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Politologe Jäger zu Solingen„Demokratische Politiker zeigen sich fast sprachlos“

Lesezeit 2 Minuten
25.08.2024, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest haben Menschen in der Nähe des Tatortes Blumen und Kerzen niedergelegt. Bei einer Attacke auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen hat es Todesopfer und Verletzte gegeben. Foto: Thomas Banneyer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Blumen und Kerzen erinnern an die Opfer von Solingen – während Rechtspopulisten die schrecklichen Nachrichten für ihre Zwecke zu nutzen versuchen.

Wie reagieren Politiker auf die Morde von Solingen? Drei Fragen an den Kölner Politologen Thomas Jäger, Herausgeber des „Handbook of Political Islam in Europe“.

Der IS beansprucht die Urheberschaft an den Messer-Morden von Solingen. Was hat das zu bedeuten?

Zwar ist das Schreiben offensichtlich authentisch. Aber es sind viele Fragen offen, zum Beispiel, ob man da einen Radikalisierungsprozess hätte erkennen können und übersehen hat.

Aber viele Leute meinen genau zu wissen, was jetzt geboten ist. Es gibt hämische Kommentare darüber, dass das Solinger Stadtfest ja ein Fest der Vielfalt sein sollte. Björn Höcke verspricht die Befreiung vom, wie er sagt, Irrweg der erzwungenen Multikulturalisierung.

Da wird eine falsche Alternative nach dem Muster aufgemacht: gegen Vielfalt und für Sicherheit. In Wirklichkeit ist das ein Problem ein ganz anderes: Verbrecherische Taten können umgesetzt werden, ohne dass die Behörden es auf dem Schirm haben. Der Mord am Frankfurter Hauptbahnhof, wohl ein Fall von Blutrache, und der Anschlag von Solingen haben miteinander nichts zu tun, aber sie werden miteinander verbunden. Da wird das Bewusstsein geschürt, so etwas hätte nicht passieren können, wenn die Grenzen dicht wären und man sozusagen unter sich wäre. Das ist natürlich eine Schimäre und völliger Unsinn. Aber selbstverständlich versucht jemand wie Höcke diese Stimmung auszunutzen. Das ist Teil des politischen Geschäfts.

Wird er damit Erfolg haben?

Erstmal geht es für ihn um Konsolidierung. Er steht unter Druck, weil sich für viele Leute so kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen die Frage stellt, wen sie denn da wirklich wählen würden. Diese Frage kann er jetzt besser abwehren – zumal sich viele demokratische Politiker fast sprachlos zeigen. Textbausteine, Sprechblasen, solche Worte beschreiben ihre Äußerungen ganz gut. Der Bundespräsident gibt es dünnes Statement heraus und erfasst überhaupt nicht, welche Bedeutung für die Menschen das Gefühl hat, man könne sich nicht mehr sicher im öffentlichen Raum bewegen.