Nach seiner Wiederwahl verspricht der türkische Präsident dem Land eine blühende Zukunft. Auch im Parlament kann Erdoğan auf eine Mehrheit bauen. Die Landeswährung Lira dankt es ihm nicht.
Wahlen in der TürkeiErdogan und die AKP haben auch im Parlament die Mehrheit
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kann sich nach seiner Wiederwahl auch auf eine Mehrheit im Parlament stützen. Dies geht aus dem am Dienstag (30. Mai) in Ankara veröffentlichten Endergebnis der Parlamentswahl vor mehr als zwei Wochen hervor.
Die Zweidrittelmehrheit, die für Verfassungsänderungen nötig wäre, verpasste Erdoğan mit seiner Partei AKP jedoch. Als Präsident kann er zwar mit Dekreten weitgehend am Parlament vorbei regieren, benötigt aber in bestimmten Fällen die Zustimmung der Volksvertretung.
AKP macht gemeinsame Sache mit kurdisch-islamistischer Partei
Der 69-Jährige hatte sich am Sonntag in der Stichwahl ums Präsidentenamt gegen den Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu durchgesetzt. Das Parlament wurde bereits vor zwei Wochen gewählt. Die AKP verlor nach dem offiziellen Ergebnis zwar 27 Sitze, bleibt aber stärkste Kraft (268 Sitze). Vier ihrer Abgeordneten gehören der kurdisch-islamistischen Partei Hüda Par an, die über die Liste der AKP erstmals ins Parlament gelangten.
Im Wahlkampf hatte das Bündnis mit den Islamisten viel Kritik ausgelöst. Die Hüda Par will etwa den Schutz der „traditionellen“ Familie vor „abweichenden“ Ideologien durchsetzen. Mädchen und Jungen sollen nach ihren Vorstellungen getrennt unterrichtet werden. Erdoğan selbst hatte mit schwulen-, lesben- und transfeindlichen Parolen Wahlkampf gemacht. Gemeinsam mit den Abgeordneten der islamistischen Yeniden Refah und der ultranationalistischen MHP kommen die Erdogan-Unterstützer auf 323 Sitze.
Opposition im türkischen Parlament bekommt mehr Sitze
Die oppositionelle CHP gewann 23 Sitze dazu – und damit am deutlichsten. Sie kommt nun auf 169 Abgeordnete. Darin enthalten sind auch 10 Sitze der Gelecek-Partei und 15 der Deva-Partei. Die prokurdische HDP, die wegen eines drohenden Verbots mit der Grünen Linken Partei antrat, verlor hingegen sechs Sitze und kommt nun auf 61 Mandate. Die Parlamentarier werden voraussichtlich am Freitag vereidigt. Dann geht es auch um die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts.
Erdoğan steht in seiner neuen Amtszeit vor großen Herausforderungen – allen voran wirtschaftlichen. Die Landeswährung Lira hat in den vergangenen zwei Jahren massiv an Wert verloren. Sie gab auch am Dienstag weiter nach. Zuvor hatte sie sich dem erst vergangene Woche erreichten Rekordtief genähert. Erdoğan versprach, Wohlstandsverluste ausgleichen zu wollen. Experten machen seine Niedrigzinspolitik für die starke Inflation von derzeit mehr als 40 Prozent verantwortlich. Im Wahlkampf hatte Erdoğan mit Wahlgeschenken wie kostenlosem Gas um die Gunst der Wähler gebuhlt.
Türkei: Untersuchungen gegen sieben oppositionelle Sender wegen Wahlberichterstattung
Für den erneuten Sieg trotz wirtschaftlich schwieriger Lage machen Beobachter auch die starke Kontrolle über die Medien im Land verantwortlich. Die nationale Rundfunkbehörde straft immer wieder regierungskritische Inhalte in den wenigen verbleibenden oppositionellen Medien ab. Die Rundfunkbehörde gilt als regierungsnah.
Am Dienstag teilte sie mit, Untersuchungen gegen insgesamt sieben Sender begonnen zu haben, die in der Wahlnacht „demütigende Aussagen“ über das türkische Volk verbreitet hätten. Die Regierung kontrolliert einen Großteil der Medienlandschaft direkt oder indirekt.
Ob es dabei um die Präsidenten- und Parlamemtswahlen am 14. Mai oder um die Stichwahl ums Präsidentenamt am vergangenen Sonntag ging, wurde zunächst nicht klar. Als Beispiel wurden Aussagen einer Journalistin zitiert, Wahlurnen machten noch keine Demokratie.
Die türkische Regierung kontrolliert einen Großteil der Medienlandschaft direkt oder indirekt. Beobachter sehen die eingeschränkte Pressefreiheit als einen Grund für Erdoğans Wahlerfolg. Nach einer Einstufung der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 165 von 180. (rxa/dpa)