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Schwierige Kriegslage und Trumps PläneGibt es noch Hoffnung für die Ukraine?

Lesezeit 12 Minuten
Kiew am Neujahrstag 2025: Rettungskräfte bei Bergunsarbeiten nach dem russischen Drohnenangriff auf ein Wohnhaus der ukainischen Hauptstadt.

Kiew am Neujahrstag 2025: Rettungskräfte bei Bergunsarbeiten nach dem russischen Drohnenangriff auf ein Wohnhaus der ukainischen Hauptstadt.

Der künftige US-Präsident Donald Trump will den russisch-ukrainischen Krieg beenden. Wie stellen sich seine Leute das vor, und was sagt die russische Führung dazu?

Die Abfuhr war deutlich und prominent: Der russische Präsident Wladimir Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow machten sich kurz vor dem Jahreswechsel selbst die Mühe, aus dem Team des künftigen US-Präsidenten Donald Trump kolportierte Vorschläge für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurückzuweisen.

Ein offizielles Nein also zu einer inoffiziellen Initiative, zu der unter anderem die Zusage gehören sollte, die Ukraine werde zumindest in den nächsten beiden Jahrzehnten nicht der Nato beitreten. Es sei unerheblich, ob es um einen Nato-Beitritt jetzt oder in zehn Jahren gehe, ließ sich Putin am 26. Dezember vernehmen. Die US-Ideen seien insgesamt „unbefriedigend“, sagte Lawrow drei Tage später. Sein einstiges Versprechen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, wiederholt Trump längst nicht mehr. Und Putin fühlt sich offenbar stark genug, ihn schon vor Amtsantritt zu brüskieren. Hat er Grund für ein so selbstbewusstes Auftreten?

Wie ist die Lage an den Fronten?

Putin und Lawrow könnten sich dadurch ermutigt fühlen, dass die russischen Angreifer bei ihrem Landraub derzeit langsam, aber kontinuierlich vorankommen, und das an mehreren Frontabschnitten. Es gibt zwar einzelne erfolgreiche ukrainische Gegenangriffe, zuletzt unter anderem bei Kreminna im Bezirk Luhansk, aber alles in allem liegt die Initiative bei den Aggressoren. Sie können sich also versucht sehen, auf Zeit zu spielen.

Das Zentrum der Kämpfe liegt weiter bei Pokrowsk und Torezk im zentralen Donbass. Ein russischer Durchbruch – auch unter Umgehung der schwer einzunehmenden Stadt Pokrowsk – könnte für die Ukraine sehr nachteilige Folgen haben: Wichtige Straßen- und Bahnverbindungen wären unterbrochen, Russland käme seinem Ziel einer Eroberung des ganzen Donbass deutlich näher und könnte zudem die Zentralukraine mit der Millionenstadt Dnipro – Kölns Partnerstadt – bedrohen.

Kämpfe gibt es auch an anderen Abschnitten. Nördlich von Kupjansk, einer wegen ihres großen Bahnhofs wichtigen Stadt in der Oblast Charkiw – also weit im Norden der Front –, haben die Russen den Fluss Oskil überschritten. Im südlichen Donbass sind sie nach der Einnahme von Wuhledar in nordwestliche Richtung vorgedrungen und stehen kurz vor dem Verkehrsknoten Welyka Nowosilka – im Jahr 2023 Ausgangspunkt eines der weitgehend gescheiterten Bodenvorstöße zur Befreiung russisch besetzten ukrainischen Gebiets. Unter massivem russischen Beschuss lag zuletzt die Region um die ukrainische Bezirkshauptstadt Cherson am rechten – westlichen – Ufer des Dnipro. Hier gab es kurz vor Weihnachten einen gescheiterten russischen Landungsversuch. Ein ukrainischer Raketenangriff auf einen russischen Kommandoposten im Gebiet Saporischschja ist ein Hinweis auf die auch hier unruhige Lage. Daneben sind weiterhin rund 180 Quadratkilometer nahe der Metropole Charkiw in russischer Hand, und die Ukraine hält zäh an Positionen auf russischem Gebiet im Bezirk Kursk fest.

