Jenseits der UkraineKrieg könnte Atomdeal mit Iran platzen lassen
Istanbul – Seit fast einem Jahr verhandeln China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland in Wien mit dem Iran über eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern sollte. Die USA waren 2018 aus dem Vertrag ausgestiegen, wollen nun aber zu dem Abkommen zurückkehren und nehmen über Vermittler an den Gesprächen teil, weil der Iran direkte Verhandlungen mit Washington ablehnt.
Trotz ihrer Differenzen im Ukraine-Konflikt arbeiteten Russen und Amerikaner in Wien bisher zusammen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die Atomenergiebehörde IAEA meldete, verfügt Teheran inzwischen über etwa 33 Kilogramm Uran, das bis zu 60 Prozent angereichert ist. Das seien etwa drei Viertel der Menge, die für eine Bombe gebraucht wird. Die Anreicherung von 60 auf 90 Prozent für waffenfähiges Material ist technisch kein großes Problem.
Erste Umrisse einer Einigung
Kelsey Davenport vom US-Rüstungskontrollinstitut Arms Control Association schätzt, dass der Iran derzeit etwa einen Monat brauchen würde, um genug Material für eine Atombombe zu produzieren. Der Vertrag von 2015 sah eine Frist von einem Jahr vor, um der internationalen Gemeinschaft genug Zeit für eine Reaktion zu geben. Das scheiterte aber am amerikanischen Ausstieg und der daraufhin begonnenen Anreicherung im Iran. In Wien wird über eine Lösung verhandelt, mit der die Zeitspanne auf mindestens sechs Monate verlängert wird.
In den vergangenen Wochen hatten sich die Umrisse einer Einigung abgezeichnet. Demnach würde sich Teheran verpflichten, die Urananreicherung auf fünf Prozent zu begrenzen und hochangereichertes Uran nach Russland zu schicken. Im Gegenzug würden die Amerikaner mit der Lockerung von Sanktionen beginnen. Im Gespräch ist die Freigabe von sieben Milliarden Dollar an iranischem Vermögen, das auf Konten in Südkorea eingefroren ist. Nach dieser ersten Phase sollen weitere iranische Zugeständnisse und amerikanische Lockerungen folgen.
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Ein Knackpunkt war bis zuletzt die Weigerung des Iran, der IAEA Auskunft über Nuklearmaterial zu geben, das an nicht deklarierten Lagerstätten gefunden worden war. IAEA-Chef Rafael Grossi einigte sich am Wochenende bei Gesprächen in Teheran mit der iranischen Seite darauf, dass der Iran die Fragen der Atombehörde bis Juni beantworten soll. Damit stiegen die Chancen auf eine Gesamteinigung. „Wir sind nah dran“, so die britische Unterhändlerin in Wien, Stephanie al-Qaq.
Schriftliche Garantien gefordert
Doch kurz darauf meldete sich der russische Außenminister Sergej Lawrow mit einer neuen Forderung. Er verlangte eine schriftliche Garantie des Westens, dass die Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Krieges keine Auswirkungen auf die russischen Beziehungen zum Iran haben werden. Es blieb unklar, was Lawrow damit meinte. Sollte Moskau nur sicherstellen wollen, dass die russische Rolle in einem neuen Atomdeal – etwa die Annahme von iranischem Uran – vor Sanktionen geschützt wird, wäre das kein Problem. US-Außenminister Antony Blinken sagte dem Sender CBS, die wegen des Ukraine-Krieges verhängten Sanktionen gegen Russland hätten nichts mit dem angestrebten Atomdeal mit dem Iran zu tun. Deshalb sei Lawrows Forderung „irrelevant“. Westliche Diplomaten argwöhnen laut dem Magazin „Politico“, dass die russische Regierung versucht, sich ein Schlupfloch zu schaffen, um alle Sanktionen wegen der Ukraine umgehen zu können.