AboAbonnieren

Nahost-NewsblogBaerbock fordert von Israel Stopp der Siedlungsprojekte

Lesezeit 18 Minuten
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) steht auf einer Anhöhe, von der aus man im Hintergrund Häuser eines Vorortes von Ramallah und von israelischen Siedlern sehen kann.

Außenministerin Baerbock setzt ihre Krisengespräche im Nahen Osten nach Stationen in Saudi-Arabien und Jordanien in Israel und im Westjordanland fort.

Nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel ist die Lage in Nahost eskaliert. Die Entwicklungen in Israel, Gaza und dem Iran im Newsblog.

Am 7. Oktober 2023 überfielen Terroristen der Hamas Israel. Sie richteten ein beispielloses Blutbad an und nahmen zahlreiche Geiseln. Israel antwortete mit einem Krieg im Gazastreifen. Inzwischen ist die humanitäre Lage dort katastrophal, Israels Vorgehen steht international in der Kritik.

Die laufenden Entwicklungen in unserem Newsblog.


Samstag, 7. September

+++ Israels Armee: Kommandozentrale der Hamas attackiert +++

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben eine weitere Kommandozentrale der islamistischen Hamas im Gazastreifen angegriffen. Sie habe sich in einem Gebäude im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens befunden, das zuvor als Schule gedient habe, teilte die Armee in der Nacht mit. Terroristen hätten es zur Planung und Ausführung von Terroranschlägen gegen Israels Truppen und den Staat Israel benutzt. Vor dem Angriff mit Präzisionsmunition seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um das Risiko zu verringern, dass Zivilisten zu Schaden kommen. Angaben zu möglichen Opfern machte das Militär nicht.

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete mindestens acht Tote und 15 Verletzte bei dem Angriff. Demnach sollen Zelte von Vertriebenen in dem ehemaligen Schulgebäude getroffen worden sein. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, den Bericht zu prüfen.

Die Angaben ließen sich allesamt unabhängig zunächst nicht unabhängig verifizieren.

Erst kürzlich hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben eine Kommandozentrale der Hamas in der Stadt Gaza im Norden des umkämpften Küstenstreifens angegriffen. Nach palästinensischer Darstellung war das Ziel des Bombardements ein Schulgebäude, in dem Vertriebene untergebracht gewesen sein sollen. Neun Menschen seien getötet worden.

+++ Israels Armee: Rund 30 Geschosse aus dem Libanon abgefeuert +++

Aus dem Libanon sind nach israelischen Militärangaben erneut zahlreiche Raketen auf den Norden Israels abgefeuert worden. Die Armee registrierte eigenen Angaben zufolge rund 30 Geschosse. Berichte über Verletzte gab es demnach zunächst nicht.

Den Angaben zufolge griff die Armee in der Nacht mehrere Abschussrampen der proiranischen Hisbollah im Süden des Libanon an.

Die Hisbollah reklamierte einen Angriff auf das Nachbarland für sich. Eine israelische Militärbasis sei mit Raketen des Typs Katjuscha angegriffen worden, teilte die Miliz mit.

Freitag, 6. September

+++ Baerbock fordert von Israel Stopp der Siedlungsprojekte +++

Außenministerin Annalena Baerbock fordert von der israelischen Regierung als Zeichen der Vertrauensbildung in der Region ein Ende der Siedlungsprojekte im Westjordanland. Der Siedlungsbau im Westjordanland verstoße ganz eindeutig gegen das Völkerrecht. „Er ist illegal“, kritisierte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrem israelischen Amtskollegen Israel Katz in Tel Aviv. „Die israelische Regierung könnte verlorenes Vertrauen international aus meiner Sicht auch wiedergewinnen, indem (sie) in einem ersten Schritt die laufenden Siedlungsprojekte stoppt“, sagte sie.

