Feiern tut der Seele gut. „Es war in Königswinter, nicht davor und nicht dahinter.“ Alle singen mit. Es ist Winzerfest im nördlichsten Weinbaugebiet am Rhein. Ich war zu Besuch. Hier bin ich aufgewachsen.

Winzerfeste sind Dankfeste, Erntedankfeste. Der Wein erfreut sich im Christentum hoher Wertschätzung. Jesus hätte auch Rheinländer sein können. Im Abendmahl stiftet er mit Wein Gemeinschaft und Erlösung. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“, schärft er seinen Jüngern ein mit dem Auftrag, genussvoll Nächstenliebe in die Welt zu bringen. Und als bei einer Hochzeitsfeier die Getränke ausgehen, verwandelt er Wasser in Wein. Wenn Menschen gemeinsam feiern, soll es in Gottes Namen gelingen!

Gelingen und Genießen – beides gehört zusammen. Die Bibel erzählt von dem reichen Kornbauer, der unsicher ist, was er mit seinem Leben noch anfangen soll. Jesus rät ihm, seinen Reichtum zu teilen. Vorher aber hat der Bauer schon selbst eine wichtige Entscheidung gefällt: „Liebe Seele, du hast einen guten Vorrat für viele Jahre“, sagt er sich, „habe nun Ruhe, iss trink und hab guten Mut.“ Raus aus dem Hamsterrad der rastlosen Suche nach immer mehr, mehr Reichtum, Wachstum, Bestätigung. Wie weise.

Doch wann findet die eigene Seele Ruhe? Viel zu selten. Mein Tipp daher: Gönnen Sie sich heute Abend ein gutes Gläschen Wein oder Traubensaft und fragen sich: Für was darf ich dankbar sein? Wo habe ich gesät und konnte ernten und das mit anderen teilen? Wo ist mir Lebenswichtiges geschenkt worden wie Liebe, Vertrauen oder Verzeihen?

Dankbarkeit ist eine Lebenskunst. Sie will immer wieder neu eingeübt und zelebriert werden. Das geht überall, nicht nur mitten in Königwinter. Ich proste Ihnen in Gedanken zu: Zum Wohl, auf das Leben!

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Lutherkirche in Bonn