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Nato-Beitritt der UkraineStoltenberg stärkt Selenskyj bei symbolischen Besuch den Rücken

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Jens Stoltenberg schüttelt Wolodymyr Selenskyj die Hand.

Enge Zusammenarbeit: Bei seinem Besuch sicherte Jens Stoltenberg dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erneut Unterstützung zu.

Mit einem überraschenden Besuch in Kiew hat Jens Stoltenberg der Ukraine auch den Rückhalt der Nato bekräftigt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat der Ukraine bei einem überraschenden Besuch in Kiew Gespräche über einen Beitritt zum Militärbündnis auf dem anstehenden Bündnisgipfel im Juli in Aussicht gestellt. „Die Zukunft der Ukraine ist in der euro-atlantischen Familie, die Zukunft der Ukraine ist in der Nato, alle Verbündeten sind sich da einig“, sagte Stoltenberg am Donnerstag.

Moskau bezeichnete einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine unterdessen als „ernste Gefahr“ für Russland. Stoltenberg versicherte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das Beitrittsthema werde während des Nato-Gipfels in Vilnius im Juli „oben auf der Agenda“ stehen.

Treffen im litauischen Vilnius

Priorität der Militärallianz sei es sicherzustellen, dass die Ukraine sich im Krieg gegen Russland durchsetze. Selenskyj forderte seinerseits eine baldige Einladung seines Landes in die Nato. Angesichts der großen Unterstützung unter den Mitgliedsländern für einen ukrainischen Beitritt, sei es „Zeit, die entsprechende Entscheidung zu treffen“. Das Treffen im litauischen Vilnius könne „historisch werden“, sagte der Präsident.

Selenskyj bat die Nato zudem, Kiew dabei zu helfen, den „Widerwillen“ einiger Mitgliedsstaaten zu überwinden, bestimmte Waffen an die Ukraine zu liefern. Dabei gehe es um Langstreckenwaffen, moderne Kampfflugzeuge, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge, erläuterte Selenskyj. In der Zwischenzeit zahle die Ukraine mit „den Leben unserer Soldaten, die noch nicht die notwendigen Verteidigungswerkzeuge erhalten haben“.

Stoltenbergs erster Besuch in Kiew

Ukraines Unterstützer scheuen bisher vor der Lieferung von Langstreckenwaffen zurück, weil Kiew damit Ziele auf russischem Gebiet angreifen könnten. Stoltenbergs unangekündigter Besuch in Kiew war sein erster in der ukrainischen Hauptstadt seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor über einem Jahr. Ukrainische Medien veröffentlichten Bilder Stoltenbergs im Zentrum Kiews, auf denen er unter anderem vor einer Gedenkstätte für getötete ukrainische Soldaten zu sehen war.

Stoltenberg besichtigte bei seinem Besuch auch die Kiewer Vororte Irpin und Butscha, die im Frühjahr 2022 von russischen Truppen besetzt waren und wo später die Leichen Hunderter Zivilisten gefunden worden waren. Über die übrigen Programmpunkte war zunächst vor allem aus Sicherheitsgründen nur wenig bekannt. Möglicherweise als Ablenkungsmanöver hatte für diesen Donnerstag auch noch bis zum Dienstagabend ein Treffen mit Tschechiens Präsident Petr Pavel in Brüssel auf dem öffentlichen Terminkalender von Stoltenberg gestanden. Dieses war dann kurzfristig auf Mittwochnachmittag verlegt worden.

Kreml will Nato-Beitritt verhindern

Direkt im Anschluss dürfte sich Stoltenberg dann auf den Weg in Richtung Ukraine gemacht haben. In der Regel fliegen nach Kiew reisende Spitzenpolitiker zunächst nach Rzeszow im Südosten von Polen. Von dort geht es meist nach Przemysl. Der dortige Bahnhof hat ein Gleis in russischer Breitspur, die auch in der Ukraine gebräuchlich ist. Von Przemysl fahren deshalb Züge direkt nach Kiew. Der Kreml erklärte am Donnerstag, die Verhinderung eines ukrainischen Beitritts zum westlichen Militärbündnis seit weiterhin eines der Hauptziele der russischen Invasion. „Sonst wird es eine ernste Gefahr für unser Land bedeuten, für seine Sicherheit“, betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Die Nato hatte der Ukraine bereits im Jahr 2008 eine Aufnahme in Aussicht gestellt. Putin nahm einen möglichen Beitritt Kiews als einen Vorwand für seinen vor über einem Jahr begonnenen Angriffskrieg gegen das Nachbarland. Seit Moskaus Invasion hat die Ukraine ihre Bemühungen um einen Nato-Beitritt noch einmal verstärkt. Westlichen Diplomaten zufolge ist dies jedoch nach wie vor eher eine langfristige Perspektive.

Stoltenberg will Russland Grenzen aufzeigen

Selenskyj, der zum Nato-Gipfel in Vilnius im Juli eingeladen ist, fordert eine „beschleunigte“ Mitgliedschaft. Stoltenberg hat indes angedeutet, dass Kiew erst den Krieg gegen Russland gewinnen müsse. Stoltenberg gilt seit Beginn des russischen Angriffskrieges als unermüdlicher Unterstützer der Ukraine und wirbt kontinuierlich für neue Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte. Bei einem Gipfeltreffen der östlichen Bündnisstaaten in Warschau hatte sich der Norweger jüngst dafür ausgesprochen, Russland ein für alle Mal seine Grenzen aufzuzeigen.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass Russland weiter die europäische Sicherheit untergräbt“, sagte der Norweger damals. Man müsse den „Kreislauf der russischen Aggression durchbrechen“ und dafür sorgen, „dass sich die Geschichte nicht wiederholt“. Bei dem Treffen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein ist für heute ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe angesetzt, bei dem es um weitere Militärhilfen für die Ukraine gehen soll. Dabei wird es auch um eine mögliche Frühjahrsoffensive der Ukraine gehen und wie das Land in einem solchen Vorhaben am besten unterstützt werden kann.

Die Nato konzentriert sich dabei laut Stoltenberg auf die Bereitstellung von Munition für bereits gelieferte Waffensysteme. Es sei „extrem wichtig“, dass die Systeme „wie vorgesehen“ eingesetzt werden könnten, sagte Stoltenberg. Dafür brauche es unter anderem „enorme Mengen Munition“ und Ersatzteile. Er rechen damit, dass die Mitgliedsländer und ihre Partner in Ramstein „konkrete neue Ankündigungen für die militärische Unterstützung der Ukraine machen“ werden, sagte der Nato-Chef. (dpa/afp)