+++ Amerikanische Aktivistin laut palästinensischen Angaben im Westjordanland getötet +++

Eine ausländische Aktivistin ist palästinensischen Angaben zufolge im Westjordanland bei einem Protest gegen einen Siedlungs-Außenposten durch Schüsse israelischer Soldaten getötet worden. Die Amerikanerin türkischer Herkunft sei zunächst mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen in eine Klinik gebracht worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Sie sei später für tot erklärt worden.

Israels Armee teilte mit, den Bericht zu prüfen. Es habe in der Gegend eine „gewalttätige Aktivität“ gegeben. Israelische Einsatzkräfte hätten auf die Person, die diese hauptsächlich angestiftet habe, gefeuert. Die Person habe Steine geworfen und die israelischen Sicherheitskräfte bedroht, hieß es in einer Mitteilung des Militärs weiter. Ob es sich dabei um die Amerikanerin handelte, war zunächst unklar.

+++ Palästinenser: Schüsse israelischer Soldaten töten Kind +++

Bei Zusammenstößen zwischen israelischen Siedlern und Palästinensern im Westjordanland ist palästinensischen Angaben zufolge ein 13-jähriges Mädchen getötet worden. Das Kind sei durch Schüsse israelischer Soldaten ums Leben gekommen, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Israels Armee prüft den Bericht eigenen Angaben zufolge.

Palästinensische Medien berichteten, israelische Siedler seien in einen palästinensischen Ort nahe der Stadt Nablus im Norden des Westjordanlands eingedrungen und hätten dort Häuser angegriffen. Es sei zu Zusammenstößen mit den Anwohnern gekommen, die israelische Armee habe eingegriffen und Schüsse abgegeben. Das Mädchen sei in die Brust getroffen worden

+++ UN: Humanitäre Lage im Gazastreifen weiter mehr als katastrophal +++

Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist nach Angaben der Vereinten Nationen nach wie vor „mehr als katastrophal“. Mehr als eine Million Palästinenser hätten im August keine Lebensmittelrationen auf humanitärem Weg erhalten, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Die Zahl der täglich gekochten Mahlzeiten sei im Vergleich zum Juli um 35 Prozent auf 450 000 zurückgegangen.

Dujarric führte den drastischen Rückgang der gekochten Mahlzeiten zum Teil auf die mehrfachen Evakuierungsbefehle der israelischen Streitkräfte zurück. Dadurch seien mindestens 70 von 130 Küchen dazu gezwungen worden, ihren Betrieb entweder einzustellen oder zu verlagern. Die humanitären Partner der Vereinten Nationen verfügten außerdem den zweiten Monat in Folge nicht über ausreichende Nahrungsmittelvorräte, um den Bedarf im zentralen und südlichen Gazastreifen zu decken, sagte er. Sie würden im September nur ein Nahrungsmittelpaket an Familien im zentralen und südlichen Gazastreifen verteilen können.

Dujarric führte die andauernden Feindseligkeiten, die Unsicherheit, die beschädigten Straßen, den Zusammenbruch von Recht und Ordnung und die Zugangsbeschränkungen als Gründe für den kritischen Mangel an Hilfsgütern an. Er wolle zudem darauf hinweisen, dass es internationalen Medienvertretern auch elf Monate nach dem Beginn des Kriegs noch immer verboten sei, in den Gazastreifen einzureisen, um über die Auswirkungen des Kriegs auf die humanitäre Lage zu berichten.

+++ Blinken drängt Israel und Hamas zum Abkommen über Waffenruhe +++

US-Außenminister Antony Blinken hat Israel und die radikalislamische Hamas gedrängt, ein fast fertiges Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen abzuschließen. „Nach dem, was ich gesehen habe, sind 90 Prozent erledigt“, sagte Blinken am Donnerstag in Bezug auf die Fortschritte bei den Verhandlungen. „Es liegt wirklich an beiden Parteien, in den verbleibenden Fragen zu einem Ja zu kommen“, fügte er hinzu.

