Die Flugabwehr der Ukrainer hat bisweilen bizarre Züge. Im Bombenhagel der russischen Luftwaffe bittet die Ukraine um Hilfe des Westens.
Selenskyj bittet dringend um WaffenUkrainer schießen aus alter Propellermaschine mit Schrotflinten auf Drohnen
Langstreckenraketen, Drohnen, Granaten, Artilleriegeschütze: Die Ukraine fordert seit Monaten bessere Waffen und Munitionslieferungen aus dem Westen, um sich dem Angriff von Russland weiter erwehren zu können. Angesichts der zunehmenden russischen Luftangriffe der vergangenen Tage forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von den Verbündeten am Sonntagabend noch einmal stärkere Unterstützung.
„Je eher die Welt uns hilft, mit den russischen Kampfflugzeugen, die diese Bomben abwerfen, fertig zu werden, je eher wir die russische militärische Infrastruktur, die russischen Militärflugplätze angreifen können, desto näher sind wir dem Frieden“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Weil geeignete Waffen und Munition mitunter aber immer noch fehlen, setzt die ukrainische Armee zum Teil auf unorthodoxe Abwehrmechanismen, insbesondere in der Luftabwehr.
Mit Schrotflinte bewaffnet: Alte Propellermaschine mit Zwei-Mann-Besetzung geht auf Drohnenjagd
Im Kampf gegen russische Drohnen schwört die Ukraine auf ein rund 50 Jahre altes propellergetriebenes Militärschulflugzeug, deren Besatzung offenbar mit Schrotflinten ausgestattet ist. Die Bilanz kann sich angesichts dieser Ausstattung sehen lassen, mehrere Abschüsse stünden bereits zu Buche, das berichtet das Magazin „Forbes“ am Sonntag.
Ein in den sozialen Medien kursierender Ausschnitt aus Aufzeichnungen einer russischen Drohne zeigt offenbar zwei ukrainische Soldaten, die aus dem offenen Cockpit ihrer Yak-52 auf die Drohne starren. Die Yak-52 und die russische Drohne sind dabei nur wenige Meter voneinander entfernt. Die Besatzung des Flugzeugs besteht aus einem Piloten und einem Schützen. Unabhängig überprüft werden kann die Echtheit des Videos nicht.
Ukraine setzt offenbar Schrotflinten bei Drohnenabwehr ein
Dass die Ukrainer nicht nur die alten Maschinen, die in den 1970er Jahren konzipiert und gebaut wurden, sondern auch Schrotflinten zur Drohnenabwehr einsetzen, daran haben Experten wie der italienische Luftfahrtexperte David Cenciotti keine Zweifel. Im April 2024 soll die ukrainische Luftwaffe begonnen haben, modifizierte Jakowlew Jak-52 zur Drohnenjagd einzusetzen. Dabei handelt es sich um ein ehemaliges sowjetisches Militärschulflugzeug mit zwei Sitzen, das primär zur Ausbildung von Militärpiloten eingesetzt wurde.
Wie Forbes berichtet, soll sich ein russischer Militärblogger über eine Yak-52-Besatzung, die „auf unsere Drohnen schießt, als wäre es ein Schießstand“, beschwert haben. Mitte April kursierten erste Videos in den sozialen Netzen, die zeigen sollen, wie die Besatzung einer Yak-52 eine russische Überwachungsdrohne in der Südukraine abschießt.
Ukraine und Russland setzen wohl Schrotflinten zur Bekämpfung von Drohnen ein
Medienberichten zufolge gehört die Maschine einem ukrainischen Freiwilligencorps, der „eindeutig im Auftrag der ukrainischen Luftwaffe“ kämpfe. Wie US-Journalist David Axe analysiert, lassen Markierungen auf der propellergetriebenen Jakowlew Yak-52 darauf schließen, dass mindestens acht unbemannte russische Luftfahrzeuge von Schützen in der Maschine abgeschossen worden seien.
Der zunehmende Einsatz von Schrotflinten zur Bekämpfung von Drohnen ist zwar ungewöhnlich, kann angesichts des fehlenden Nachschubs an Munition und modernen Waffen allerdings als pragmatisch bezeichnet werden. Mit einer Schrotflinte lässt sich ein breites Spektrum an Projektilen abfeuern, sodass der Schütze mit einem einzigen Schuss ein breiteres Zielgebiet treffen kann. Deswegen eignen sich Schrotflinten zum Beispiel für die Jagd auf Vögel.
Die Streuung des Schussmusters erhöht die Chance, ein kleines, sich schnell bewegendes Ziel – wie eine Drohne – zu treffen. Die geringe Reichweite und die Notwendigkeit des Sichtkontakts mit dem Ziel machen die Methode im Vergleich zu anderen Anti-Drohnen-Technologien ineffizient und potenziell gefährlich. Sowohl der Pilot der Jak-52 als auch der Schütze auf dem Rücksitz müssen sehr geschickt sein, um eine verhältnismäßig kleine Drohne abschießen zu können.
Russische Luftangriffe: Ukraine fordert mehr Unterstützung
Doch die ukrainische Luftwaffe muss haushalten mit ihren Ressourcen. Ballistische Raketen und Marschflugkörper sind nicht unbegrenzt verfügbar. Berichten zufolge hat die Ukraine deshalb 4.000 Escort BTS12-Schrotflinten von der türkischen Firma Hatsan zur Drohnenabwehr erworben.
Der Einsatz von Schrotflinten gegen Drohnen wird derweil nicht nur von der Ukraine vorgenommen. Die belgische Luftwaffe hat die Benelli M4 Super 90 – eine halbautomatische Schrotflinte, die speziell für die Bekämpfung von Drohnen angepasst wurde – bereits zur Bekämpfung nicht genehmigter Drohnen eingesetzt.
Und auch die Russen nutzen Medienberichten zufolge Schrotflinten im Kampf gegen ukrainische Drohnen. „Die Russen an der Front betteln förmlich um Schrotflinten, da ihre Störsender versagen“, schrieb Forbes-Journalist David Hambling Anfang Mai 2024.
Beide Seiten haben in dem Konflikt seit Februar 2022 in großem Umfang Drohnen eingesetzt, darunter auch solche mit einer Reichweite von hunderten Kilometern.
Selenskyj bittet um mehr Flugabwehr
Wolodymyr Selenskyj bat angesichts des russischen Bombenterrors gegen ukrainische Städte erneut um mehr Hilfe bei der Luftverteidigung. Allein in der vergangenen Woche habe Russland 800 Gleitbomben über seinem Land abgeworfen, sagte Selenskyj in Kiew. Besonders große Probleme bereiten den Verteidigern diese Bombenart.
„Die Ukraine braucht mehr Flugabwehrsysteme. Wir brauchen starke Hilfe von unseren Partnern“, sagte Selenskyj. Die Armee sei auf Hilfe angewiesen, um die russischen Kampfbomber abschießen zu können.