Der ukrainische Präsident war im Weißen Haus - aber die Selbstblockade der US-Politik geht weiter. Warum diese Schwäche der westliche Führungsmacht die Eskalation in Europa fördert.
Kommentar zum Selenskyj-Besuch bei BidenKriegstreiber Putin kann sich die Hände reiben
Was für eine Blamage. Was für eine Selbstverzwergung der westlichen Führungsmacht USA. Da empfängt US-Präsident Joe Biden seinen ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus – und muss kleinlaut zugeben, dass er seinem Gast keine Einigung auf neue Hilfen versprechen kann. Die 200 Millionen Dollar, die Biden noch zusammenkratzen konnte, sind nicht mehr als vorweihnachtliches Trinkgeld. Biden will so lange helfen, „wie wir können“: Diese Einschränkung sollte Großalarm in allen westlichen Hauptstädten auslösen.
Es ist nicht zu fassen. Da sind die US-Republikaner, die die Not der von Russland überfallenen Ukraine missbrauchen, um Biden zu erpressen: Weitere Hilfen nur im Gegenzug für gigantische US-Sicherungsmaßnahmen an der Grenze zu Mexiko. Auch die republikanischen Fachpolitiker für Äußeres und Sicherheitsfragen, die erklärtermaßen sogar eine Ausweitung der Ukraine-Hilfen für erforderlich halten, beugen sich ihrem überforderten „Speaker“ Mike Johnson.
Anderseits Biden selbst: Was immer man in der Sache von den republikanischen Forderungen in punkto Grenze und Migration hält, er kann ihnen nicht nachgeben, ohne den linken Flügel seiner Partei und dessen Wählerschaft zu vergraulen. Die Leute also, die schon an seiner proisraelischen Politik Anstoß nehmen, die er für eine Wiederwahl aber braucht.
Alles zum Thema Europäische Union
- Nach umstrittener Wahl Opposition in Georgien ruft zu neuen Protesten auf
- Georgien, Türkei und Ukraine EU knüpft Beitritt an Bruch mit Russland
- Rundschau-Debatte des Tages Neue Zölle auf chinesische E-Autos – ein Fehler?
- Wahlen in Georgien Zehntausende gehen gegen Wahlergebnis auf die Straße
- Wahlen in Moldau Moldaus Präsidentin beklagt „Angriff auf Demokratie“ nach EU-Referendum
- Vor richtungsweisender Parlamentswahl Zehntausende demonstrieren für Europa in Georgien
- Starker Einfluss prorussischer Kräfte Präsidentenwahl und EU-Referendum in Moldau beendet
Der russische Kriegstreiber Wladimir Putin kann sich die Hände reiben. Militärisch erlebt er in der Ukraine zwar ein Desaster. Aber auch wenn die USA anlässlich des Selenskyj-Besuchs ihre Geheimdiensterkenntnisse über die immensen russischen Verluste durchgestochen haben: Putins politische Strategie, die USA und ihre Verbündeten zu destabilisieren, scheint derzeit aufzugehen.
Dabei reichen Putins Ziele weit über die Ukraine hinaus. Es ist kein Zufall, dass russische Politiker gerade jetzt offen Moldawien und Lettland – also erstmals auch einen Nato-Staat – bedrohen. Schon ein Jahr vor der US-Präsidentschaftswahl ist die Ordnungsmacht USA ins Trudeln geraten, nach der Wahl könnte sie im schlimmsten Szenario ganz ausfallen. Diese Schwäche, verbunden mit den Rissen in der EU, ermutigt Putin zu weiterer Aggression. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten die USA zwei Jahrzehnte lang den Dingen in Europa ihren Lauf gelassen – und mussten dann einen hohen Blutzoll als Konsequenz entrichten. Wir alle können nur hoffen, dass uns eine Wiederholung erspart bleibt.