Blinken sagte, die Vereinigten Staaten würden in den kommenden Tagen über die Vermittler Ägypten und Katar weitere Vorschläge unterbreiten, in der Hoffnung, eine Einigung zu erzielen. Jeder Tag, an dem kein Abkommen zustande komme, sei ein Tag, „an dem etwas anderes passiert und ein Ereignis dazwischenkommt, das die Dinge einfach aufschiebt“, mahnte der US-Außenminister.

Donnerstag, 5. September

+++ Wieder Proteste für Geisel-Deal in Israel +++

In Israel haben erneut etliche Menschen für ein Abkommen im Gaza-Krieg protestiert, um die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Mehrere israelische Medien sowie die Veranstalter berichteten von Tausenden Teilnehmern, die Zeitung „Times of Israel“ meldete rund 2.000 Demonstranten bei einer Kundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv.

Demonstranten trugen Augenzeugen zufolge symbolisch die Särge derjenigen Geiseln, die bislang tot im Gazastreifen geborgen wurden. Israelische Medien meldeten Zusammenstöße mit der Polizei, als Menschen versuchten, eine Schnellstraße zu blockieren.

Auch in Jerusalem protestierten Medien zufolge Hunderte. Die Kundgebungen richteten sich auch erneut gegen die israelische Regierung.

+++ Baerbock ruft Israel zur Mäßigung im Westjordanland auf und kritisiert Minister +++

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Israel bei ihrem Nahost-Besuch zur Mäßigung im Westjordanland aufgerufen und Minister der israelischen Regierung deutlich kritisiert. „Der neuerliche Gewaltausbruch im Westjordanland macht uns große Sorgen“, sagte Baerbock am Donnerstag bei ihrem Besuch in Jordanien. Israel müsse Recht und Ordnung in dem Palästinensergebiet aufrechtzuerhalten, „anstatt sie zu gefährden“. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi rief Deutschland zur Unterstützung von Sanktionen gegen Israel auf.

Baerbock war vor dem Hintergrund der Bemühungen um ein Waffenruhe-Abkommen im Gazastreifen in die Region gereist. Sie traf am Donnerstagmorgen in Riad den saudiarabischen Außenminister Faisal bin Farhan und flog dann nach Jordanien weiter. Am Donnerstagabend traf sie in Israel ein. Knapp elf Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs herrscht Furcht einer weiteren Eskalation des Konflikts.

Israel müsse im Westjordanland „den Schutz der Bevölkerung vor Übergriffen von gewalttätigen, radikalen Siedlern“ gewährleisten, sagte Baerbock in der jordanischen Hauptstadt Amman. Zugleich habe Israel das Recht und die Pflicht, „gegen alle Gewalttäter und Terrorakte vorzugehen“. Baerbock betonte mit Blick auf Israels Einsatz im Westjordanland aber auch: „Terror bekämpft man nicht, indem man Straßen aufreißt, Wasserleitungen und Stromnetze zerstört oder Zugfahrten zu Krankenhäusern blockiert.“

+++ Mitglieder von UN-Sicherheitsrat fordern Gaza-Waffenruhe +++

Nach der Tötung von sechs israelischen Geiseln haben Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Israel und die Hamas für eine Einigung zu einer Waffenruhe gedrängt. „Wir wissen, dass der beste Weg, die verbleibenden Geiseln zu retten und das Leid der palästinensischen Zivilisten zu lindern, ein ausgehandelter Waffenstillstand ist, der die Geiseln freilässt und die Voraussetzungen für eine Aufstockung der lebensrettenden Hilfe in Gaza schafft“, sagt die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield.

Chinas Vize-Botschafter Geng Shuang sagte: „Die Waffenstillstandsverhandlungen wurden zu lange hinausgezögert, und das Leid der Bevölkerung hat zu lange angehalten. Es ist Zeit, dem allem ein Ende zu setzen.“ Ähnlich äußerten sich auch die Vertreter von Großbritannien, Frankreich, Japan und Russland. Gleichzeitig verurteilten eine Reihe von Staaten die Hamas für den Tod der Geiseln, die nach israelischen Angaben kurz vor ihrem Auffinden durch Schüsse in den Kopf getötet wurden.

