Die Ukraine reagiert auf Kretschmers Vorstoß. Moskaus Staatsmedien sprechen derweil freudig von einem „schockierenden Angebot“.
Kreml-Medien freuen sich„Dann rücken die Russen näher an Sachsen heran“ – Kiew watscht Kretschmer ab
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat der ukrainischen Regierung für einen Waffenstillstand im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen einen vorübergehenden Gebietsverzicht nahegelegt – und damit den Ärger ukrainischer Politiker auf sich gezogen.
„Es kann sein, dass die Ukraine bei einem Waffenstillstand erst einmal hinnehmen muss, dass gewisse Territorien für die Ukraine vorübergehend nicht erreichbar sind“, hatte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch gesagt.
Michael Kretschmer fordert Gebietsverzicht von Ukraine
„Kein Quadratmeter des ukrainischen Territoriums ist russisch geworden“, betonte Kretschmer. „Aber wie auch in anderen großen Konflikten wird es hier Zeit für eine endgültige Lösung brauchen.“ Kretschmer rief die Bundesregierung erneut dazu auf, nicht nur Waffen an die Ukraine zu liefern, sondern auch diplomatische Initiativen zu ergreifen. Nötig seien Verbündete, um auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin „einzuwirken und einen Waffenstillstand möglich zu machen“.
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„Leider vertritt die Bundesregierung die Grundhaltung: Wir wollen keine Verhandlungen, sondern Waffenlieferungen“, sagte der Ministerpräsident den Funke-Zeitungen. „Die Amerikaner sind da weiter. Sie haben erkannt, dass der Krieg so nicht zu gewinnen ist.“
Kretschmer bereits mehrfach für Position zu Russland und Ukraine in der Kritik
Nötig sei eine Kehrtwende in der Russland-Politik. „Russland ist unser Nachbar. Ein gefährlicher, unberechenbarer Nachbar“, sagte Kretschmer. „Die Vorstellung, Russland militärisch, politisch und wirtschaftlich so zu schwächen, dass es uns nicht mehr gefährlich werden kann, ist eine Haltung, die aus dem 19. Jahrhundert kommt. Sie legt das Fundament für weitere Konflikte.“
Kretschmer stand für Äußerungen zum Ukraine-Krieg immer wieder in der Kritik. So warb der CDU-Politiker im November dafür, den Konflikt „einzufrieren“. Auch den Ärger des ehemaligen ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, zog Kretschmer mehrfach seit Kriegsbeginn bereits auf sich.
Auch Melnyks Nachfolger Oleksii Makeiev meldete sich nun zu Wort – und widersprach dem sächsischen Politiker deutlich. „Statt auf Gebiete zu verzichten, haben wir, Ukrainer, entschieden, die Freiheit und Frieden zu erkämpfen“, schrieb Makeiev im sozialen Netzwerk X in Richtung Kretschmers. „In Russland werden Ihre Worte als Zeichen der Schwäche wahrgenommen. Würden Sie auch Gebietsverzichte akzeptieren, wenn es um Sachsen gehen würde?“
Kritik an Kretschmer: „Dann rücken die russischen Truppen näher an Sachsen heran“
„Wenn die Ukraine sich mit dem zeitweisen Gebietsverlust abfindet, dann rücken die russischen Truppen näher an Deutschland und dabei Sachsen heran“, schrieb unterdessen der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko, am Mittwoch bei Facebook. Russlands Präsident Wladimir Putin sei aus seiner Dienstzeit in Dresden auch gut mit Sachsen vertraut. Nikolenko erinnerte daran, dass sowohl Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf Putin einzuwirken versucht haben.
„Zugeständnisse bei Gebieten führen unweigerlich zu einer größeren Aggression durch Russland, die fraglos über die Grenzen der Ukraine hinausgehen wird“, betonte Nikolenko. Frieden in Europa sei nur über eine Niederlage Moskaus erreichbar. Die einzig mögliche „Kehrtwende“ sei eine stärkere deutsche Unterstützung für die Ukraine.
Russische Staatsmedien freuen sich über „schockierendes Angebot“ von Kretschmer
Dabei dankte Nikolenko gleichzeitig der Bundesregierung für die bisher gewährten Hilfen. Die Ukraine wehrt seit über 22 Monaten mit massiver westlicher Hilfe eine russische Invasion ab. Deutschland ist dabei nach den USA der zweitstärkste Einzelunterstützer.
In Russland berichteten die staatlichen Nachrichtenagenturen unterdessen wohlwollend über Kretschmers Vorstoß. „Deutschland hat der Ukraine ein schockierendes Angebot gemacht“, betitelte die Nachrichtenagentur Ria ihren Artikel über Kretschmers Worte. EU und USA seien der „Ukraine-Krise überdrüssig“ geworden, hieß es weiter. Makeievs Warnung, dass Kretschmers Vorstoß in Moskau als „Schwäche“ wahrgenommen werde, scheint sich zu bewahrheiten. (mit dpa/afp)