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KommentarWarum Angriffe auf Politiker uns alle treffen

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An election poster of Germany's Social Democratic Party SPD lead candidates Matthias Ecke (L) and Katarina Barley for the upcoming European Parliament elections is seen attached to a lamp post in the city district Striesen of Dresden, eastern Germany on May 4, 2024. German Chancellor Scholz on May 4 condemned an attack on one of his party's European Parliament deputies as a "threat" to democracy after authorities said a political motive was suspected. Police said four unknown attackers beat up Matthias Ecke, an MEP for the Social Democratic Party (SPD), as he put up EU election posters in the eastern city of Dresden on Friday night, May 3. Ecke, 41, was "seriously injured" and required an operation after the attack, his party said. Police confirmed he needed hospital treatment. (Photo by JENS SCHLUETER / AFP)

Wahlkampf in Dresden: Matthias Ecke (SPD) wurde bei einem gewalttätigen Angriff schwer verletzt.

Wenn in einem Klima der Angst politisches Engagement zum Risiko wird, ist das Gift für die Demokratie. Was ist dagegen zu tun?

Dresden. Essen. Nordhorn. Tatorte von gewalttätigen Angriffen auf Politiker in den letzten Tagen. Einzelne Orte, einzelne Opfer – doch in Wahrheit Angriffe auf ganz Deutschland und auf uns alle. Die Attacken sind gegen das Fundament unserer freiheitlichen Grundordnung gerichtet, auf die Menschen, die unser demokratisches System tragen. Entsprechend groß ist jetzt – vor allem nach der brutalen Gewalttat gegen SPD-Politiker Matthias Ecke – das Entsetzen, und zwar parteiübergreifend.

Dass sich die Verachtung politischer Aktivität bis in körperliche Gewalt steigert, erzeugt ein Klima der Angst, das immer mehr spürbar wird. Ehrenamtliches Engagement wird zum Risiko. Das ist Gift für eine lebendige Demokratie. Keine Frage also, dass diese Angriffe gegen Politikerinnen und Politiker aller Parteien aufs Schärfste zu verurteilen sind. Doch damit ist das Problem noch lange nicht gelöst.

Innenministerin Faeser trommelt die Innenminister zusammen, um über Schutzmaßnahmen zu beraten. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme, immerhin. Und auch ein hartes, schnelles Vorgehen gegen die Täter ist enorm wichtig. Aber das Thema ist viel größer und weitreichender. Der Begriff der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe wird oft ins Feld geführt und ist reichlich strapaziert, aber hier gehört er wirklich hin.

Es geht um eine Debattenkultur, die offenbar an einigen Stellen keine roten Linien mehr kennt.

Es geht um eine Debattenkultur, die – nicht zuletzt auch durch rechtsextremistische Hetze und anonyme Enthemmung in Social-Media-Kanälen – offenbar an einigen Stellen keine roten Linien mehr kennt. Wenn die Regeln respektvollen Streits aufgebrochen sind, kann Wut explodieren. Es gehört zur Demokratie, unvereinbare Positionen zuzulassen und selbst extreme auszuhalten. Aber nicht Hass und Hetze.

Um den Schritt über die rote Linie wieder zurückzugehen, werden tatsächlich alle gebraucht. Politik, Parteien, Schulen, Familien. Die Verbreitung verfassungsfeindlicher Gedanken, aus welcher Richtung auch immer, muss konsequent verfolgt werden. Nicht nur von den Sicherheitsbehörden im öffentlichen Bereich, nicht nur im Digitalen oder auf dem Schulhof. Es kann auch Äußerungen im privaten Alltag geben, die Grenzen überschreiten und nicht unwidersprochen bleiben sollten – selbst wenn dies Mut erfordert.