Mittwoch, 4. September

+++ Netanjahu: Hamas hat bei Gesprächen über Waffenstillstandsabkommen „alles abgelehnt“ +++

Die radikalislamische Hamas hat nach Angaben des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu alle Teile eines Abkommens über einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln zurückgewiesen. Die Palästinenserorganisation „hat alles abgelehnt“, sagte Netanjahu am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. „Ich hoffe, dass sich das ändert, denn ich möchte, dass diese Geiseln freikommen.“

„Wir versuchen, einen Bereich zu finden, mit dem wir die Verhandlungen beginnen können“, sagte Netanjahu weiter. Die Hamas aber lehne das mit der Begründung ab, dass es nichts gebe, über das man reden könne.

Die Stimmung in Israel ist nach dem Fund von sechs getöteten Hamas-Geiseln am Wochenende im Gazastreifen aufgeheizt. Nach der Bergung der Leichen erhöhte sich der Druck auf Netanjahu, ein Abkommen mit der Hamas zu schließen, um die Freilassung der noch verbliebenen Geiseln zu ermöglichen.

+++ Israels Armee: 65 Geschosse aus dem Libanon abgefeuert +++

Die gegenseitigen Angriffe der Hisbollah-Miliz im Libanon und der israelischen Armee im Grenzgebiet der beiden Länder dauern an. Israels Armee registrierte eigenen Angaben zufolge rund 65 Geschosse, die aus dem Libanon abgefeuert wurden und auf israelisches Gebiet flogen. Einige wurden demnach abgefangen, andere fielen auf offenes Gelände.

Auch in der Gegend um Kiriat Schmona seien mehrere Geschosse niedergegangen, hieß es in einer Erklärung der Armee weiter. Israelische Medien meldeten Schäden unter anderem an einem Haus in dem Ort. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Die Hisbollah reklamierte mehrere Angriffe für sich.

Die libanesische Staatsagentur NNA meldete israelische Luftangriffe auf Ziele in mehreren Orten im Süden des Landes. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden bei israelischen Angriffen eine Frau getötet und zwei weitere Menschen verletzt, unter ihnen ein zwölfjähriges Kind. In der Nacht zuvor hatten zwei Menschen bei den Angriffen Verletzungen erlitten.

+++ US-Justiz erhebt Anklage gegen Hamas-Chef Sinwar +++

Die US-Regierung geht im Zusammenhang mit dem Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel juristisch gegen den abgetauchten Hamas-Chef Jihia al-Sinwar und andere hochrangige Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation vor.

Das US-Justizministerium veröffentlichte am Dienstag (Ortszeit) Unterlagen zur Strafverfolgung, die bereits Anfang des Jahres eingereicht und bisher unter Verschluss gehalten worden waren. Derweil steigt nach der jüngsten Tötung von sechs israelischen Geiseln der Druck auf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Lage in Nahost steht an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats in New York. Die Hintergründe gibt es im ganzen Artikel.

Dienstag, 3. September

+++ UNO verlangt zu Tötung israelischer Geiseln unabhängige Untersuchung +++

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hat eine unabhängige Untersuchung des Todes sechs israelischer Geiseln gefordert, die nach israelischen Angaben hingerichtet wurden. „Wir sind entsetzt über Berichte, wonach bewaffnete palästinensische Gruppen sechs israelische Geiseln standrechtlich hingerichtet haben, was ein Kriegsverbrechen darstellen würde“, schrieb Türks Büro am Dienstag im Onlinedienst X. Der Menschenrechtskommissar fordere „unabhängige, unparteiische und transparente Untersuchungen und dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, hieß es weiter.

