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Ryanair-FlugzeugBelarus droht mit Gegensanktionen – Protassewitsch sei „Terrorist“

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Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko.

Minsk – Belarus droht dem Westen wegen der Sanktionen nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine mit Gegenreaktionen. Die Regierung habe „Schutzmaßnahmen“ vorbereitet, sagte Regierungschef Roman Golowtschenko am Mittwoch der Zeitung des Präsidentenamtes, „Belarus Segodnja“, zufolge. „Diese Maßnahmen werden für die Länder, die eine offen feindselige Haltung eingenommen haben, ziemlich schmerzhaft sein.“

Machthaber Alexander Lukaschenko drohte dem Westen: „Wir werden auf traditionellen und neuen Märkten handeln.“ Minsk werde entsprechend auf die Strafmaßnahmen antworten, sagte auch Außenminister Wladimir Makej. Dem Regierungschef zufolge will Belarus dabei allerdings nicht überstürzt reagieren: „Wir schlagen vor, nüchtern noch einmal nachzudenken, bevor Sie den rutschigen Weg eines Wirtschaftskrieges gehen, in dem es keine Sieger geben wird.“

Protassewitsch sei „Terrorist“

Lukaschenko hat den bei der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine festgenommenen Oppositionsaktivisten Roman Protassewitsch als „Terroristen“ bezeichnet. Der 26-Jährige und seine Helfer hätten einen „blutigen Aufstand“ in Belarus geplant, sagte Lukaschenko am Mittwoch vor Abgeordneten in Minsk.

„Sie sollten die Hauptsache hier verstehen: An Bord des Flugzeugs war ein Terrorist“, sagte Lukaschenko laut der Zeitung des Präsidentenamtes, „Belarus Segodnja“. Das sei über die Grenze von Belarus hinaus bekannt gewesen, meinte er mit Blick auf Russland.

Lukaschenko räumt ein: Flugzeug wegen seines Gegners aus der Luft geholt

Damit räumte Lukaschenko das erste Mal ein, dass er die Ryanair-Maschine am Sonntag auf dem Weg nach Litauen in Minsk auf den Boden brachte, um seinen Gegner festnehmen zu lassen. Dass Belarus seinen Bürger und seine russische Begleiterin, die in dem Land einen Aufenthaltsstatus habe, festnahm, sei das souveräne Recht des Landes gewesen. Zuvor hatte Lukaschenko behauptet, es habe eine Bombenwarnung gegeben aus der Schweiz, weshalb die Maschine gelandet sei. Die Warnung sei auch in Griechenland und in Litauen eingegangen.

Lukaschenko erhob schwere Vorwürfe gegen Protassewitsch und seine ebenfalls inhaftierte Freundin Sofia Sapega, die im Auftrag westlicher Geheimdienste gearbeitet hätten. Sapega hatte in einem Video eingeräumt, Daten von Sicherheitskräften im Nachrichtenkanal Telegram veröffentlicht zu haben. Protassewitsch hatte als Mitbegründer des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta (Nechta) stets zu friedlichen Protesten gegen Lukaschenko aufgerufen.

Vorwurf der Kampfhandlung

Zugleich warf Lukaschenko Protassewitsch vor, er habe in der Ostukraine aufseiten von Regierungstruppen gekämpft. „Er hat viel Erfahrung als Söldner.“ Der Journalist hatte zwar 2014 als Reporter aus der Ukraine berichtet, wo damals im Osten der Krieg zwischen prorussischen Kräften und der Zentralregierung in Kiew begann. Kampfhandlungen sind ihm aber nicht nachgewiesen.

Trotzdem behauptete Lukaschenko nun: „Dieses Dreckschwein hat im Südosten der Ukraine Menschen getötet. Diese Fakten sind nicht nur bei uns, sondern auch bei unserem Bruderstaat Russland bekannt – und in der ganzen Welt.“ In Belarus steht auf sehr schwere Verbrechen die Todesstrafe, die auch noch vollstreckt wird.

Umleitung sei „rechtmäßig“ gewesen

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat die Umleitung eines Ryanair-Flugzeugs nach Minsk als „rechtmäßig“ verteidigt. „Ich habe rechtmäßig gehandelt, um die Menschen zu schützen, in Übereinstimmung mit allen internationalen Vorschriften“, sagte er am Mittwoch laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta vor dem belarussischen Parlament.

„Lüge“: Ryanair-Flugzeug laut Lukaschenko nicht zur Landung gezwungen

Es sei eine „Lüge“, dass die Passagiermaschine von einem Kampfjet zur Landung in Minsk gezwungen worden sei. Der autoritär regierende Staatschef verwahrte sich gegen Kritik an seiner Regierung. Belarus werde von „unseren Feinden im In- und Ausland“ attackiert, sagte Lukaschenko. „Sie haben viele rote Linien sowie die Grenzen des gesunden Menschenverstands und der menschlichen Moral überschritten.“

Belarus hatte das Ryanair-Flugzeug, das am Sonntag auf dem Weg von Athen nach Vilnius war, unter Verweis auf eine angebliche Bombendrohung zur Zwischenlandung in Minsk gedrängt. Dort wurden dann der im Exil lebende Regierungskritiker Roman Protassewitsch und seine aus Russland stammende Freundin Sofia Sapega, die sich an Bord der Maschine befanden, festgenommen.

EU reagiert auf Vorfall in Minsk: Luftraum über Belarus gesperrt

Der Vorfall rief internationale Empörung hervor. Westliche Länder werteten die Erklärungen der belarussischen Behörden als Vorwand für die Festnahme Protassewitschs. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach beim EU-Gipfel am Montag von einem „beispiellosen Vorgehen“ und nannte die belarussischen Angaben zu dem Vorfall „vollkommen unglaubwürdig“.

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Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen. Mehrere europäische Fluggesellschaften änderten inzwischen ihre Flugrouten und kündigten an, den belarussischen Luftraum vorerst zu meiden.

Regierungskritiker nach Flugzeuglandung in Minsk verhaftet

Protassewitsch war früher Chefredakteur des Telegram-Nachrichtenkanals Nexta. Über Nexta waren nach der von Betrugsvorwürfen begleiteten belarussischen Präsidentschaftswahl im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden.

Roman Protassewitsch

Die weißrussische Polizei verhaftete den Journalisten Roman Protassewitsch bereits im März 2017.

Protassewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen. In den vergangenen Monaten waren gegen dutzende Aktivisten und Journalisten in Belarus Haftstrafen verhängt worden. Am Dienstag wurden sieben weitere Angeklagte im Zusammenhang mit den Massenprotesten zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. (dpa)