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Kriegsverbrechen vom Kremlchef befohlenEx-Wagner-Söldner taucht überraschend in Den Haag auf – und will gegen Putin aussagen

Lesezeit 4 Minuten
Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Fernsehansprache. Laut einem ehemaligen russischen Wagner-Söldner kamen Befehle für Gräueltaten in der Ukraine direkt aus dem Büro des Kremlchefs. (Archivbild)

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Fernsehansprache. Laut einem ehemaligen russischen Wagner-Söldner kamen Befehle für Gräueltaten in der Ukraine direkt aus dem Büro des Kremlchefs. (Archivbild)

Befehle für „Gräueltaten“ seien mitunter direkt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gekommen, sagt Igor Salikow.

Ein ehemaliger Offizier der russischen Söldnertruppe Wagner ist in den Niederlanden eingetroffen, um vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine auszusagen, das berichten niederländische Medien.

In einem Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender NPO1 behauptete der 60-jährige Igor Salikow, er sei während seiner 25-jährigen Dienstzeit bei den russischen Streitkräften bis zum Rang eines Obersts aufgestiegen, dann sei er zur Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin gewechselt, so Salikow.

Ex-Wagner-Söldner berichtet von russischen „Gräueltaten gegen Zivilisten“

Salikow bekannte sich gegenüber den niederländischen Medien zu seiner Beteiligung an der russischen Besatzung der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 sowie an der Invasion der Ukraine im Jahr 2022.

Er sei Zeuge der Rolle Moskaus beim Schüren eines separatistischen Konflikts in den östlichen Regionen Donezk und Luhansk, von „Gräueltaten gegen Zivilisten“ und von Kindesentführungen geworden, sagte der 60-Jährige nach seiner Ankunft in den Niederlanden.

Der Kreml bestreitet, dass russische Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen haben. Internationale Untersuchungen gehen unterdessen von mehreren Verstößen russischer Soldaten gegen das Kriegsrecht aus.

Weltweites Entsetzen löste vor allem das Massaker an Zivilisten in der Stadt Butscha aus, aber auch die Belagerung der Stadt Mariupol aus. Zehntausende ukrainische Kinder wurden zudem von Russland aus der Ukraine verschleppt.

Geflohener russischer Soldat schildert Entführung ukrainischer Kinder

„Ich habe gesehen, wie Leute vom Geheimdienst eine große Zahl elternloser Kinder über die Grenze nach Belarus brachten“, erklärte Salikow dazu nun. Ihm zufolge handelte es sich um „ganze Konvois von FSB-Agenten, in Personenkraftwagen und Kleintransportern“.

Salikow schildert nun auch „Operationen unter falscher Flagge“, die von der russischen Armee seit der Annexion der Krim inszeniert worden seien, um Kiew der Gewalt gegen die russischsprachige Gemeinschaft in der Ostukraine beschuldigen zu können. Auch habe es seit 2004 „schrecklichen Wahlbetrug“ bei den Scheinreferenden gegeben, die Moskau in der Region hatte durchführen lassen.

Befehle für Kriegsverbrechen kamen angeblich „von Präsident Wladimir Putin selbst“

Die Befehle für derartige Kriegsverbrechen seien direkt vom russischen Verteidigungsministerium, dem Geheimdienst FSB und in einigen Fällen „sogar von Präsident Wladimir Putin selbst“ gekommen, so der geflohene russische Söldner. Gegenüber NPO1 erklärte Salikow, er wolle vor allem Einblicke in die russische Befehlskette mit seiner Aussage liefern.

Jewgeni Prigoschin (M), damaliger Chef der Wagner-Gruppe, posiert mit Söldnern im ukrainischen Bachmut. Prigoschin starb im August bei einem Flugzeugabsturz. Die Wagner-Gruppe hat sich seitdem de facto aufgelöst. (Archivbild)

Jewgeni Prigoschin (M), damaliger Chef der Wagner-Gruppe, posiert mit Söldnern im ukrainischen Bachmut. Prigoschin starb im August bei einem Flugzeugabsturz. Die Wagner-Gruppe hat sich seitdem de facto aufgelöst. (Archivbild)

Wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag bereits am 17. März einen internationalen Haftbefehl erlassen. Seitdem kann der Kremlchef nur noch in die wenigen mit Russland verbündeten Länder wie Nordkorea oder China reisen, ohne eine direkte Festnahme fürchten zu müssen.

Ex-Wagner-Söldner in Den Haag: „Glauben an die russische Sache verloren“

Der ehemalige Wagner-Offizier Salikow begründete seine Flucht in die Niederlande gegenüber NPO1 damit, dass er mittlerweile „den Glauben an die russische Sache verloren“ habe. Nach zwei Jahren an der Front sei ihm klar geworden, dass „alles nicht wahr ist“, was der Kreml über vorgebliche Nazis in der Ukraine behauptet habe. Die russischen Soldaten seien vom Kreml „belogen“ worden, so Salikow.

Wie das russische Menschenrechtsprojekt Gulagu berichtet, ist Salikow am Montag mit seiner Frau und seinen beiden Kindern zunächst in Amsterdam eingetroffen und habe sich bereit erklärt, sich „schuldig zu bekennen“, an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg teilgenommen zu haben.

Internationaler Gerichtshof überrascht von Ex-Wagner-Söldner

In einer schriftlichen Erklärung, die dem Sender NPO1 vorliegt, habe der 60-Jährige sich zu seiner Beteiligung bekannt – und diesen an den Internationalen Strafgerichtshof übergeben, hieß es weiter bei Gulagu.

Das Gericht sei von der Ankunft Salikows allerdings überrascht worden, schrieben die russischen Menschenrechtsaktivisten. „Sie haben nicht mit ihm gerechnet und waren nicht bereit für eine direkte Befragung.“ Laut niederländischen Medien blieb zunächst unklar, wie Den Haag mit Salikows schriftlicher Erklärung nun verfahren werde.

Ob die Flucht des Russen auch mit der Auflösung der Wagner-Gruppe zu tun hat, wurde aus Salikows Aussagen nicht ersichtlich. Die Privatarmee hatte zunächst in Russlands Krieg gegen die Ukraine eine große Rolle gespielt, ehe ihr Anführer Jewgeni Prigoschin sich immer wieder mit Moskau angelegt und schließlich sogar eine kurze Meuterei gestartet hatte.

Prigoschin starb schließlich bei einem Flugzeugabsturz im August und ungeklärten Umständen. Die Wagner-Gruppe löste sich daraufhin auf.