Was haben die russischen Angreifer 2024 erreicht?

Russland hat im Krieg gegen die Ukraine seit Jahresbeginn rund 4000 Quadratkilometer Boden erobert. Das US-Institute for the Study of War (ISW) geht von 4168 Quadratkilometern aus (darunter aber auch russische Rückgewinne im Gebiet Kursk). Das russische Exilmedium „Werstka“ schließt aus Daten das ukrainischen Dienstes DeepStateMap, dass Russland 3267 Quadratkilometer ukrainisches Land neu besetzt habe. Laut „Werstka“ hält die Ukraine umgekehrt noch rund 494 von ursprünglich 908 Quadratkilometern (nach offizieller ukrainischer Darstellung sollen es sogar über 1200 Quadratkilometer gewesen sein) im russischen Bezirk Kursk.

Diese Flächenbilanz allein ist noch nicht alarmierend. Die Ukraine hat in einem Jahr die Kontrolle über ungefähr 0,6 Prozent ihres Staatsgebiets an die Aggressoren verloren. Im Wesentlichen handelt es sich um dörfliche Gebiete, die durch den russischen Angriff schwer zerstört worden. Die strategisch wichtige Kleinstadt Awdijiwka, aus der sich die Ukraine im Februar 2024 zurückgezogen hat, repräsentiert eher die Ausnahme als die Regel. Aus ukrainischer Sicht alarmierend ist allerdings der zeitliche Verlauf dieser Verluste: Das Tempo des russischen Vordringens hat sich im zweiten Halbjahr stark erhöht. Laut ISW hat Russland 56,5 Prozent seiner gesamten Gebietsgewinne, also 2350 Quadratkilometer, in den Herbstmonaten September bis November erzielt, allein im November eroberte Russland demnach zwischen 780 (Werstka) und knapp 840 (ISW) Quadratkilometer. Im Dezember allerdings, hier sind sich ISW und „Werstka“ einig, wurde das russische Vordringen gebremst. Das ISW geht 593 Quadratkilometern (immer einschließlich russischen Bodens in Kursk!) aus, die Russland neu eingenommen habe.

Welchen Preis zahlen beide Seiten?

Russland betreibt für seinen Eroberungskrieg einen enormen Aufwand. Wie groß, das hat das Institute for the Study of War am Beispiel des Ortes Kuratschowe südlich von Pokrowsk gezeigt, den Russland über Weihnachten eingenommen haben soll – ganz klar ist die Lage dort immer noch nicht. Klar ist aber: Die russische Armee hat sich hier mehr als zwei Monate lang für eine Fläche von 7,3 Quadratkilometern abgekämpft. Das hat 35.000 bis 36.000 Soldaten gebunden.

Entsprechend hoch sind die russischen Verluste. Das ISW geht davon aus, dass die russische Armee im zurückliegenden Jahr 440.000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren hat. Das wären rund zwei Drittel aller Verluste, die Russland in dem mittlerweile nahezu drei Jahre währenden Krieg verzeichnen musste. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hatte Ende Oktober von 600.000 Mann auf russischer Seite im gesamten Kriegsverlauf gesprochen. Darunter dürften – Rutte selbst äußerte sich dazu nicht – 200.000 Tote sein (namentlich bekannt sind nach Zählung des russischen Oppositionsmediums Mediazona 84.761). Nach Angaben von Dmitri Medwedew, Vizechef des russischen Sicherheitsrates, hat Russland andererseits im vergangenen Jahr 440.000 Soldaten neu unter Vertrag genommen. Damit wären gerade einmal die Verluste ausgeglichen. Extrem hoch sind die Verluste der von Nordkorea in den Ukraine-Krieg entsandten Truppen. Laut John Kirby, dem Sprecher des US-Sicherheitsrates, werden sie in „aussichtslose Kämpfe“ geschickt. Mindestens 1000 von ursprünglich 10.000 nordkoreanischen Soldaten in russischen Diensten wurden nach US-Angaben getötet oder verwundet. Laut Kirby deuten Berichte darauf hin, dass sie sich aus Angst vor Repressionen gegen ihre Familien lieber selbst töten, als sich gefangen nehmen zu lassen.

