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„Rassismus hat viele Gesichter“Eli Abeke über Vorurteile und Ohnmachtsgefühle

Lesezeit 7 Minuten
Integrationsratsmitglied Eli Abeke

Integrationsratsmitglied Eli Abeke

Köln – Der Vorfall liegt schon viele Jahre zurück, aber Eli Abeke erinnert sich noch so gut daran, als wäre es gestern gewesen. Der Kölner Architekt arbeitete als Bauleiter auf einer Baustelle in Dietzenbach und wartete auf eine Fuhre Beton. „Es war ein Freitag. Wir wollten die Decke der ersten Etage gießen. Gegen 13 Uhr kam der Betonmischwagen, der Fahrer stieg aus, ging an mir vorbei und fragte einen Elektriker, wo der Bauleiter sei. Der zeigte auf mich und sagte: »Er steht vor Ihnen.« Da meinte der Fahrer: „Willst du mich verar…?« und ging weg.“

Auch als andere Bauarbeiter ihm erklärten, dass er der Bauleiter sei, habe der Mann das nicht geglaubt und ihn als Ansprechpartner nicht akzeptiert. Der einzige Grund: Eli Abeke hat eine dunkle Hautfarbe.

Solche Szenen hat der Wahlkölner, der in den 80er-Jahren als junger Mann aus Nigeria nach Bremen kam, dort studierte und sich später in Köln als selbstständiger Architekt etablierte, immer wieder erlebt. „Rassismus hat viele Gesichter und ist quer durch alle Schichten der Gesellschaft zu finden“, betont der Familienvater mit deutschem Pass, der sich als Vorstandsvorsitzender der Liste „Bündnis 14 Afrika“ seit 2014 im Integrationsrat engagiert.

„N*Wort“ nicht aussprechen

Besonders schlimm sei es, wenn Kinder rassistischen Diffamierungen ausgesetzt werden. Eine traumatische Erfahrung, die auch sein neunjähriger, in Köln geborener Sohn wiederholt gemacht hat. Vor einiger Zeit habe ihn eine ältere Frau in der Straßenbahn als „du kleiner N....“ beschimpft, der ihr gefälligst Platz machen solle. „Der Junge war völlig verstört und weinte. Er wusste gar nicht, was er machen sollte, da diese Bezeichnung das allerschlimmste Schimpfwort für ihn ist.“

Wenn Eli Abeke über solche Erlebnisse redet, spricht er den beleidigenden Begriff „N....“ nicht aus. Er redet stattdessen vom „N*Wort“. Es ist eine Umschreibung für einen, wie Abeke unterstreicht, „uralten Begriff, der Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe stigmatisiert und herabwürdigt“. In dem 400 Jahre Kolonialgeschichte mitschwingen und sich bis heute Machtanspruch und Unterdrückung manifestieren.

„Das N*Wort war die von den Kolonialherren benutzte rassistische Bezeichnung für die versklavten afrikanischen Einwohner des von ihnen besetzten Landes. Bei den so Angesprochenen löst es noch heute oft ein Gefühl von Ohnmacht aus“, erläutert Abeke. „Sie leiden darunter und wissen nicht, wie sie aus dieser Schublade herauskommen sollen. Viele Weiße verstehen nicht, was dieser Begriff mit Menschen afrikanischer Herkunft macht, wie tief er sie verletzt.“ Es stehe „außer Zweifel, dass das N*Wort rassistisch und diffamierend ist und auch in Kinderbüchern wie Pippi Langstrumpf nichts zu suchen hat“.

Rassismus muss verlernt werden

Häufig bekomme man zu hören, der Begriff sei doch harmlos oder nicht böse gemeint. Aber wer das behaupte, ignoriere die Gefühle seiner Mitbürger afrikanischer Herkunft und verkenne, wo Gleichberechtigung aufhört und wo Rassismus anfängt. „Der Kolonialismus hat die Europäer gelehrt, Menschen afrikanischer Herkunft als minderwertig zu betrachten. Dieses über Jahrhunderte Erlernte muss heute wieder verlernt werden, um dem Rassismus wirksam zu begegnen. Aber wie soll das gehen, wenn in heutigen Kinderbüchern weiterhin Stereotype wie die des »Schwarzen Häuptlings« weitervermittelt werden?“

Auf Antrag des Integrationsrats hat der Stadtrat am 14. Mai 2022 die Ächtung des N*Wortes beschlossen. Der Rat will sich künftig dafür einsetzen, „dass jegliche Verwendung des N*Wortes in der Stadt Köln vermieden und geächtet wird, um schwarzen Menschen und People of Colour (PoC) ein friedvolles und diskriminierungsfreies Leben in Köln zu ermöglichen“. Der Beschluss fiel einstimmig, bei Enthaltung der AfD. Grund für den Antrag war ein Vorfall im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte ein AfD-Abgeordneter 2018 in einer Debatte über Asylbewerber wiederholt von „N.....“ gesprochen, dafür einen Ordnungsruf kassiert, dagegen geklagt und im Dezember 2019 vom Landesverfassungsgericht Greifswald Recht bekommen.

Petition gegen Urteil zum N*Wort

„Dass das Gericht die Aussagen dieses Mannes relativiert hat, war schlimmer als die Aussagen selbst“, meint Abeke. Als Reaktion wurde am 18. Januar in Köln die Initiative „N*Wort stoppen“ gegründet mit dem Ziel, dass das Urteil zurückgenommen wird. Wer sie unterstützen wolle, könne die zurzeit im Internet laufende Petition zum N*Wort unterzeichnen.

