Psychologe erklärtWie sich Depressionen bei Männern und Frauen unterscheiden
Experten schätzen, dass hierzulande rund drei Millionen Menschen unter Depressionen leiden. Während es bei den Frauen rund zehn Prozent sind, liegt die männliche Quote bei der Hälfte, also etwa fünf Prozent. Ob es neben der unterschiedlichen Häufigkeit auch geschlechtsspezifische Unterschiede in Entstehung und Symptomatik gibt, erklärt Dr. Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein.
Äußern sich Depressionen bei Frauen und Männern gleich?
„Nein, da gibt es gravierende Unterschiede“, erläutert Dr. Friedrich Straub. „Oft dominieren bei den Männern Aggressivität, Wut und Gereiztheit. Die klassischen Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Trauer werden von diesen Symptomen vielfach verdrängt“, so der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Hinzu kommen oft physische Probleme wie Atemnot, Herzrasen, Schwindel oder Beklemmungen. „Durch diese Vielfalt an Symptomen lassen sich Depressionen beim Mann auch schwerer diagnostizieren“, so Dr. Straub. Oft blieben sie deshalb unbemerkt.
Gibt es Unterschiede im Umgang mit Depressionen?
Bei Männern seien Depressionen immer noch relativ häufig ein Tabu-Thema, so der Experte. Sie verdrängen die Problematik und gehen oft erst dann zum Arzt, wenn der Erschöpfungszustand, die Verstimmungen oder andere Beschwerden eine Behandlung dringend erforderlich machen. Um ihre Probleme zu kompensieren, flüchten weitaus mehr Männer als Frauen in Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sowie andere exzessive Verhaltensweisen. Die eigentliche Erkrankung werde somit häufig verdeckt.
Warum gehen Männer so spät zum Arzt?
„Ein Grund dafür liegt sicherlich im traditionellen Männerbild, das immer noch oft vorherrscht“, so Dr. Straub. Der starke Mann benötige keine medizinische Hilfe, vor allem keine psychologische.
Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Ursachen?
„Für eine Depression gibt es generell viele möglichen Auslöser“, erläutert Dr. Straub. „Neben der Veranlagung ist das Zusammenspiel beziehungsweise die Wechselwirkung biologischer Faktoren, wie Hirnstoffwechselstörungen, und psychosozialer Momente wie etwa Jobverlust, private Trennung, entscheidend.“ Aber auch Überforderungen können laut Experte eine Ursache sein. Sicher ist zudem, dass auch genetische Faktoren Einfluss haben. Während bei Frauen oft Familienprobleme der Auslöser sind, gelten bei Männern berufliche Schwierigkeiten als primäre Ursache. Bei Frauen spielten zudem wahrscheinlich auch hormonelle Schwankungen eine wesentliche Rolle. Diese seien auch ein Grund für die hohe Häufigkeitsrate bei Frauen, meint Straub.
Werden Depressionen bei „ihm“ anders behandelt als bei „ihr“?
„Die Behandlung einer Depression richtet sich primär nach deren Schweregrad“, erklärt Straub. „Ebenso entscheidend ist, ob der Patient zum ersten Mal an dieser psychischen Störung erkrankt oder bereits wiederholt betroffen ist.“
Üblicherweise umfasse die Behandlung Psychopharmaka also Antidepressiva sowie psychotherapeutische Unterstützung – unabhängig vom Geschlecht. Dadurch lassen sich in der Regel die Dauer der Depression verkürzen und deren Schweregrad abschwächen. In manchen Fällen helfe auch Lichttherapie und Schlafentzug.
Wie sind die Heilungschancen?
Grundsätzlich sind Depressionen heilbar. Je früher die Behandlung einsetzt, desto größer sind die Heilungschancen. Fachärztliche Hilfe sollten auch depressive Männer frühzeitig in Anspruch nehmen. Denn bei ihnen ist die Selbstmordrate dreimal so hoch wie bei Frauen. (dmn)
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