+++ Schon mehr Kinder als erwartet im Gazastreifen gegen Polio geimpft +++

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zufrieden mit dem Start der Polio-Impfkampagne im Gazastreifen gezeigt. In den ersten beiden Tagen hätten mehr Kinder als erwartet gegen das hochansteckende Virus geimpft werden können, sagte Rik Peeperkorn, der WHO-Vertreter für das Palästinensergebiet, am Dienstag in einer Video-Pressekonferenz. Demnach erhielten am Sonntag und Montag mehr als 161.000 Kinder die erste von zwei Schluckimpfungen.

Die Impfkampagne hatte am Sonntag im Zentrum des dicht bevölkerten Gazastreifens begonnen. Dort war die WHO von 156.500 zu impfenden Kindern unter zehn Jahren ausgegangen. Peeperkorn zufolge hatte die WHO die Zahl der Menschen im Zentrum des Gazastreifens unterschätzt.

Auf Drängen der WHO hatte Israel „humanitären Pausen“ im Krieg gegen die radikalislamische Hamas zugestimmt, um im Gazastreifen mehr als 640.000 Kinder gegen Polio impfen zu können. Zuvor war erstmals seit 25 Jahren ein Fall von Kinderlähmung bei einem Baby im Gazastreifen nachgewiesen worden.

Die erste Runde der Impfkampagne werde weitere zehn Tage dauern, sagte der WHO-Vertreter. Voraussichtlich ab Donnerstag werde sie im südlichen Teil des Gazastreifens fortgesetzt. Dort sollen rund 340.000 Kinder gegen Kinderlähmung geimpft werden. Anschließend sollen rund 150.000 Kinder im Norden des Gazastreifens die Impfung erhalten.

+++ Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates nach Tod von Geiseln +++

Die Lage in Nahost und die Tötung von sechs israelischen Geiseln soll am Mittwoch den Weltsicherheitsrat in New York beschäftigen. Der israelische Botschafter Danny Danon hatte zuvor in einem Brief Beratungen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen verlangt. Auch Ratsmitglied Algerien beantragte Diplomaten zufolge mit Blick auf die Lage in Gaza und dem Westjordanland eine Sitzung. Das Treffen soll am Mittwoch um 21 Uhr deutscher Zeit stattfinden.

+++ Israel meldet Tötung weiterer Hamas-Mitglieder +++

Bei Kämpfen im Gazastreifen sind erneut zahlreiche Palästinenser getötet worden. In der Stadt Gaza kamen bei einem Angriff auf ein Gelände der Hamas acht Mitglieder der Terrororganisation ums Leben, wie Israels Armee mitteilte.

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden innerhalb von 24 Stunden 33 Menschen bei Kämpfen im Gazastreifen getötet und 67 weitere verletzt. Die Behörde unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Das angegriffene Gelände der Hamas in der Stadt Gaza befand sich Israels Armee zufolge in der Nähe des Al-Ahli-Krankenhauses. Unter den Getöteten ist den Angaben nach auch ein Kommandeur der Islamistenorganisation, der am Terrorangriff am 7. Oktober auf Israel beteiligt gewesen sein soll. Ahmed Fosi Nasir Mohammad Wadia sei damals per Gleitschirm nach Israel gedrungen und habe ein Massaker an Zivilisten in einem Grenzort befehligt.

Israels Armee teilte weiter mit, einen mehr als einen Kilometer langen Tunnel der Hamas in Beit Lahia im Norden des Küstengebiets zerstört zu haben.

Montag, 2. September

+++ Netanjahu bittet um „Vergebung“ für fehlgeschlagene Rettung von Hamas-Geiseln +++

Nach dem Fund von sechs getöteten Geiseln der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu um „Vergebung“ gebeten. „Ich bitte Sie um Vergebung, sie nicht lebend zurückgebracht zu haben“, sagte Netanjahu am Montag bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. „Wir waren nah dran, aber es ist uns nicht gelungen.“

Am Samstag waren sechs getötete Geiseln in einem Tunnel bei Rafah im Süden des Gazastreifens gefunden worden. Wie das israelische Gesundheitsministerium erklärte, waren die vier Männer und zwei Frauen laut Obduktion „ungefähr 48 bis 72 Stunden“ vor der gerichtsmedizinischen Untersuchung am Sonntag „von Hamas-Terroristen mit mehreren aus nächster Nähe abgefeuerten Schüssen ermordet worden“.

