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Rechtsruck drohtWas Spanien blüht, wenn Vox an die Macht kommt

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Plakat des Anstoßes: Die Wahlwerbung der von Santiago Abascal geführten Partei Vox übt deutliche Kritik unter anderem an den Plänen Agenda der UN und der Gleichstellung von Frauen.

Plakat des Anstoßes: Die Wahlwerbung der von Santiago Abascal geführten Partei Vox übt deutliche Kritik unter anderem an den Plänen Agenda der UN und der Gleichstellung von Frauen.

Umfragen zufolge könnte die nationale Parlaments- und Regierungswahl einen deutlichen Rechtsruck bringen. Ein „Plakat des Hasses“ gibt einen Einblick in das, was droht.

Spaniens nationalkonservative Rechtspartei Vox, die bald in dem südeuropäischen EU-Staat mitregieren könnte, empört mit einem provozierenden Wahlplakat weite Teile der Nation. Auf dem riesigen Transparent, das in der City Madrids eine Fassade schmückt, sieht man, wie eine Hand die Symbole des Feminismus, der LSBTIQ-Bewegung und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in einen Papierkorb wirft.

Das Plakat gibt einen Vorgeschmack auf das, was Spanien, das im zweiten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz übernimmt, blüht, wenn Vox tatsächlich als künftiger Partner der Konservativen an die Macht kommen sollte. Kritiker sprechen von einem „Plakat des Hasses“, mit dem die Bevölkerung vor der spanischen Schicksalswahl am 23. Juli aufgestachelt werden soll.

Absichten sind schon länger klar

Umfragen zufolge könnte die nationale Parlaments- und Regierungswahl einen deutlichen Rechtsruck bringen. Demzufolge liegen Konservative und Vox, die schon in etlichen Rathäusern und Regionen kooperieren, vor dem progressiven Lager, das von dem sozialdemokratischen Regierungschef Pedro Sánchez angeführt wird.

Die Absichten der spanischen Rechtspopulisten sind schon länger klar: Sie sind gegen eine Gleichberechtigung der Frauen, die noch immer unter Diskriminierung, geringeren Löhnen sowie unter Sexismus und gewaltsamen Aggressionen leiden. Und gegen Erleichterungen und eine Gleichstellung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ), deren Alltag weithin durch Vorurteile und Ausgrenzung erschwert wird.

Die globale UN-Agenda 2030, in der sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, für Klimaschutz, Biodiversität, Frieden und Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen, gehört nach Meinung von Vox-Chef Santiago Abascal ebenfalls auf den Müllhaufen. „Die Agenda 2030 ist die Hölle“, wettert Abascal gegen die Pläne. Die internationale Zusammenarbeit in der EU oder der UN ist ihm zuwider, weil sie die Handlungsmacht des von ihm erträumten starken Nationalstaates beschränkt.

Beliebte Ziele: Einwanderer, der Islam und die Medien

Auch weitere Lieblingsfeinde will er in den Abfalleimer befördern: etwa die im nordostspanischen Katalonien einflussreiche Unabhängigkeitsbewegung, die sich eine von Spanien eigenständige Region wünscht. Oder Spaniens traditionsreiche Kommunistische Partei, die nach dem Ende der rechten Franco-Diktatur 1975 zu den Vätern der demokratischen Verfassung gehörte. Weitere Zielscheiben Abascals sind Einwanderer, der Islam und die Medien.

Die Reaktionen auf die aggressive Wahlkampagne der Rechtspopulisten, die im Jahr 2019 mit 15 Prozent drittstärkste Kraft wurden, ließen nicht auf sich warten. Spaniens parteiunabhängiger Innenminister Fernando Grande-Marlaska, seit 18 Jahren mit einem Mann verheiratet, bezeichnete das Vox-Transparent als „schlimm“. Solche Botschaften seien für das Zusammenleben nicht hilfreich. „Das kann dazu beitragen, dass Hassdelikte traurige Wirklichkeit werden.“

Die seit fünf Jahren mit Premier Sánchez regierenden Sozialdemokraten erklärten per Twitter: „Das Transparent des Hasses und der Schande ist ein Angriff auf unsere Rechte und unser Gesellschaftsmodell.“ Zugleich wurden die Bürger aufgefordert, am 23. Juli wählen zu gehen und „den Hass in den Mülleimer zu werfen“.

Auch aus der oppositionellen konservativen Volkspartei (PP) kam Kritik: Die PP-Chefin in der südwestspanischen Extremadura, María Guardiola, ließ Verhandlungen mit Vox über eine regionale Koalitionsregierung platzen. „Ich werde nicht mit jenen zusammen regieren, welche die Macho-Gewalt leugnen und die Fahne der LSBTIQ-Bewegung in den Abfall werfen.“

Keine konservative Regierung ohne Vox

Spaniens konservativer Spitzenkandidat und Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo ließ bereits durchblicken, dass Vox, sein einziger möglicher Koalitionspartner, ein unbequemer potentieller Reisegefährte sei. „Es wird schwierig werden“, sagte er über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Partei. „Wenn ich eine Koalition mit Vox vermeiden kann, werde ich sie vermeiden.“

Er strebe eine absolute Mehrheit an, sagte Feijóo. Diese scheint aber weit entfernt. Zwar wird Feijóos Konservativen mit 33 bis 35 Prozent ein Wahlsieg vorausgesagt. Aber ohne Hilfe von Vox, die mit 13 bis 15 Prozent rechnen kann, wird Feijóo wohl keine Regierung bilden können.