

Daraufhin nahm Popow eine Audiobotschaft auf, in der er offen den damaligen Verteidigungsminister Sergei Schoigu beschuldigte, ihn lediglich entlassen zu haben, weil er intern auf eklatante Missstände in der russischen Armee hingewiesen habe. Schnell kursierte die Aufnahme in Militärkreisen – und sorgte dort für reichlich Unruhe, bis die Audiobotschaft schließlich auf Telegram geleakt wurde und so noch größere Kreise zog.

Erst nach Syrien, dann verhaftet – und nun in den „Fleischwolf“

„Die durchgesickerte Audiobotschaft empörte russische Ultranationalisten, Offiziere und Veteranen, die dem russischen Verteidigungsministerium vorwarfen, Popow abzusetzen, um Probleme innerhalb der russischen Armee zu vertuschen“, erklärten die US-Analysten, warum Popow dem Kreml schließlich ein Dorn im Auge war.

Zur Strafe wurde der Generalmajor zunächst nach Syrien verbannt und im Mai 2024 schließlich festgenommen. „Betrug und Urkundenfälschung im großen Stil“ lautete der Vorwurf gegen den hochdekorierten Militär.  Die Festnahme folgte nur wenige Tage nach einer groß angelegten Umbildung und Säuberung in der Führung des russischen Verteidigungsministeriums. Popow bestritt alle Vorwürfe.

Generalmajor nutzt „Informationsraum als Waffe“ gegen den Kreml

Die Staatsanwaltschaft beantragte im März dennoch seine Entlassung aus der Armee und forderte eine sechsjährige Haftstrafe. Der Generalmajor reagierte darauf mit seiner erneuten öffentlichen Wortmeldung – die nun seine Versetzung an die Front zur Folge hat.

Damit habe Popow den „Informationsraum erneut als Waffe“ genutzt und so erneut aufgezeigt, dass populäre Personen aus dem Militär in der Lage seien, öffentlichen Druck auf den Kremlchef aufzubauen, erklärten die US-Analysten. Insbesondere, wenn sie – wie Popow – von russischen Kriegsbloggern und Ultranationalisten unterstützt werden. So sei der ehemalige Kommandeur einer Gefängnisstrafe schließlich entgangen, kommentierte das ISW.

Enorme Verlustraten im russischen „Fleischwolf“

Der Preis sei dafür jedoch nun der Einsatz in der „Sturm Z“-Abteilung, die hauptsächlich sogenannte „Fleischwolf“-Einsätze absolvieren müsse. Die russische Armee setzt die unter diesen Namen bekannt gewordene Taktik seit Kriegsbeginn immer wieder ein.

Bei den sogenannten „Meatgrinder“-Angriffen wird eine große Anzahl von Infanteristen eingesetzt, um gegnerische Stellungen zu überrennen. Die Verlustrate bei derartigen Attacken gilt als enorm, weshalb „Fleischwolf“-Angriffe oftmals einem Todesurteil gleichkommen. (mit dpa)