Proteste im IranVerbrannte Kopftücher, abgeschnittene Haare und Kritik an Baerbock
Teheran – Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Polizeigewahrsam sind im Iran wieder Menschen in mehreren Städten auf die Straßen gegangen, um Aufklärung zu fordern. Alleine in der Hauptstadt Teheran kamen am Montagabend Tausende Menschen zusammen, um den Tod von Mahsa Amini anzuprangern. Sicherheitskräfte nahmen einige Demonstranten fest, wie die iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete.
In der Stadt Diwandareh sollen unverifizierten Berichten zufolge auch Schüsse gefallen sein. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Bestätigung. Die junge Frau war am vergangenen Dienstag nach ihrer Festnahme durch die Religionspolizei ins Koma gefallen und am Freitag in einem Krankenhaus gestorben.
An mehreren Orten riefen die Teilnehmer der Proteste: „Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“ - eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 bekannt geworden war.
Tod von Mahsa Amini: Frauen im Iran nehmen auf Protest das Kopftuch ab
In den sozialen Medien kursieren zudem Videos von anderen Protestformen. So nehmen offenbar immer mehr Frauen in der Öffentlichkeit das Kopftuch ab, um ihre Solidarität mit Amini auszudrücken. Unter ihnen waren etwa die bekannten Schauspielerinnen Anahita Hemmati und Schabnam Farschaddschu.
Die iranische Aktivistin und Journalistin Masih Alinejad teilte zudem Videos, auf denen sich Frauen offenbar aus Protest die Haare abschnitten oder ihr Kopftuch verbrannten. Im Iran steht das Nichttragen des Kopftuches für Frauen unter Strafe.
Kritik an deutscher Iran-Politik und Annalena Baerbock
In Deutschland mehrt sich unterdessen die Kritik am bisherigen Stillschweigen der Bundesregierung zum Fall im Iran. Seit Tagen werde sie gefragt, warum kein deutscher Politiker etwas zum Tod von Amini sage und was Deutschland unter „feministischer Außenpolitik“ verstehe, berichtet die ARD-Korrespondentin Natalie Amiri auf Twitter. „Hab dann nicht wirklich eine Antwort“, fügte sie an.
Bereits am Samstag hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärt, es sei „enttäuschend“, dass selbst Länder mit „feministischer Außenpolitik diese schrecklichen Verbrechen gegen Frauen ignorieren.“ In den sozialen Netzwerken finden sich zudem einige weitere Aufforderungen an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die Vorgänge im Iran zu kommentieren.
Menschenrechtsbeauftragte fordert Aufklärung im Fall Mahsa Amiri
Am Montag hatte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, den Angehörigen von Amiri ihre Solidarität ausgesprochen und Aufklärung gefordert. „Gerade, weil Gewalt und Repression gegen Frauen in Iran keine Ausnahmen sind, sondern tägliche Realität.“
Im Iran und international hatte der Fall große Anteilnahme und Bestürzung ausgelöst. Im Internet trauerten viele Iraner um die junge Frau, die am Dienstag während eines Familienbesuchs in Teheran von der Sitten- und Religionspolizei wegen ihres „unislamischen“ Outfits festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden war. Nach Polizeiangaben war sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma gefallen. Am Freitag wurde ihr Tod bestätigt.
Berichte über Mahsa Aminis Tod widersprüchlich
Im Netz kursierte jedoch auch eine andere Version. Mahsa Amini sei verhaftet worden, weil ihr Kopftuch nicht richtig saß und ein paar Haarsträhnen zu sehen gewesen sein. Nach der Verhaftung sei ihr Kopf im Polizeiauto gegen die Scheibe geschlagen worden, was zu einer Hirnblutung geführt habe.
Die Polizei wies diese Darstellung auch am Montag erneut vehement zurück, die Unterstellungen seien „grundlos“, sagte der Polizeichef der Hauptstadt, Hussein Rahimi, nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr. Die Klinik, in der die 22-Jährige behandelt wurde, hatte nach ihrem Tod in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram geschrieben, dass Amini bereits bei der Aufnahme am Dienstag hirntot gewesen sei.
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Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen und reicheren Vierteln sehen viele Frauen die Regeln inzwischen eher locker - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Die Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi und Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger umzusetzen. Die Sittenpolizei setzt die Kleidungsvorschriften teils auch mit Gewalt durch. (mit dpa)