Es sind verstörende Szenen: In Cherson macht Putins Armee Jagd auf Zivilisten – und spricht von einer „guten Übung“ für richtige Einsätze.
„Menschensafari“ in der UkrainePutins Armee nutzt Drohnenangriffe auf Zivilisten als „gute Übung“
Es sind verstörende Szenen, die auf derzeit in den sozialen Netzwerken kursierenden Videos zu sehen sind: Die Aufnahmen sollen von russischen Drohnen im Gebiet der ukrainischen Stadt Cherson stammen – und zeigen, wie die russischen Streitkräfte Granaten auf arglose Zivilisten in der Stadt abwerfen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Aufnahmen nicht, die Attacken konnten von ukrainischen Medien in manchen Fällen jedoch verifiziert werden.
Laut ukrainischen Medien sind derartige Angriffe zudem nicht neu – bei den Bewohnern der Stadt sei bereits seit Woche von einer russischen „Menschensafari“ die Rede. Bereits seit rund zwei Monaten soll es den Berichten zufolge zu derartigen Angriffen in der Stadt gekommen sein, die jedoch erst mit den jüngsten kursierenden Aufnahmen größere Beachtung gefunden haben.
„Menschensafari“ in Cherson: Putins Granaten fallen auf Zivilisten
„Russische Drohnenpiloten werfen gezielt Granaten auf Zivilisten“, hatte der ehemalige Kiewer Regierungsberater Anton Geraschtschenko bereits Anfang September berichtet. „Während die Russen früher gezielt Militärangehörige und Militärfahrzeuge attackierten, sind es heute tägliche Angriffe auf Zivilisten“, fügte Geraschtschenko damals an.
„Zahlreiche“ Opfer habe es bei derartigen Attacken auf Menschen gegeben, „die einfach an Bushaltestellen standen, aus einem Kleinbus ausstiegen, in der Nähe von Geschäften standen oder in der Schlange für Wasser anstanden“, berichtete der Ex-Berater im sozialen Netzwerk X.
Russische Blogger verhöhnen Opfer von sadistischen Drohnen-Attacken
Die ukrainische Zeitung „Kyiv Post“ hat nun mehrere Fälle russischer Drohnenangriffe auf Schulen, Zivilfahrzeuge, öffentliche Busse und Krankenwagen in Cherson dokumentiert. Darunter auch der Fall der zweifachen Mutter Anastasia, die von einer Drohne attackiert wurde, als sie sich mit dem Fahrrad auf dem Heimweg befunden habe.
Sie habe zunächst bemerkt, dass eine Drohne sie verfolge, erklärte die Ukrainerin der Zeitung. Dann sei eine Granate auf sie herabgeworfen worden und vor ihren Füßen explodiert. Die Frau überlebte die Attacke dem Bericht zufolge, zog sich jedoch schwere Verletzungen an den Beinen zu.
Drohnenangriffe: „Ganze Stadtteile“ in Cherson niedergebrannt
Der Sadismus innerhalb der russischen Armee sei schließlich überdeutlich geworden, als Aufnahmen des Angriffs auf die Frau in einem russischen Telegram-Kanal veröffentlicht worden waren. „Die ukrainischen Streitkräfte fahren Fahrräder … das hier ist ein starker 300er. Evakuierung ist nicht erlaubt“, hieß es dort – mit einem zwinkernden Emoji versehen – zu dem Video der Attacke. „300“ ist der russische Code für einen verletzten Soldaten.
In den russischen Telegram-Kanälen werden die Angriffe auf Zivilisten unterdessen damit gerechtfertigt, dass „alles“ in Cherson ein legitimes Ziel sei. Stolz brüsten sich die russischen „Z-Blogger“ damit, dass nicht nur Einzelpersonen Ziel der Angriffe seien, sondern mit Brandsätzen „ganze Stadtteile niedergebrannt“ worden seien, berichtete das US-Magazin „Forbes“ über den täglichen russischen Terror in Cherson.
Putins Armee: Russische Soldaten üben Drohnenangriffe an Zivilisten
Offenbar dienen die sadistischen Drohnenangriffe der russischen Streitkräfte gegen Zivilisten in Cherson auch der Ausbildung von Drohnenpiloten. „Das ist eine gute Übung für junge Drohnenpiloten, um ihre Fähigkeiten auszubauen und sich auf richtige Kampfoperationen vorzubereiten“, hieß es in einem populären Telegram-Kanal, der über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet.
Die Lage für die Bewohner von Cherson werde sich im Herbst und Winter unterdessen noch verschärfen, berichtete „Forbes“ weiter. Durch das herabfallende Laub seien die Zivilisten auf den Straßen der Stadt aus der Luft nun noch besser zu entdecken – und damit ein einfaches Ziel für die russische „Menschensafari“.
Angst vor Drohnenangriffen: Cherson wird zur „Geisterstadt“
Die allermeisten Bewohner der Stadt vermeiden den Berichten zufolge mittlerweile den Aufenthalt im Freien. Bei der „Kyiv Post“ ist von einer „Geisterstadt“ die Rede. „Die Leute hören ständig das Geräusch der Drohne, wenn sie hinausgehen“, beschreibt Geraschtschenko die Situation vor Ort.
„Der Zynismus der Russen besteht darin, dass sie genau sehen können, auf wen sie die Sprengsätze abwerfen. Sie stellen täglich Videos dieser Angriffe ins Internet“, fügte der ehemalige Regierungsberater an. „Jeden Tag sehen wir, wie Menschen verwundet oder getötet zu Boden fallen.“
Auch die russischen Luftangriffe auf die Stadt gehen ungebrochen weiter. „Mindestens zwei Menschen wurden im Laufe des Tages durch Luftangriffe auf die Regionen Charkiw, Cherson und Donezk getötet und weitere 21 verletzt“, hieß es am Sonntagmorgen aus Kiew.