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Partygate-AffäreBoris Johnson droht nun ein dramatisch tiefer Fall

Lesezeit 3 Minuten
A handout photograph released by the UK Parliament shows Britain's Prime Minister Boris Johnson laughing as Britain's Chancellor of the Exchequer Rishi Sunak makes a statement on the cost of living crisis in the House of Commons on May 26, 2022.

Boris Johnson im britischen Parlament

Johnsons Karriere nahm „eine dramatische und vielleicht endgültige Wendung“, wie der „Guardian“ kommentierte. Ein EU-Deal verschafft indessen Premier Sunak Luft.

In einem professionellen Twitter-Account markieren Nutzer gerne ihre jüngsten großen Erfolge, sodass diese auch Tage später noch als erstes sichtbar sind. Das Profil des britischen Premierminister Rishi Sunak zeigt einen Post vom 27. Februar. Darin feiert er das „Windsor Framework“ – den überarbeiteten und aus Sicht vieler Experten verbesserten Deal mit der EU, mit dem eine harte Grenze zwischen dem einst vom Bürgerkrieg gebeutelten Landesteil Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll, indem man die Zollgrenze in die irische See verlegte.

Der britische Premier Rishi Sunak

Der britische Premier Rishi Sunak

Obwohl viele Beobachter im Vorfeld einen Aufstand der Brexit-Hardliner in Sunaks konservativer Tory-Partei erwartet hatten, blieb dieser überraschenderweise aus. „Minister, die vorher mit ihrem Rücktritt drohten, verhielten sich ruhig oder lobten die Übereinkunft sogar“, beschreibt Anand Menon von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“ den Erfolg des gesetzlichen Rahmenwerkes. Selbst Ex-Premierminister Boris Johnson, der als erbittertster innerparteilicher Gegner Sunaks gilt, äußerte erst drei Tage später zurückhaltende Skepsis an der Vereinbarung mit der EU.

Über Corona-Partys gelogen

Johnsons Karriere nahm derweil am vergangenen Freitag „eine dramatische und vielleicht endgültige Wendung“, wie der „Guardian“ kommentierte. Der Ex-Premier wird durch den vorläufigen Bericht eines parlamentarischen Ausschusses erneut schwer belastet. Demnach soll er das Unterhaus in der sogenannten Partygate-Affäre mehrmals belogen haben. Johnson habe wissen müssen, dass bei Feiern während des Lockdowns im Jahr 2020 in seinem Regierungssitz und anderen Behörden gegen geltende Corona-Regeln verstoßen wurde.

Sunaks Vorgänger soll Ende März zu den Vorwürfen Stellung nehmen – live im Fernsehen. Johnson rechtfertigte sich bislang, indem er den Bericht anzweifelte. Dass die Beamtin Sue Gray, die die Untersuchungen zu den ausgelassenen Feiern in der Downing Street einst leitete, als Stabschefin zur Labour-Partei wechseln wolle, zeige, dass das Vorgehen nicht objektiv sei. Die Zeitung „The Independent“ bezeichnete diese Verteidigung des Ex-Premiers jedoch als „fadenscheinig“. Im besten Fall handele es sich dabei um Paranoia, im schlimmsten Fall um Propaganda, hieß es dort.

Das Ende von „Teflon-Boris“?

Doch ist dies das Ende für „Teflon-Boris“, an dem Skandale häufig abperlten wie an einer beschichteten Bratpfanne? „Wie so viele scheue ich davor zurück, ihn für immer abzuschreiben“, erklärte Tim Bale, Politologe an der Queen-Mary-Universität, am Montag im Gespräch mit unserer Redaktion, „aber es sieht immer mehr so aus, als würde ihm tatsächlich die Luft ausgehen.“ Der Bericht des Parlamentes lege nahe, dass einige ziemlich vernichtende Beweise gegen ihn vorliegen, die belegen könnten, dass er die Abgeordneten in Bezug auf die Partygate-Affäre in die Irre geführt hat. „Es sieht für mich so aus, als hätten die Tory-Abgeordneten wirklich die Geduld mit ihm verloren.“

Der mögliche Fall Johnsons bedeute jedoch nicht, dass die politische Karriere seines Nachfolgers Sunak gesichert sei, wie Bale betonte. Denn diesem steht in der laufenden Woche eine Herausforderung bevor, an der bislang alle britischen Premierminister seit David Cameron gescheitert sind: die illegale Migration mithilfe von Schleppern über den Ärmelkanal in den Griff zu bekommen. Innenministerin Suella Braverman wird hierzu vermutlich am heutigen Dienstag einen Gesetzesentwurf im Parlament vorstellen.

Medienberichten zufolge sollen Geflüchtete, die mit Booten nach Großbritannien kommen, künftig umgehend zurückgeschickt werden und überdies nie wieder auf die Insel kommen dürfen. Die Pläne sind auch in der konservativen Partei umstritten, unter anderem, weil dadurch hohe Kosten entstehen. Der Premier würde seinen Tories einen Gefallen tun, wenn er „die Boote stoppen“ könnte, so Politologe Bale. Dass ihm das gelingt, sei jedoch unwahrscheinlich. „Sunak ist kein Messias, darauf weisen auch die Umfragen hin. Aber er ist vielleicht das kleinste Übel, sozusagen die am wenigsten schlechte Option.“