Wort zum SonntagWie eine „Neue Gesellschaft“ aussehen könnte
Wenn es dem Menschen gelingt, nicht mehr vom Haben, sondern vom Sein bestimmt zu sein, kann er zu sich selbst kommen. Dann kann der Mensch (endlich) seine innere Tatkraft entfalten und seine Fähigkeiten gewinnbringend einsetzen.
Denn dringender als je zuvor sind für das physische Überleben der Menschheit psychische und soziale Veränderungen notwendig. So das Fazit von Haben oder Sein, dem Kultbuch der 68-er Generation von Erich Fromm.
Immer wieder war in der Geistesgeschichte unseres Landes „Die Neue Gesellschaft“ das visionäre Fernziel philosophischer, theologischer, literarischer und politischer Überlegungen. In Erinnerung bleibt (nach Walter Rathenaus Überlegungen) etwa Willy Brandts Regierungserklärung von 1969: „Wir wollen mehr Demokratie wagen. “ Die neue „Ampel“-Regierung tritt mit dem erklärten Ziel an, das bisherige sich durchmogeln und sich arrangieren durch eine neue, gestaltende, wenn auch „zumutungsfreie“ Politik überwinden zu wollen. Wenngleich, formal, die Kontinuität zur Politik der Vorgängerregierung unausweichlich sein dürfte. Doch wie wird das Neue aussehen?
Etwa so, wie sich dies der Weisheitslehrer Jesus Sirach vorstellt: „Jede Bestechung und Ungerechtigkeit wird ausgerottet“ (40,12 ff)? Der alltagserfahrene Realist setzt auf Bewährtes: „Treue besteht für immer“! Weisheit fordert Sirach, Zuneigung, Verständigung ohne Hintergedanken, zweckfreie Ratschläge. Sogar eine saubere Umwelt und -Gottesfurcht: „ein gesegnetes Paradies“(V 27). Dies ist Sirachs „Programm“ für seine Gesellschaft.
Wie die Berliner „Ampel“ künftig das Leben lenkt, dürfte mehr Vorstellungskraft erfordern als nur die Idee einer unfallfreien Regelung zweier sich kreuzender Verkehrswege.