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NRW-Schulministerin Gebauer„Die allermeisten Lehrkräfte engagieren sich immens“

Lesezeit 8 Minuten
Gebauer

Yvonne Gebauer (FDP), Schulministerin

  1. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) spricht über Distanzlernen, eigene Fehler und darüber, wie es im Februar für die Schüler weitergehen könnte.
  2. Kirsten Bialdiga führte das Gespräch.

Frau Gebauer, seit Montag findet in NRW für alle Schüler wieder Distanzunterricht statt. Wie ist der Start aus Ihrer Sicht gelaufen?Gebauer Der Start ist gut gelungen. Wenn landesweit 5500 Schulen zeitgleich in den Distanzunterricht wechseln, ist klar, dass dies nicht reibungslos verläuft. Die Schulen waren aber viel besser vorbereitet, daher funktioniert es auch besser als im Frühjahr des vergangenen Jahres.

Reihenweise sind Server und Lernplattformen abgestürzt. Was ging schief?

Gebauer Das ist natürlich vor Ort ein großes Ärgernis. Aber: Das System des Landes, Logineo NRW, hat verlässlich gearbeitet. Wir hatten gut vorgesorgt und ausreichend Kapazitäten geschaffen. Zu den kommerziellen Systemen, die manche Schulen einsetzen, kann ich nicht viel sagen. Das Land bietet eine Infrastruktur, die gut funktioniert, und wir freuen uns über jede Schule, die dieses Angebot annimmt.

Uns wurden vielfach auch Probleme mit Logineo gemeldet…

Gebauer Ich gehe gerne jedem konkreten Hinweis nach. Was wir erfahren haben ist, dass die Plattform Moodle nicht zuverlässig funktioniert hat, wie der Anbieter selbst eingesteht. Das ist aber nicht ein Problem der Landesregierung, denn unser eigenes System Logineo NRW lief verlässlich. Einige Schulträger, also meist Kommunen, hätten im Vorfeld mit ihren Anbietern von Lernplattformen noch einmal reden sollen, damit diese für ausreichend Hardware-Kapazitäten sorgen. Mit Logineo NRW arbeiten inzwischen übrigens 1771 Schulen und 2226 mit dem entsprechenden Lernmanagement-System.

Videounterricht können die Schulen damit aber nicht erteilen. Warum gibt es immer noch kein Videokonferenztool, das an Logineo angebunden ist?

Gebauer Das ist technisch fertig. Der Einsatz des Videokonferenztools ist aber mitbestimmungspflichtig, wir sind darüber mit den Hauptpersonalräten in guten Gesprächen. Und wir werden hier sehr zeitnah auch zu einer guten Lösung kommen.

Wo der Distanzunterricht funktioniert, hapert es oft an der Qualität. Da dauern die Unterrichtsstunden manchmal nur fünf Minuten, oder es werden lediglich Aufgaben verteilt. Warum gibt es so viel Gestaltungsspielraum?

Gebauer Die allermeisten Lehrkräfte engagieren sich immens und bieten den Schülerinnen und Schülern guten Distanzunterricht an. Das Land macht Vorgaben für das Distanzlernen ebenso wie für den Präsenzunterricht: Es gibt beispielsweise eine Handreichung mit entsprechenden Praxisbeispielen. Eltern können sich über diese Vorgaben transparent informieren. Lehrkräfte haben den Anspruch und nehmen den Distanzunterricht genauso ernst wie den Präsenzunterricht. Aber es gibt auch beim Unterricht auf Distanz eine pädagogische Freiheit bei der Ausgestaltung – rechtlich sind die beiden Unterrichtsformen in NRW seit dem Sommer 2020 gleichgestellt.

In NRW sind selbst die Abschlussklassen im Distanzunterricht - anders als in vielen anderen Bundesländern. Warum weicht die Landesregierung hier ab?