Die Zahl der gefallenen Ukrainer hat Wolodymyr Selenskyj, der Präsident des Landes, im Dezember mit 43.000 angegeben. Das ist mit Sicherheit eine zu niedrige Angabe. Die von den russischen Oppositionsmedien Mediazona und Meduza als verlässlich eingestufte, anonym betriebene Datenbank ualosses.org hat bis zum 31. Dezember 2024 63.627 ukrainische Gefallene registriert. Auch das wird nicht die ganze Wahrheit sein.

Belastbare Zahlen gibt es dagegen zu den Materialverlusten. Laut der unabhängigen Datenbank Oryx hat Russland im Krieg gegen die Ukraine bisher 19.712 schwere Waffensysteme und Fahrzeuge (also etwa Panzer, Geschütze, Transportfahrzeuge und Hubschrauber) eingebüßt, davon 14.791 komplett zerstörte Systeme. Auf ukrainischer Seite waren es 7.400, davon 5.334 komplett zerstört. Allein vor Pokrowsk haben die Russen nach diesen – vom Analysten Naalsio auf X ausgewerteten – Angaben bis 2.142 Waffensysteme verloren, die Ukraine 505 (Stand 13. Dezember). Da beispielsweise Panzer, wenn sie zum Zeitpunkt des Treffers nicht gerade abgestellt sind, Besatzungen an Bord haben, ist es angesichts dieser Zahlen plausibel, dass auch die Zahl der russischen Gefallenen und Verwundeten deutlich höher liegt als auf ukrainischer Seite. Selbst bei Kursk, wo ja die Ukraine zunächst in die Offensive gegangen war, liegen die russischen Materialverluste (520) über den ukrainischen (376).

Dabei kämpft die Ukraine in Fesseln. Jeder verständige Befehlshaber wird in einem Verteidigungskrieg versuchen, Waffen, Truppenkonzentrationen, Munitions- und Treibstoffvorräte bereits im Hinterland des Gegners zu treffen, bevor sie überhaupt an die Front gelangen. Moderne Kriege, das hat bereits der Zweite Weltkrieg gezeigt, werden maßgeblich durch Luftschläge entschieden. Wie wichtig sie sind, zeigen die ukrainischen Angriffe gegen die russische Militärinfrastruktur auf der Krim und die Schwarzmeerflotte der Angreifer, die weitgehend neutralisiert wurde. Damit hat die Ukraine die russische Seeblockade durchbrochen, die ihre wirtschaftliche Existenz gefährdete, und kann ihr Getreide seit Ende 2023 wieder über Odessa exportieren.

Erst im Sommer 2024 aber erhielt die Ukraine von den USA eine sehr begrenzte Genehmigung für Einsätze westlicher Lenkwaffen gegen Ziele auf russischem Boden. Sie versucht das durch selbst entwickelte Drohnen und Marschflugkörper zu kompensieren und erzielt dabei einige Erfolge, etwa im September gegen ein Munitionsdepot in der russischen Kleinstadt Toropez oder immer wieder gegen Raffinerien. Die Wucht dieser Schläge mit in der Regel ja kleinen Sprengköpfen hält aber keinem Vergleich mit den massiven russischen Marschflugkörper-Angriffen auf ukrainische Städte und Kraftwerke stand. Insgesamt sind durch den russischen Angriffskrieg bisher (Stand Ende September) laut UN-Angaben 11.973 ukrainische Zivilisten nachweislich ums Leben gekommen, die tatsächliche Zahl dürfte viel höher liegen.

Gibt es Chancen für Verhandlungen?

So knallhart Lawrow auch auftritt – die Zahlen zeigen, dass Russland daran interessiert sein muss, den Krieg im Jahr 2025 zumindest einzufrieren. Grundsätzlich hat das diktatorische System zwar gewiss die Zwangsmittel an der Hand, die Ressourcen für eine weitere Kriegsführung aus dem Land zu pressen. Aber dann wären unangenehme Entscheidungen zu treffen: Verlustraten wie 2024 wird sich das russische Militär nur leisten können, wenn weitere Bevölkerungskreise mobilisiert werden als bisher. Nur 1,2 Prozent der namentlich bekannten russischen Gefallenen stammen bisher aus den Metropolen Moskau und St. Petersburg, in denen zehn Prozent der russischen Bevölkerung lebt. Diese Schonung der wohlhabenden Bevölkerungsschichten in großen Städten wäre nicht dauerhaft machbar.