Den Beschluss des Kölner Rates zur Ächtung des N*Worts sieht Abeke als „ein starkes Zeichen für ein friedliches Miteinander und eine Anregung für alle Kölnerinnen und Kölner, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und ein tieferes Verständnis für ihre schwarzen Mitbürger zu entwickeln“. Das sei wichtig in einer Zeit, in der die Spaltung der Gesellschaft immer weiter zunehme. Ein solches gesellschaftliches Klima wie heute, „in dem sich immer mehr Menschen trauen, andere zu diskriminieren“, habe er noch nicht erlebt, betont Abeke.

Der Erfolg der AfD auf Bundesebene sei „eine Schande für dieses Land“. Köln präsentiere sich gerne als weltoffene und tolerante Stadt, aber auch hier gebe es noch viel zu verbessern – zum Beispiel die Möglichkeiten von Menschen mit Migrationsgeschichte, am politischen Leben der Stadt teilzunehmen.

Dass der Rat außerdem beschlossen hat, eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Afrika südlich der Sahara einzugehen, freut ihn ganz besonders. Seit zwei Jahren setzen sich der Verein „Bündnis14 Afrika“ und der Integrationsrat dafür ein – unterstützt vom Büro der Stadt für europäische und internationale Angelegenheiten. „In Kürze möchten wir einen Vorschlag machen, welche Stadt für diese Partnerschaft in Frage kommen könnte.“

Vielleicht Sapele in seiner alten Heimat Nigeria? Eli Abeke hüllt sich in Schweigen, meint nur schmunzelnd: „Meine Heimat ist Köln. Aber nicht im Fußball. Da halte ich zu Werder Bremen.“


Sprache als Machtinstrument

Der diskriminierende Begriff „N....“ ist untrennbar mit der Geschichte der Versklavung und Kolonisierung verbunden, mit Entmenschlichung, Brutalität und Verwundung. Auch Begriffe wie „Farbige“, „Mulatten“ und „Mischlinge“, die auf die Kolonialzeit und Rassentheorien zurückgehen, sind diskriminierend und daher zur Verwendung tabu.

Als abwertend und generalisierend gelten heutzutage auch Begriffe wie „Dritte Welt“ oder „Entwicklungsland“. Sie sollten durch die konkreten Namen von Ländern und Regionen ersetzt werden. Ein respektvoller sprachlicher Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen ist für ein gleichberechtigtes Miteinander von zentraler Bedeutung.

Als People of Colour (zu Deutsch etwa: „Menschen von Farbe“) werden in westlichen Ländern lebende Personen mit dunkler Hautfarbe bezeichnet, deren familiäre Wurzeln in Afrika, Asien, Amerika oder Australien liegen. Die Verwendung dieses Begriffs bietet sich vor allem an, wenn es um spezielle Belange dieser Gruppe geht. Denn bei anderen Themen gibt es keinen vernünftigen Grund, diese Menschen anders zu bezeichnen als andere Bürger. In der schwarzen Community sind größtenteils auch die Begriffe „Schwarze“, „Afrodeutsche“ oder „Afroamerikaner“ akzeptiert. (fu)


Köln plant neue Städtepartnerschaft südlich der Sahara

2011 wurde Rio de Janeiro zur jüngsten Partnerstadt Kölns – und sollte das nach dem Willen des Rates auch bleiben. Die Verwaltung sollte die bestehenden 22 internationalen Städtepartnerschaften konsolidieren und nicht nach weiteren suchen, so der Auftrag.

Bewegung in die Sache bringt der jetzt vom Rat gefasste Beschluss, im Rahmen der Ächtung des N*Wortes auch Vorschläge für eine neue Partnerstadt südlich der Sahara prüfen zu lassen. Der Zeitpunkt sei richtig, meint Frieder Wolf, Leiter des Büros für Internationale Angelegenheiten der Stadt Köln. „Die Konsolidierung ist erfolgreich geglückt“, sagt er. Dafür spreche zum Beispiel die Arbeit von Cologne Alliance, dem Dachverein der Partnerstadtvereine. Aus Sicht der Verwaltung seien die Voraussetzungen gegeben, den Kreis der Partnerstädte um eine zu vergrößern.

Mit Liverpool schloss Köln 1952 die erste Städtepartnerschaft. Mittlerweile sind es 22 Partnerstädte von Indianapolis bis Kyoto, dazu zwei innerdeutsche Partnerschaften. Auf dem afrikanischen Kontinent wurde Tunis 1964 Partnerstadt.

Der Impuls für eine Städtefreundschaft mit einer Stadt südlich der Sahara kommt vom Bündnis 14 Afrika. Dieses Engagement aus der Bürgerschaft sei eine wichtige Voraussetzung, sagt Frieder Wolf. Denn die Beziehungen zu den Partnerstädten werden in Köln von Bürgervereinen gepflegt.

Das Bündnis 14 Afrika betont in seinem Konzept den Stellenwert der Zivilgesellschaft, in deren Auftrag Politik und Verwaltung Entscheidungen umsetzen. Es sucht nach einer Partnerstadt, in der nicht nur die afrikanische Zivilgesellschaft, sondern auch eine europäische Diaspora an einer Zusammenarbeit mit Köln interessiert ist. (sab)