Baerbock warnt vor Gaslieferstopp„Dann sind wir mit Volksaufständen beschäftigt“
Hannover/Barleben – Außenministerin Annalena Baerbock hat vor möglichen innenpolitischen Folgen eines Gaslieferstopps gewarnt - ihre Äußerung anschließend aber als bewusste Zuspitzung bezeichnet. Die Grünen-Politikerin betonte am Mittwochabend in Hannover bei der Veranstaltungsreihe „RND vor Ort“ des Redaktionsnetzwerks Deutschland die Notwendigkeit russischer Gaslieferungen. In dem Zusammenhang ging sie auch auf Gespräche mit Kanada zu einer Turbine ein, die aufgrund von Sanktionen zwischenzeitlich in Kanada festgehalten wurde und mit deren Fehlen die russische Seite gedrosselte Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 begründete.
Baerbock sagte: „Die Kanadier haben gesagt: Bei uns in der Öffentlichkeit gibt es viele Fragen, dann haben wir gesagt, das können wir verstehen, aber wenn wir diese Gas-Turbine nicht bekommen, dann bekommen wir kein Gas mehr, dann können wir als Deutschland überhaupt gar keine Unterstützung mehr für die Ukraine leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind.“
Annalena Baerbock: „Ich habe es bewusst sehr zugespitzt formuliert“
Danach gefragt, wie sie ihre Äußerungen genau gemeint habe, sagte Baerbock am Donnerstag bei einem Besuch in Barleben in Sachsen-Anhalt: „Ich habe es bewusst sehr zugespitzt formuliert.“ Sie habe verdeutlichen wollen, warum Deutschland sich gegen ein Komplettembargo für Gas und Öl aus Russland ausgesprochen habe, während andere für ein solches Embargo als Konsequenz des russischen Angriffs auf die Ukraine gewesen seien. Man hätte den Menschen in so einem Fall dann „von einem Tag auf den anderen“ sagen müssen, dass es kein Gas mehr gebe und das ohne Alternativen, sagte Baerbock. „Das haben wir offensichtlich nicht für den richtigen, für den sicheren Weg gehalten.“
Baerbock hatte ihre Äußerung bereits direkt am Mittwochabend während der RND-Veranstaltung relativiert. Auf die Nachfrage einer Journalistin, ob Deutschland dann wirklich mit Volksaufständen beschäftigt sei, sagte die Außenministerin: „Das war jetzt überspitzt gesagt. Wenn wir kein Gas mehr hätten.“
„Russland erpresst uns, Russland setzt Energie als Waffe ein“
Die Äußerungen geschahen auch vor dem Hintergrund der Unklarheit darüber, ob Russland die Gas-Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach einer regulären Wartungspause wieder aufnimmt. Am Mittwoch hatte EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen bereits gewarnt, „Russland erpresst uns, Russland setzt Energie als Waffe ein.“
Am Donnerstag schloss Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sich an. Es sei eine Verdrehung der Tatsachen, dass der Kreml sich als Garant sicherer Gaslieferungen darstelle, sagte Habeck am Donnerstag in Berlin. In der Tat nutze Russland seine große Macht, um Europa und Deutschland zu erpressen. Habeck hat zudem ein weiteres Paket zur Energiesicherung angekündigt. Dazu gehören schärfere Vorgaben zur Befüllung der Gasspeicher und eine Aktivierung der Braunkohlereserve, wie Habeck am Donnerstag in Berlin sagte.
Irritiert zeigte sich Baerbock unterdessen von Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin habe sich entschieden, einen völkerrechtswidrigen Krieg vom Zaun zu brechen, der nicht nur dem ukrainischen, sondern auch dem russischen Volk schade, sagte Baerbock. „Wir haben es hier mit keiner rational handelnden Regierung zu tun.“ Baerbock sagte weiter: „Die Aussagen verwundern mich etwas, denn weder die deutsche Bundesregierung noch irgendein anderes Land in Europa wollten je wieder Krieg auf diesem Kontinent haben.“
Annalena Baerbock über Kretschmers Äußerungen: „Ich weiß nicht, was das bedeuten soll“
Kretschmer hatte am Dienstag gefordert, es müsse gemeinsam versucht werden, auf Putin „einzuwirken“. Der CDU-Bundesvize zeigte sich zudem überzeugt, dass Deutschland weiter Rohstofflieferungen aus Russland brauche. Baerbock verwies darauf, dass Deutschland und zahlreiche andere Staaten immer wieder versucht hätten, mit Russland im Gespräch zu bleiben.
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„Da sagt ein Ministerpräsident, 'redet doch mal', obwohl der Bundeskanzler mehrfach mit dem russischen Präsidenten telefoniert hat und der UN-Generalsekretär in Moskau war“, kritisierte sie. „Der russische Präsident möchte in diesem Moment nicht reden, alles was er möchte, ist Leid und Krieg über die Ukraine zu bringen“, so die Außenministerin. Kretschmer hatte zudem gefordert, Deutschland müsse dafür eintreten, dass dieser Krieg „eingefroren wird“. Baerbock sagte dazu: „Ich weiß nicht, was das bedeuten soll.“ (das/dpa/afp)