Gebauer Wir haben diese Frage mit den betroffenen Verbänden sehr intensiv erörtert. Die Mehrheit war der Meinung, dass der Distanzunterricht gerade für die älteren Schülerinnen und Schüler funktioniert, auch kurz vor Prüfungen, und eine einheitliche Lösung am besten für die Schulen umzusetzen ist. Für die Lehrer verringert sich dadurch die Doppelbelastung erheblich, weil sie neben dem Distanz- nicht auch noch Präsenzunterricht vorbereiten müssen. Das steigert die Qualität des Distanzunterrichts.

Aber die Landesregierung hatte doch Präsenzunterricht zum obersten Ziel erklärt - und weitet dann den Distanzunterricht stärker aus als andere Länder?

Gebauer Beim Präsenzunterricht als oberstes Ziel bleibt es auch weiter. Aber in Pandemiezeiten nicht um jeden Preis. Die allermeisten Länder haben konsequent auf Distanzunterricht im Januar umgestellt, NRW schert hier nicht aus. Die Situation in NRW ist ernst. Wir müssen vorsichtig sein und konsequent handeln. Die Intensivstationen laufen voll, die Sterbezahlen sind hoch. Hinzu kommt die Unsicherheit, wie ansteckend das mutierte Virus aus Großbritannien ist. In dieser Situation muss auch Schule einen Beitrag zur notwendigen Kontaktreduzierung leisten, es war aber gut und richtig, dass wir so lange Präsenzunterricht für stets mehr als 95 Prozent der Schülerinnen und Schüler hatten.

Wie viele Schüler der Klassen eins bis sechs nehmen die Notbetreuung in Anspruch?

Gebauer Noch haben wir keine genauen Daten. Einzelne Rückmeldungen lassen den Schluss zu, dass es sehr unterschiedlich in den Schulen ist, oftmals standortbezogen. Nächste Woche wissen wir mehr.

Es herrscht Verwirrung, ob die Schüler in der Notbetreuung auch dem Distanzunterricht folgen können. Können Sie das aufklären?

Gebauer Die Regeln dazu sind ganz klar. Die Schülerinnen und Schüler in der Betreuung nehmen am Distanzunterricht ihrer jeweiligen Lerngruppe teil. Darüber hinaus findet aber kein Präsenzunterricht statt.

Wären die Schulen besser vorbereitet, wenn sie vorher im Wechselmodell den Distanzunterricht schon einmal hätten üben können?

Gebauer Dem möchte ich widersprechen. Die Situation wäre nicht anders gewesen, wenn es zuvor keinen Präsenz-, sondern Wechselunterricht gegeben hätte. Das Schulministerium hat vieles auf den Weg gebracht, um unsere Schulen gut vorzubereiten: Fortbildungs-Seminare für den Distanzunterricht, passende Handreichungen dafür und die Ausstattungsprogramme für digitale Endgeräte für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler in Höhe von 350 Millionen Euro. Im Übrigen hat es auch schon Wechselmodelle, beispielsweise rollierende Modelle, vor den Sommerferien im vergangenen Jahr gegeben.

Es ist in diesem Schuljahr schon viel Unterricht ausgefallen, auch wegen der verlängerten Weihnachtsferien. Sollten im Gegenzug die Oster- oder Sommerferien verkürzt werden?

Gebauer Grundsätzlich sind alle Ferien bundesweit festgelegt, das müsste man also mit allen anderen Bundesländern abstimmen. Eine Verkürzung der Ferien ist bisher nicht vorgesehen.

Um die Lernlücken auszugleichen, böte sich auch ein Verzicht auf die freien Karnevalstage oder andere bewegliche Ferientage an. Wie stehen Sie dazu?

Gebauer Vier bewegliche Ferientage stehen den Schulen in diesem Schuljahr zu, darunter ist auch ein Brauchtumstag, zum Beispiel für Heimatfeste oder den Rosenmontag. Darüber entscheidet jeweils die Schulkonferenz mit dem Schulträger. Wir empfehlen den Schulen, die beweglichen Ferientage in diesem Jahr auf die Zeit nach den Prüfungen zu verschieben oder gegebenenfalls auch als Unterrichtstage zu nutzen. Eine Streichung dieser Ferientage ist nicht geplant.

