AboAbonnieren

Verdi-Chef Werneke im Interview„ Es gibt keinen Anlass, den Streik auszusetzen“

Lesezeit 4 Minuten
werneke beim klinikstreik

Mittendrin: Verdi-Chef Frank Werneke beim Demonstrationszug der Uniklinik-Mitarbeitenden. 

Seit Anfang Mai dauert der Streik an den sechs NRW-Unikliniken an. Am Freitag haben erneut rund 1500 Beschäftigte aus der Pflege und nicht-pflegerischen Bereichen ihre Arbeit niedergelegt. Viele von ihnen demonstrierten in Düsseldorf für einen neuen Tarifvertrag, in dem konkrete Maßnahmen zur Entlastung festgeschrieben sind. Am Rand der Kundgebung sprach Stephanie Weltmann mit dem Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Werneke über das nun vorliegende Angebot der Arbeitgeber, Nöte von Erkrankten und den Ausblick auf Erfolg.

Infolge des Uniklinik-Streiks sind bereits tausende Operationen verschoben worden. Selbst Krebs-OPs und Kinderkliniken sind betroffen. Vielen Patienten vergeht die Geduld. Treiben Sie es zu weit?

Nein. Der Streik hätte vermieden werden können. Es gab ein 100-Tage-Ultimatum, das die Unikliniken und das Land tatenlos haben verstreichen lassen. Und das, obwohl dies in NRW nicht die erste Auseinandersetzung dieser Art ist und wir inzwischen an 20 Standorten von Kiel bis Augsburg Tarifverträge zur Entlastung der Beschäftigten erfolgreich durchgesetzt haben. Das war hier in NRW eine krasse Fehleinschätzung seitens der Arbeitgeberseite.

Laumann besorgt

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stelle in der „Rheinischen Post“ fest, die Streiks führten „zu Einschränkungen der Versorgung von Patientinnen und Patienten“. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Notfälle oder schwer kranke Patienten nicht mehr behandelt werden könnten oder ihre Operationen so lange hinausgeschoben werden müssen, dass sich ihre Erkrankung deutlich verschlechtere. (dpa)

Hätten Sie erwartet, dass der Streik über solch einen langen Zeitraum nötig ist?

Nein. Wir haben erst seit Donnerstag ein erstes Angebot der Arbeitgeber vorliegen – da ist viel Zeit verspielt worden. Aber dass es nun dieses Angebot gibt, ist ein Erfolg der Streikenden.

Die Beschäftigten fordern nicht mehr Lohn, sondern mehr Kollegen. Personalmangel und Überlastung sind lange bekannte Probleme – wer hat hier geschlafen?

Die gesamte Finanzierung des Gesundheitssystems ist darauf ausgerichtet, Operationen zu bezahlen. Alles, was danach kommt, wird bei dieser Finanzierung vernachlässigt, die Pflege und noch mehr alle anderen Bereiche. Das ist eine Fehlkonstruktion. Die zweite: Wenn es jetzt durch unseren erstrittenen Tarifvertrag dazu kommt, dass nach und nach mehr Personal eingestellt wird, wird das nur zum Teil von den Krankenkassen refinanziert. Alle nicht-pflegerischen Bereiche sind außen vor – Radiologie-Assistenten oder Physiotherapeuten, die aber genauso Überlastung erfahren und mehr Kolleginnen und Kollegen benötigen.

Wer soll diese Kosten tragen?

CDU und Grüne haben beide vor der Landtagswahl ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht, damit die Unikliniken mehr Personal auch außerhalb der Pflege einstellen können. Wir erwarten deshalb eine klare Finanzierungszusage der nächsten Landesregierung.

Nun liegt ein Angebot der Arbeitgeberseite vor. Ist es ein Angebot, das befriedet?

Durch das Angebot zieht sich wie ein roter Faden, dass es Entlastungen für Pflegekräfte, aber nicht für die anderen Bereiche geben soll. Ich kann Ihnen sagen: Die Streikenden sind nicht bereit, das mitzumachen und sich spalten zu lassen. Es gibt keinen Anlass, den Streik abzuflachen oder auszusetzen. Wir werden ihn so lange fortführen, bis es ein Ergebnis gibt, das von den Streikenden akzeptiert wird.

Eigentlich fordern Sie gesetzlich verankerte Personalbemessungsgrenzen, oder?

Wir wären einen großen Schritt weiter, wenn es das gäbe, ja. Wir haben dazu etliche Vorschläge vorgelegt und konstruktive Reaktionen erwartet, aber alles ist immer wieder abgelehnt worden. Das ist auch ein Grund, warum sich die Beschäftigten in der Pflege so hintergangen fühlen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was ist die Alternative, wenn es hier nun nicht zum Erfolg kommt?

Für die Pflege kann man sagen: Dann wird der Notstand zunehmen. 40 Prozent der Pflegekräfte spielen inzwischen mit dem Gedanken, ihren Beruf zu verlassen. Das darf nicht passieren. Deshalb brauchen wir sowohl beim Einkommen als auch bei der Arbeitssituation deutliche Fortschritte. Dann wächst auch die Attraktivität dieses eigentlich ja tollen Berufs.

Wie lange wird der Arbeitskampf noch dauern?

Ich bin stolz auf das Engagement der Beschäftigten hier in NRW. Viele von ihnen sind über sich hinausgewachsen. Und deshalb habe ich keinen Zweifel, dass es zu einem erfolgreichen Tarifabschluss kommen wird. Wie lange es noch dauert, liegt in den Händen der Arbeitgeber. Ich bitte alle Betroffenen um Verständnis. Letztlich geht es hier um eine tarifliche Regelung, von der künftig auch alle Patientinnen und Patienten profitieren werden.