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„Die Gefahr wächst rasant“Unmut über Laufzeitverlängerung für Atomreaktor Tihange 3 nahe deutscher Grenze

Lesezeit 4 Minuten
Das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 64 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt. Reaktor 3 soll nun zehn weitere Jahre am Netz bleiben.

Das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 64 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt. Reaktor 3 soll nun zehn weitere Jahre am Netz bleiben.

Der Reaktor Tihange 3 liegt lediglich 64 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt – und soll zehn weitere Jahre laufen.

Die Laufzeitverlängerung für zwei belgische Atomreaktoren stößt in Deutschland auf gemischte Reaktionen. Betroffen von der Entscheidung Brüssels ist auch der Reaktor Tihange 3, das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 64 Kilometer Luftlinie von der nordrhein-westfälischen Stadt Aachen entfernt.

Der Betrieb des Kraftwerks hatte in Nordrhein-Westfalen immer wieder für Debatten – und Forderungen nach einer Stilllegung in Richtung Brüssel gesorgt. Auch technische Probleme der Reaktoren in Tihange wurden immer wieder bekannt.

Problem-Reaktor Tihange 2 geht wie geplant vom Netz

So sorgte im Jahr 2017 die Nachricht für Wirbel, dass der Reaktor-Druckbehälter beim Meiler Tihange 2 Tausende feine Risse aufweist. Experten plädierten damals für die Abschaltung. Der Reaktor Tihange 2 ist jedoch noch bis Februar 2023 in Betrieb, soll dann jedoch vom Netz gehen, das berichtete die „StädteRegion Aachen“ bereits Ende September auf ihrer Website.

Zuvor hatten auch mehrere Umweltverbände jahrelang gegen den als „marode“ beschriebenen Reaktor gekämpft. Die nun beschlossene Laufzeitverlängerung gilt lediglich für Reaktor 3 der Anlage und den Reaktor Doel 4 bei Antwerpen.

Auch Tihange 3 sorgte bereits mit Mängeln für Wirbel

Auch bei Reaktor 3 der Anlage, der nun weitere zehn Jahre am Netz bleiben soll, wurden in der Vergangenheit jedoch bereits mehrfach Mängel festgestellt. Zuletzt musste der Reaktor im Oktober 2022 vom Stromnetz genommen werden, nachdem es Angaben der Nachrichtenagentur Belga zufolge zu einem Druckabfall in einem der drei Dampfgeneratoren gekommen war. Wegen der mehrfach festgestellten Mängel gibt es bereits seit langem Kritik aus Deutschland an den belgischen Kraftwerken aus den 1970er und 80er Jahren.

Die Laufzeitverlängerung für Tihange 3 sei eine „schlechte Nachricht“, befand nun auch der Grünen-Politiker Armin Grau. „Das ist kein Vorbild für Deutschland. Atomkraft ist hochriskant und auf die Dauer extrem teuer“, führte Grau aus. „Bei uns ist am 15. April Schluss. Ein für alle Mal.“

Tihange 3 liegt nur rund 64 Kilometer von Nordrhein-Westfalen entfernt

Aufgrund der Belastungen durch den russischen Krieg gegen die Ukraine hatte auch Deutschland beschlossen, drei Atommeiler länger als geplant am Netz zu lassen. Der Betrieb soll Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zufolge jedoch Mitte April enden – und der deutsche Atomausstieg damit endgültig vollzogen werden.

Auch der Essener SPD-Politiker Ali Kaan Sevinc kritisierte die Entscheidung des Nachbarlands. „Seit Jahren wird auf die Gefahr durch die beiden Atomkraftwerke Tihange und Doel in Belgien hingewiesen“, schrieb Sevinc bei Twitter. „Die Mängel sind unübersehbar und so wächst die Gefahr rasant, die von beiden Meilern ausgeht“, führte Sevinc aus. „Bedauerlich, dass Belgien hier wieder verlängert.“

Kritik an Laufzeitverlängerung für Tihange 3: „Die Gefahr wächst rasant“

Auch bei den Bewohnerinnen und Bewohnern Nordrhein-Westfalens stieß die Entscheidung auf überwiegend negative Reaktionen. „Diese Schrottmeiler“, kommentierte ein Nutzer. „Unverantwortlich“, befand ein anderer die Entscheidung. Zuspruch gab es jedoch auch: „Jedes AKW europäischer Nachbarn, das länger am Netz bleibt, garantiert Deutschlands Energieversorgung“, spekulierte ein Nutzer.

Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Belgien und der französische Stromversorger Engie auf eine Verlängerung der Laufzeit der zwei Atomreaktoren um zehn Jahre geeinigt. Der belgische Regierungschef Alexander De Croo sagte am Montag vor Journalisten, dass „die Arbeiten für die Erweiterung der beiden jüngsten Reaktoren morgen beginnen können“. Engie erklärte, die „Grundsatzvereinbarung“ stelle „einen wichtigen Schritt dar“ und ebne den Weg für „umfassende Vereinbarungen in den kommenden Monaten“.

Beide Seiten hatten seit Monaten hart über die Bedingungen der Verlängerung verhandelt. Die belgischen Behörden und der Energieversorger hatten sich bereits auf die Gründung eines gemeinsamen Betreiberunternehmens geeinigt. Brüssels Zusage, nun auch die Kosten für die Abfallentsorgung zu deckeln, ermöglicht es laut Engie, „sofort mit Umwelt- und technischen Studien“ zu beginnen - eine Voraussetzung für die Genehmigungen durch die belgische Atomaufsichtsbehörde.

Wegen der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist der ursprünglich bis 2025 anvisierte und seit 2003 gesetzlich verankerte Atomausstieg in Belgien umstritten. Die Kernkraftwerke sicherten dort zuletzt rund die Hälfte des Strombedarfs. Die Brüsseler Regierung hatte sich schon im vergangenen Frühjahr darauf geeinigt, die beiden jüngsten Reaktoren im Fall von Versorgungsproblemen zehn Jahre länger laufen zu lassen. (mit afp)