Auch wirtschaftlich leidet Russland. Ende November teilte Zentralbankchefin Elwira Nabiullina mit, die Ressourcen der russischen Wirtschaft seien praktisch ausgeschöpft. Sie erhöhte den Leitzins auf 21 Prozent. Der Kurs der russischen Währung liegt auf einem historischen Tiefstand von 0,009 US-Dollar je Rubel. Ganz abgesehen davon: Russland hat im Ukraine-Krieg die unglaubliche Zahl von 3.668 Kampfpanzern verloren. Derzeit schaffen die Angreifer rund 1.500 Panzer pro Jahr neu an die Front – aber überwiegend Altfahrzeuge aus Depots. Davon waren nach Nato-Angaben Anfang 2024 noch rund 5000 vorrätig, deren Zustand allerdings unklar war. Dauert der Krieg über 2025 hinaus, wird es für Russland auch hier eng.

Die ukrainische Regierung kann Härten für die Bevölkerung, etwa bei der Rekrutierung von Soldaten, damit rechtfertigen, dass das Land um sein Überleben kämpft. Putin dagegen, der genau auf – veröffentlichte und vertrauliche – Umfragen achtet, vermittelt der großen Mehrheit seiner Bevölkerung bisher den Eindruck, dass der Krieg für sie vor allem im Fernsehen stattfindet. Je länger er ihn führen wird, desto mehr muss er von diesem Kurs abrücken. Er muss dann auch russischen Bürgerfamilien den Tod ihrer Söhne zumuten und unangenehme ökonomische Priorisierungen vornehmen. Zudem hat Russland mittlerweile zweimal feststellen müssen, wie stark der Ukraine-Krieg die Handlungsfähigkeit seiner Streitmacht einschränkt: Weder konnte die einstige Schutzmacht Russland im Herbst 2023 die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in Berg-Karabach garantieren – 100.000 Menschen flohen oder wurden von Aserbaidschan vertrieben –, noch konnte Russland 2024 seinen syrischen Verbündeten Baschar al-Assad an der Macht halten.

Dass die russische Führung so hart auf die Vorstellungen des Trump-Lagers reagiert und ihre Maximalforderungen – „Demilitarisierung“, „Denazifizierung“ und Gebiebsabtretungen als Vorbedingung, nicht als erstrebtes Ergebnis von Verhandlungen – wiederholt, könnte mit der Hoffnung zu tun haben, einen erfolgshungrigen Trump zum Nachgeben zu bewegen. Russland könnte damit aber auch das genaue Gegenteil erreichen. Jedenfalls sieht Trumps Ukraine-Fachmann Keith Kellogg bei Ablehnung seiner Vorschläge, so die unwidersprochene Darstellung der Agentur Reuters, eine deutliche Ausweitung der Ukraine-Hilfe vor. Der ukrainische Präsident Selenskyj dagegen hat wiederholt den vorübergehenden Verzicht auf ukrainisches Territorium als Möglichkeit in den Raum gestellt und Trump damit seine Kooperationsbereitschaft signalisiert. So oder so zeigen alle diese Aktivitäten – das Durchstechen von Waffenruhe-Ideen, die tagelange russische Medienoffensive, Selenskyjs Werben –, dass sich alle Seiten auf die Möglichkeiten von Gesprächen einstellen. Gesprächen, die, wenn sie denn zustande kommen, im Verborgenen beginnen könnten, während weiter gekämpft wird. So, wie Russland und die Ukraine immer wieder, erneut Ende Dezember, den Austausch von Gefangenen vereinbaren.

Woran können sich Verhandlungen festfahren?

