Präsident Macron hat seinen Vertrauten François Bayrou zum neuen Premier ernannt. Kann er Frankreich mit einer neuen Regierung aus der Krise führen?
Nach Sturz der RegierungMacron ernennt François Bayrou zum Premier
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat gut eine Woche nach dem Regierungssturz seinen Vertrauten François Bayrou zum neuen Premierminister ernannt. Der 73-jährige Zentrumspolitiker folgt auf Ex-EU-Kommissar Michel Barnier, dessen Mitte-Rechts-Regierung im Streit um einen Sparhaushalt per Misstrauensvotum von der Opposition gestürzt wurde.
Für eine Rückkehr zu politischer Stabilität in Deutschlands wichtigem EU-Partnerland gilt es als Nächstes, ein neues Kabinett zusammenzustellen, das genügend Rückhalt aus dem Parlament bekommt. Dort haben weder Macrons Mitte-Kräfte noch ein anderes Lager eine absolute Mehrheit.
Sinkt jetzt der Druck auf Macron zurückzutreten?
Aus Teilen der Opposition gab es nach dem Regierungssturz vergangene Woche die Forderung nach einem Rücktritt des Liberalen Macron, dessen Amtszeit erst 2027 endet. Die Rechtsnationale Marine Le Pen und Linkspartei-Ikone Jean-Luc Mélenchon rechnen sich bei einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl Chancen aus. Wenn eine breit aufgestellte Regierung jetzt möglichst zügig nach Bayrous Amtsantritt die Arbeit aufnimmt, wird der Druck auf Macron wohl nachlassen. Selbst hatte er einen Rücktritt zuletzt vor einer Woche noch kategorisch ausgeschlossen.
Noch nicht, denn erst wenn möglichst viele Parteien bereit sind, in der künftigen Regierung unter Bayrou mitzuarbeiten oder diese zumindest zu dulden, gibt es Aussicht auf politische Stabilität. Macrons Bestreben ist, dass die künftige Regierung dann bis 2027 im Amt bleibt und es keine weiteren vorgezogenen Wahlen gibt.
Damit die neue Regierung nicht wie die alte nach kurzer Zeit gestürzt wird, wird eine Absprache zwischen möglichst vielen Parteien und der Regierung angestrebt, Konsens in Haushaltsfragen zu suchen und auf einen erneuten Misstrauensantrag zu verzichten.
Was ist mit der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Frankreichs Rolle in der EU?
Zwar gibt in der Außenpolitik in Frankreich der Präsident den Ton an, und Macron war trotz der politischen Hängepartie daheim weiter auf internationaler Bühne aktiv, etwa in Sachen Ukraine. Aber ein Andauern der Regierungsquerelen in Frankreich würde Macron auch international und bei seinem Auftreten in Brüssel beeinträchtigen.
Sollte außer in Deutschland angesichts einer vorgezogenen Bundestagswahl parallel auch in Frankreich politischer Stillstand andauern, ist das schlecht für die EU. Nach Einschätzung von Diplomaten in Brüssel wird vieles davon abhängen, wie es in den nächsten Wochen und Monaten in Paris weitergeht. Problematisch könnte es demnach vor allem dann werden, wenn EU-Entscheidungen getroffen werden müssen, die neue finanzielle Verpflichtungen Frankreichs erfordern – zum Beispiel für neue Hilfen für die Ukraine.
Bekommt Frankreich seine bedrohliche Finanzlage in den Griff?
Das ist noch offen. Die Hängepartie in Frankreich könnte für das Land auch wirtschaftlich bedrohlich werden, da es sich in einer kritischen finanziellen Lage befindet. Die EU-Kommission betreibt wegen zu hoher Neuverschuldung ein Defizitverfahren gegen Paris. Die Staatsschuldenquote ist die dritthöchste in Europa nach Griechenland und Italien. Insgesamt liegt Frankreichs Schuldenberg bei rund 3,2 Billionen Euro und ist in absoluten Zahlen der höchste in Europa.
Die künftige Regierung unter Bayrou muss schnell einen Sparhaushalt festzurren, ohne den die öffentlichen Finanzen noch weiter aus dem Ruder laufen. Unklar ist, wie das gelingen soll, denn Barniers Sparhaushalt ließen die Abgeordneten mehrheitlich abblitzen und riefen stattdessen nach noch höheren staatlichen Ausgaben.
Macrons Plan ist, dass die künftige Regierung anders als bisher ohne eine faktische Duldung durch die Rechtsnationalen regieren kann, indem er Kräfte des linken Lagers einbindet und damit für ein erneutes Misstrauensvotum die erforderlichen Stimmen fehlen. Aufs Erste könnte er Le Pen damit kaltstellen. Die Rechtsnationalen blicken aber bereits auf die Wahlen 2027 und stellen sich als Opfer von Macrons Strategiespielen dar. Ob sie damit ihr bereits hohes Wählerpotenzial steigern können oder nicht, ist offen. (dpa)