Abiturienten und Zehntklässler sorgen sich zunehmend um ihre Prüfungen. Werden sie ihre Abschlüsse machen können?

Gebauer Es ist mein Ziel und wir haben alle Chancen, dass wir auch in diesem Jahr zu guten und fairen Abschluss- und Abiturprüfungen auf der Basis von Prüfungen kommen, die dann allerorts anerkannt werden.

Müssen die Termine noch einmal nach hinten verlegt werden?

Gebauer Der Start der Abschlussprüfungen ist bereits um neun Tage verschoben, damit sind wir noch im Zeitplan für das Zentral-Abitur. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass wir die Prüfungen noch einmal weiter verschieben müssen, sollte sich das Infektionsgeschehen nicht verbessern und die Vorbereitung der Abschlussklassen darunter leiden.

Würde dies einen Verzicht auf die Osterferien bedeuten?

Gebauer Wir haben im Ministerium verschiedene Szenarien für das zweite Schulhalbjahr erarbeitet und werden diese in den kommenden Tagen mit allen Beteiligten besprechen.

Werden Sie auch in diesem Jahr auf das Sitzenbleiben verzichten?

Gebauer Das können wir jetzt noch nicht entscheiden. Klar ist: Den Schülerinnen und Schülern sollen durch die Coronavirus-Pandemie keine Nachteile hinsichtlich ihrer Prüfungen, Abschlüsse und weiteren Bildungswege entstehen. Das Schulministerium ist auf alle weiteren Entwicklungen gut vorbereitet.

Wie geht es nach dem 31. Januar weiter?

Gebauer Wenn es zu Lockerungen kommt, dann sind die Schulen von Anfang an dabei. Wir müssen wieder Türen öffnen für das soziale Miteinander und für mehr Anwesenheitszeiten von Schülerinnen und Schülern in den Schulen. Eine schlichte Fortsetzung des Distanzunterrichts in seiner jetzigen Form ist nach dem 31. Januar schwer vorstellbar. In welcher Form und mit welchen Präsenz-Anteilen müssen wir sehen.

Wer darf als erstes wieder zur Schule gehen?

Gebauer Auch das muss man dann sehen, aber unsere Jüngsten und unsere Förderschulkinder sollten unter den ersten sein. Wie das gehen kann, muss man weiter in Anbetracht des Infektionsgeschehens sehen. Das kann ein rollierendes Verfahren wie nach den Osterferien im vergangenen Jahr sein, als die Jahrgangsstufen abwechselnd unterrichtet wurden, aber auch andere Wechselmodelle sind möglich. Dies werden wir mit den Schulleitungen, Eltern, Lehrern und Schülern ebenfalls erörtern.

Sollten Lehrer vorrangig geimpft werden?

Gebauer Jede Gruppe wünscht sich, früher an der Reihe zu sein. Das ist verständlich. Es gibt jedoch klare Vorgaben zur Impfreihenfolge, die ich als Schulministerin nicht bewerten will.

Sie wurden vielfach für zu spätes und teils missverständliches Kommunizieren kritisiert. Was würden Sie aus heutiger Sicht auch im Wechselspiel mit dem Ministerpräsidenten anders machen?

Gebauer Ich bin seit Beginn unserer Zusammenarbeit in einem konstruktiven Austausch mit dem Ministerpräsidenten. Wir ziehen gemeinsam an einem Strang für beste Bildung unserer Schülerinnen und Schüler. Gleichwohl: Wo viel gearbeitet wird, passieren auch Fehler – dazu stehe ich dann auch.

Welche Fehler meinen Sie?

Gebauer Zum Beispiel hätte ich manches Mal gerne früher gegenüber den Schulen kommuniziert – was aber nicht in meiner Hand lag, weil zunächst auf bundesweite Grundsatzentscheidungen gewartet werden musste. Und es bleibt dabei: Die Lage ist dynamisch und braucht weiterhin dynamische Entscheidungen.