Die ehemaligen Ampel-Partner geben sich gegenseitig die Schuld für das Ende der Koalition. Der FDP wird vorgeworfen, den Bruch gezielt herbeigeführt zu haben. Ein Dokument gibt Einblicke.
Neue Details veröffentlichtFDP-Papier zeigt „D-Day-Szenario“ zu Koalitionsbruch
Die FDP-Spitze hat einen möglichen Ausstieg aus der Ampel-Koalition detailliert durchgespielt. Das macht ein Papier deutlich, das die Partei jetzt selbst veröffentlicht hat, um nach eigenen Angaben Transparenz herzustellen. Table.briefings hatte zuvor darüber berichtet. Das achtseitige Dokument - offensichtlich eine Powerpoint-Präsentation - ist überschrieben mit „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“.
Darin ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ und ein „avisierter Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es mit der Entlassung von FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) tatsächlich zum Bruch der Koalition.
Diskussion über „Idealen Zeitpunkt“ zum Koalitionsausstieg
In dem Papier wird abgewogen: Der Ausstieg zu diesem Zeitpunkt berge Risiken wegen der gleichzeitig stattfindenden US-Präsidentschaftswahl. Um sich von dem Ereignis „etwas zu entkoppeln“, könne ein Ausstieg zu Beginn der 45. Kalenderwoche am 4. November erfolgen. Bei einer Verschiebung nach hinten werden andere Hindernisse angeführt: die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, der geplante Grünen-Parteitag und ein eigener Parteitag, der vorbereitet und zu dem eingeladen werden müsste.
FDP spricht von „Arbeitspapier“
Festgehalten wird auch ein „Kernnarrativ“ - also eine Hauptbotschaft, mit der der Ausstieg verknüpft werden könnte. Fundamentale Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen Rot-Grün und der FDP seien nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Die Bundesregierung sei selbst zum größten Standortrisiko geworden. „Die deutsche Bevölkerung sollte in vorgezogenen Neuwahlen entscheiden, welchen Weg Deutschland zukünftig geht“, heißt es weiter. Auch ein vorbereitetes Statement von Lindner ist bereits enthalten und Szenarien, wann, wo und über welche Kanäle man den Ampel-Bruch am besten verkünden könnte.
Die FDP bezeichnet das Dokument als „Arbeitspapier“, das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November. „Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition“, heißt es.
Zeit“-Recherche über „kalkulierten Bruch“ hatte Diskussionen ausgelöst
„Wir haben nichts zu verbergen“, schrieb die FDP in einem Eintrag bei X. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns sogenannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“ Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. „Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen.“
Nach dem Ampel-Aus hatte eine Recherche der „Zeit“ große Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt. In dem Bericht war die Rede von der Existenz eines „Drehbuchs für den Regierungssturz“ und Erwägungen für einen „kalkulierten Bruch“ der Koalition, „SPD und Grüne so weit zu reizen, bis der Kanzler die FDP-Minister rausschmeißt“. (dpa)