Joachim Gerhardt ist Pfarrer an der Lutherkirche in Bonn. Er macht sich Gedanken über unser Mitgefühl in finsteren Zeiten.
Wort zum SonntagMitgefühl macht einen Menschen zum Menschen
Was macht den Menschen zum Menschen? Sein Mitgefühl. Die Fähigkeit, sich in einen anderen hineinzudenken, sich einzufühlen und dabei zu spüren, wie uns die Grundgefühle des Lebens miteinander verbinden: Liebe und Trauer, Klage und Freude, Angst und Hoffnung.
Die jüngsten Bilder vom Krieg, von enthemmter Gewalt, auch der Ton auf mancher Demonstration bei uns lassen einen einmal mehr daran zweifeln. Es ist so schlimm, was Menschen einander antun können!
Doch ich möchte mir mein Mitgefühl nicht vom Terror wegbomben, vom Hass begraben lassen. Das hat auch mit der Vorstellung zu tun: Das Leben ist heilig.
Jeder Mensch ist ein „Ebenbild Gottes“, wie es in der Schöpfungsgeschichte der Bibel heißt. Will sagen: Jeder trägt zumindest einen Hauch göttlicher Sinnstiftung in sich. Jeder kann etwas widerspiegeln von Gottes großer Zusage, wie das Leben gelingt.
Kann, muss aber nicht – wie wir ja leider Gottes erleben. Der Mensch hat eben auch sehr böse, destruktive Seiten. Und lebt diese, wenn es die Umstände möglich machen, aus. Schrecklich.
Gut zu wissen: Das biblische Wort vom Ebenbild Gottes ist nicht fürs Poesiealbum geschrieben, sondern mitten in einer sehr bedrohten Welt. Als Versuch, eine Perspektive aufzuzeigen, Menschen im Miteinander eine bessere Zukunft zu eröffnen.
Das Mitgefühl ist ein wesentlicher Teil dieser besseren Zukunft. Und es ist ein Teil von Gottes Ebenbildlichkeit des Menschen. Christlich erzählt in der Geschichte von Jesus am Kreuz. Dort leidet Gott selbst und er leidet mit, mit allen Opfern, Geschändeten und Verratenen auf der Welt.
Ja, ich möchte mitfühlen, nicht hassen! Und ich glaube, dass Gott allen, die das auch wollen, ganz viel Kraft gibt.