Der Prozess gegen zwei Mitglieder der „Männerrunde“ vor dem Amtsgericht in Gemünd nahm eine überraschende Wende.
Prozess in GemündAufblasbarer Weihnachtsmann mit Hitlergruß steht vor Gericht im Fokus
Unterschiedliche Formen der Prozesstaktik konnten am Mittwochvormittag im Amtsgericht in Gemünd beobachtet werden. Zwei verschiedene Verfahren waren es, bei denen jedoch im Grunde der gleiche Sachverhalt verhandelt wurde. Beide Angeklagten kommen aus der Gemeinde Hellenthal. Doch der Umgang der Verteidiger mit den prozessualen Möglichkeiten war völlig konträr.
Bei beiden Verfahren ging es um die Chatgruppe „Männerrunde“, in der immer wieder Hitler-Bilder oder Videos, in denen der Hitlergruß gezeigt wird, geteilt wurden. Aufgeflogen war dies, als ein Mitglied der Gruppe wegen schwerer Körperverletzung festgenommen und in diesem Zusammenhang auch dessen Handy ausgelesen wurde.
Nach der Einlassung verweigerte ein Angeklagter nun die Aussage
Im ersten Verfahren hatte der Angeklagte sich im Ermittlungsverfahren eingelassen und die Tat eingeräumt. Um noch einmal mit ihm zu reden, hatte Richterin Claudia Giesen aber keinen Strafbefehl erlassen, sondern eine Hauptverhandlung anberaumt. Zu ihrer nicht geringen Überraschung verweigerte er allerdings im Gerichtssaal die Aussage. „Das finde ich befremdlich“, sagte die Richterin. Wenn sie das gewusst hätte, hätte sie den Strafbefehl erlassen.
Also stieg sie in die Beweisaufnahme ein und sichtete dabei das Video, dessen Posting von ersten Weihnachtstag 2020 dem Angeklagten zur Last gelegt wurde. Dort ist zu sehen, wie ein Weihnachtsmann aufgeblasen wird und dabei den rechten Arm hebt, bis er den Hitlergruß zeigt. Das alles ist mit Marschmusik unterlegt und mit „Frohe Weihnachten, Kameraden“ überschrieben.
Verteidiger wollte Frank-Walter Steinmeier als Zeugen hören
Als „missratenen Scherz“ war das Video in der schriftlichen Erklärung des Angeklagten bezeichnet worden. Zudem sei er nicht mehr Mitglied der Gruppe. Auch werde die Hand viel zu hoch für den Hitlergruß gehoben. Vor Gericht legte der Verteidiger nun mit zwei Beweisanträgen noch einmal nach. Zum einen sei der aufblasbare Weihnachtsmann immer noch im Handel und solle, laut einem Dekorationsvertrieb, „freundlich winken und weihnachtliche Wärme“ ausstrahlen. Deshalb solle die Werbung dieses Vertriebes vom Gericht als Beweis in Augenschein genommen werden.
Zum anderen handele es sich bei der Musik um den Titel „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein“, was zum Beispiel beim Einzug des Ehrenbataillons des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue gespielt werde. Um das zu belegen, solle als Zeuge der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gehört werden.
Mit 1800 Euro fiel der Strafantrag nun doppelt so hoch aus
Richterin Giesen lehnte beide Beweisanträge als unerheblich ab. Zum einen sei nicht das Lied angeklagt, sondern die Verwendung im Video, die einen eindeutig soldatischen Anklang erzeuge. Beim zweiten Antrag sei unter anderem nicht dargelegt worden, dass es sich tatsächlich um genau die Figur aus dem Video handelte.
„Wir haben das Video gesehen, es ist keine winkende Geste“, betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Die Intention des Videos sei im Kontext des Chats deutlich zu erkennen, in dem regelmäßig Bilder von Adolf Hitler gezeigt worden seien. Sie gehe in diesem Fall nicht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung aus, aber darum gehe es nicht.
Als Strafantrag forderte sie eine Geldstrafe von 1800 Euro. Das war doppelt so viel, wie ursprünglich im Strafbefehl gestanden hätte.
Gemünder Richterin hegt keine Zweifel an der Absicht des Videos
Die entscheidende Frage sei, dass das Posting am ersten Weihnachtstag gemacht wurde, entgegnete der Verteidiger. Die Figur in dem Video werde aufgepustet, da sei das Heben des Armes zwangsläufig. Nur aus den anderen Äußerungen zu schließen, dass dieses Posting verfassungsfeindlich sei, sei abwegig, sagte er und forderte Freispruch.
Im Kontext der Nachrichten, die in verschiedenen Konstellationen Bilder von Adolf Hitler und dem Deutschen Gruß zeigten, bestehe kein Zweifel an der Absicht des Videos, urteilte Giesen und folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Der Paragraf, der die Nutzung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen unter Strafe stelle, sei eingeführt worden, um sämtliche Zusammenhänge zu tabuisieren. Deshalb sei schon das einfache Posten ohne Absicht seit langer Zeit unter Strafe gestellt.
Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt
Im zweiten Fall zeigte der Angeklagte sich geständig und reumütig. Zwei Bilder von Adolf Hitler habe er gepostet, dazu ein Video, in dem ein bellender Schäferhund nur mit den Worten „Heil Hitler“ zu beruhigen ist. Er sei sich nicht im Klaren darüber gewesen, was das für Folgen haben könne. Er sei längst nicht mehr Mitglied der Gruppe und sympathisiere nicht mit rechtem Gedankengut. „Aus der Gruppe ist niemand rassistisch“, betonte er.
Angesichts des Geständnisses regte die Richterin bei der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße an. 1000 Euro forderte die Staatsanwältin als Buße, ein Betrag, mit dem sich der Angeklagte einverstanden erklärte.
„Das ist das erste derartige Verfahren, das ich erlebe, das eingestellt wird“, so Giesen zum Angeklagten. Ansonsten sei die Staatsanwaltschaft einer Einstellung nicht zugänglich, da jeder Anschein vermieden werden solle, dass eine solche Gesinnung reaktiviert werde.