Ein „Art von Waffenstillstand“, auf den Donald Trumps designierter Sicherheitsberater Mike Waltz hofft, ist allerdings weitaus schwieriger zu erreichen als ein Gefangenenaustausch. Von einem Friedensvertrag einmal ganz abgesehen.

Problem Nummer eins: Die russischen Kriegsziele gehen weit über die Ukraine hinaus. Putin hatte im Dezember 2021 ultimativ den Abzug von Truppen und Waffensystemen der Nato-Alliierten aus Ostmitteleuropa verlangt. Dazu müsste erstens die ganze Nato gefragt werden, und zweitens wird auch Trump – wenn er auf Leute wie Kellogg, Waltz und seinen designierten Außenminister Marco Rubio hört – so etwas kaum zugestehen, denn er würde damit ausgerechnet solchen Staaten wie Polen den dort dringend gewünschten Schutz vor Russland entziehen, die nach seinen Maßstäben vorbildliche Nato-Mitglieder mit hohen Rüstungsausgaben und gute Kunden von US-Waffenherstellern sind. Wieviel geraubtes ukrainisches Land er auch immer behalten darf, Putins ursprünglicher Wunsch nach einem Zurückdrängen der Nato wird nicht befriedigt werden. Das birgt das stete Risiko neuer russischer Aggression gegen Nachbarstaaten – wie nach den Minsk-Abkommen, die auf die russische Okkupation der Krim und die inszenierte Rebellion im Donbass 2014 folgten.

Problem zwei stellt sich damit umso drängender: Wer garantiert eigentlich – ohne Nato-Mitgliedschaft! – die Sicherheit der Ukraine oder genauer gesagt, des von der Regierung in Kiew kontrollierten freien Teils dieses Landes? Es ist ja auch eine zentrale Bedingung für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau, dass Investitionen nicht ständig von neuen Angriffen bedroht sind. Während Putin die „Demilitarisisierung“ des Nachbarlandes verlangt, sieht Kellogg laut Reuters einen massiven Ausbau der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit mit US-Hilfe vor. Und: Es soll, von Lawrow bereits explizit zurückgewiesen, eine europäische Friedenstruppe für das Land geben. Das wiederum wäre eine Entscheidung, die Washington, Moskau und Kiew keineswegs allein treffen könnten, denn hier müssten ja Staaten wie Deutschland massiv ins Risiko gehen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat bereits klargestellt, dass Deutschland sich an so einer Truppe unter seiner Führung nur mit einem breiten, möglichst von Russland mitgetragenen Mandat beteiligen würde. Damit sind wir wieder bei Lawrows Nein. Besonders heikel ist die Lage im Schwarzen Meer. Wenn der Bosporus nach Ende der Kämpfe wieder geöffnet wird, kann Russland seine von der Ukraine schwer dezimierte Schwarzmeerflotte wieder aufbauen. Wenn zudem Russland nicht nur die Krim, sondern auch die weit nach Westen vorgeschobenen Halbinseln im Dnipro-Mündungsgebiet besetzt halten darf, wird es auch dort massiv aufrüsten und hätte jederzeit die Möglichkeit zu einer neuen Seeblockade. Wer schützt die Ukraine davor?

Problem drei wird bei Kellogg komplett ausgeklammert: Mit dem Zugeständnis, ein knappes Fünftel der Ukraine besetzt zu halten, bekommt Russland ja nicht nur Land in seine Verwaltung und die Möglichkeit, ukrainische Bodenschätze auszubeuten und ukrainisches Getreide auf eigene Rechnung zu verkaufen, sondern dort leben Menschen. Menschen, die – erst im Oktober 2024 hat es ein UN-Bericht wieder dokumentiert – einem Schreckensregime mit willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierung unter unmenschlichen Umständen, Folter und Vergewaltigung ausgesetzt sind. Wo die Ukraine im Kriegsverlauf Gebiete befreien konnte, fanden sich Folterkammern und Massengräber. Eine Waffenruhe, ein Ende der offenen Kämpfe würde kein Ende des Grauens in den besetzten Gebieten bedeuten. Nur fände das dann – so wie die russischen Gewalttaten auf der Krim und im Donbass nach 2014 – unter dem Radar deutscher Talkshows statt.