Die Hinrichtung Mohsen Shekaris löst international und bei den Demonstranten im Iran Empörung aus. Das Regime im Iran will den harten Kurs jedoch fortsetzen.
Heftige Proteste nach TodesstrafeIran will nach Hinrichtung Kurs fortsetzen – und wirft Baerbock „Heuchelei“ vor
Im Iran ist es nach der Hinrichtung eines jungen Mannes wegen seiner Teilnahme an regierungskritischen Protesten zu wütenden Demonstrationen gekommen. Die deutsche Bundesregierung verurteilte die Hinrichtung unterdesssen, was prompt für eine scharfe Reaktion aus Teheran sorgte.
Nach der Hinrichtung des 23-jährigen Mohsen Shekari gingen in der Hauptstadt Teheran in der Nacht zu Freitag Protestierende auf die Straße und riefen „Sie haben uns Mohsen weggenommen und seine Leiche zurückgebracht“, wie aus einem Video des Onlinekanals „1500tasvir“ hervorging.
Iran: Bundesregierung und USA verurteilen Hinrichtung von Mohsen Shekari
International wurde die Hinrichtung von Mohsen Shekari, die am Donnerstag bekannt geworden war, verurteilt. Sowohl die Bundesregierung als auch die US-Regierung zeigten sich erschüttert vom Tod des 23-Jährigen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf der Führung in Teheran „Menschenverachtung“ vor. „Mohsen Shekari wurde in einem perfiden Schnellverfahren abgeurteilt und hingerichtet, weil er anderer Meinung als das Regime war. Aber die Drohung mit Hinrichtung wird den Freiheitswillen der Menschen nicht ersticken“, fügte Baerbock an.
Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte die Einbestellung des iranischen Botschafters an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach sich dafür aus, die Verantwortlichen im Iran zur Rechenschaft zu ziehen. „Die mutigen Proteste im Iran führen in diesen Tagen der ganzen Welt vor Augen, dass die Sehnsucht nach Freiheit nirgendwo zu ersticken ist“, sagte Steinmeier. „Wir müssen genau beobachten, was im Iran geschieht.“
Iran: Norbert Röttgen will Revolutionsgarden auf EU-Terrorliste setzen
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte am Freitag unterdessen „maximalen Druck“ auf das Regime in Teheran. „Wenn sich die EU-Außenminister am Montag treffen, dann müssen die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste“, schrieb Röttgen bei Twitter.
„Wir sind entsetzt über die Exekution von Mohsen Shekari“, schrieb derweil US-Außenminister Anthony Blinken auf Twitter. „Unsere Botschaft an die iranische Führung ist klar: Beenden Sie dieses brutale Vorgehen. Wir werden das iranische Regime weiterhin zur Rechenschaft ziehen.“
Irans Außenminister reagiert auf Twitter auf Annalena Baerbock
Wie bereits in der Vergangenheit lösten Baerbocks Worte auf Twitter eine Reaktion in Teheran aus. Der Kampf gegen Terrorismus, Gewalt und Hassreden seien unzweifelhafte internationale Aufgaben, schrieb Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian am Freitag in dem sozialen Netzwerk.
„Es ist heuchlerisch, dass Deutschland dies als rote Linien für sein Territorium und seine Sicherheit betrachtet, aber dieselben unheilvollen Phänomene im Iran anstiftet und unseren legitimen Kampf gegen sie verlogen anprangert.“
Irans politische Führung wirft dem Westen immer wieder vor, die bald drei Monate andauernden systemkritischen Proteste anzufachen. Beobachter sehen darin auch ein Manöver, um von den eigentlichen Ursachen der Aufstände abzulenken. Belege für die Behauptung hat Teheran bisher nicht vorgebracht.
Iran: Hingerichteter Mohsen Shekari am Freitag beigesetzt
Der am Donnerstag durch Erhängen hingerichtete Shekari wurde Berichten zufolge am Freitag unterdessen beigesetzt. Auf Twitter kursierten Videos, die seine Familie bei der Beisetzung zeigen sollen. Berichten zufolge hätten die Angehörigen zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung noch geglaubt, Shekari könne der Todesstrafe noch entgehen. Sie seien erst nach der Vollstreckung der Strafe über den Tod Shekaris in Kenntnis gesetzt worden.
Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ nannte das vorherige Verfahren einen „grob unfairen Scheinprozess“, die Hinrichtung Shekaris enthülle die „Unmenschlichkeit des sogenannten iranischen Justizsystems“. Die Organisation befürchtet, dass „Dutzenden anderen das gleiche Schicksal bevorsteht“.
Bisher sind nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 18.000 Menschen seit Beginn der Proteste inhaftiert worden. Wie viele dieser Personen wegen „Moharebeh“ angeklagt worden, ist unklar. Im Iran steht auf den als „Moharabeh“ bezeichneten „Krieg gegen Gott“ die Todesstrafe.
Iran: Experten gehen von erzwungenem Geständnis Shekaris aus
Wie auch im Fall Shekari geht den Urteilen meist ein „Geständnis“ der Angeklagten voraus. Diese Geständnisse gelten als nicht authentisch – oft werden sie unter erheblicher Folter erzwungen, wie die ARD-Journalistin Isabel Schayani berichtet.
„Ich habe über die Jahre mit vielen gesprochen, die im Iran in Haft waren. Ausnahmslos unschuldig. Was sie erzählen, deckt sich: Man wird wochenlang verhört. Mit verbundenen Augen, dabei auch gefoltert, missbraucht“, erklärte Schayani. „Dann werden falsche Geständnisse erzwungen.“
Ihrer Meinung nach sei das auch bei Shekari der Fall gewesen. „Mohsen Shekari musste mehrfach dasselbe Geständnis ablegen“, das dazugehörige Video sei „aufwendig geschnitten“ und mit Musik „inszeniert“, der 23-Jährige habe zudem sichtbare Verletzungen im Gesicht. „Es geht immer um die Geschichte, die die Behörden erzählen wollen. Nicht um das, was wirklich passierte.“
Iran: Präsident Ebrahim Raisi bekräftigt nach Hinrichtung harten Kurs des Regimes
Irans Präsident Ebrahim Raisi bekräftigte nach der Hinrichtung Shekaris unterdessen am Freitag den harten Kurs des fundamental-religiösen Regimes in Teheran. „Unruhestifter“ und für den Tod von Sicherheitskräften Verantwortliche würden „mit Entschlossenheit“ identifiziert und verfolgt, erklärte Raisi, wie die Tageszeitung „Shargh“ am Freitag schrieb, und verstärkte so Befürchtungen bei Beobachtern und Experten, dass zeitnah weitere Hinrichtungen folgen könnten.
So berichtete die Journalsitin Natalie Amiri am Freitag von einem weiteren Todesurteil. Ein Mann namens Mohammad Mahdi Karmi sei Berichten zufolge für seine Teilnahme an Protesten zum Tode verurteilt worden sein.
Abschreckende Wirkung bleibt aus: Weitere Proteste im Iran angekündigt
Die vom Regime mit der Hinrichtung möglicherweise erhoffte abschreckende Wirkung hat der Tod Shekaris unterdessen bisher nicht. Für das Wochenende wurden weitere Proteste wie bereits in der Nacht zu Freitag angekündigt. Nach Bekanntwerden der Hinrichtung des 23-Jährigen versammelten sich Menschen in den Straßen Teherans und riefen Slogans wie „Tod dem Diktator“.
Die Proteste im Iran dauern seit Mitte September an. Ausgelöst wurden sie durch den Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige war nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei wegen eines nicht ordnungsgemäß getragenen Kopftuchs gestorben. Aktivisten werfen der Polizei vor, die junge Frau misshandelt zu haben. Seit Beginn der Proteste sollen laut Angaben von Menschenrechtsgruppen mehr als 450 Demonstranten getötet worden sein.
Vielen der Toten wird von der Protestbewegung mittlerweile mit einem Video gedacht, dass in den letzten Tagen in den sozialen Medien oft geteilt und angeschaut wurde. In dem Video werden die Namen vieler Getöteter genannt – und teilweise Videos oder Porträts von den Menschen gezeigt, die ihr Leben im Kampf für die Freiheit verloren haben. Zu sehen sind meist fröhliche, tanzende und lachende junge Menschen.