Es folgten am Sonntagabend Großdemonstrationen in Israel für eine Vereinbarung zur Freilassung der übrigen Geiseln. Am Montag fand in mehreren Städten und Betrieben ein Generalstreik statt, bis dieser auf Betreiben des rechtsextremen Ministers Bezalel Smotrich per Gerichtsanordnung vorzeitig beendet wurde.

Vor Netanjahu hatte bereits der israelische Präsident Isaac Herzog für den Tod der sechs Geiseln im Namen der Regierung um Entschuldigung gebeten. „Ich entschuldige mich im Namen des Staates Israel dafür, dass wir es versäumt haben, Sie vor der schrecklichen Katastrophe vom 7. Oktober zu schützen, dass wir es versäumt haben, Sie sicher nach Hause zu bringen“, sagte Herzog auf der Beerdigung des US-Israelis Hersh Goldberg-Polin am Montag in Jerusalem vor tausenden Trauernden.

+++ Massenproteste in Israel nach Bergung toter Gaza-Geiseln +++

Bei den größten Massenprotesten seit Beginn des Gaza-Kriegs haben in Israel Medienberichten zufolge Hunderttausende ein sofortiges Abkommen mit der islamistischen Hamas gefordert. Nach dem Fund der Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen will Israels Gewerkschafts-Dachverband heute mit einem beispiellosen Generalstreik einen Tag lang das Land zum Stillstand bringen - und so den Druck auf Regierungschef Benjamin Netanjahu erhöhen, damit er einem Deal zur Freilassung der verbliebenen Geisel zustimmt.

Bei Protesten in Tel Aviv und anderen Städten kam es teils zu Zusammenstößen mit der Polizei. Laut örtlichen Medien gab es Dutzende von Festnahmen. Allein in der Küstenmetropole Tel Aviv versammelten sich nach Schätzung der Organisatoren rund 300.000 Menschen, wie die „Times of Israel“ am Abend berichtete. Offizielle Zahlen gab es nicht.

„Wir können nicht weiter zuschauen. Dass Juden in den Tunneln von Gaza ermordet werden, ist inakzeptabel“, wurde Gewerkschaftschef Arnon Bar David von der Nachrichtenseite „ynet“ zitiert. „Wir müssen einen Deal (mit der Hamas) abschließen, ein Deal ist wichtiger als alles andere.“ Der Proteststreik soll um 06.00 Uhr Ortszeit (05.00 Uhr MESZ) beginnen, wie israelische Medien berichteten. Auch der internationale Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv solle bestreikt und der Flugbetrieb lahmgelegt werden.

Israels rechtsradikaler Finanzminister Bezalel Smotrich forderte der „Times of Israel“ zufolge den Generalstaatsanwalt auf, den Generalstreik per einstweiliger Verfügung zu verhindern. Smotrich lehnt ebenso wie der rechtsradikale Polizeiminister Itamar Ben Gvir Zugeständnisse an die Hamas ab und drohte Ministerpräsident Netanjahu mehrfach mit dem Platzen der Regierung.

Sonntag, 1. September

+++ Zivilschutzbehörde meldet elf Tote bei Angriff auf Schulgebäude im Gazastreifen +++

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Schulgebäude im Gazastreifen sind am Sonntag nach palästinensischen Angaben elf Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien einen Frau und ein Mädchen, sagte der Sprecher der Zivilschutzbehörde in dem Palästinensergebiet, Mahmud Bassal, der Nachrichtenagentur AFP.

In der Schule waren demnach palästinensische Vertriebene untergebracht. Der Angriff habe einem Außenposten der Hamas-Polizei in dem Gebäude gegolten, sagte ein Vertreter der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen. Die israelische Armee erklärte hingegen, sie habe „Hamas-Terroristen“ ins Visier genommen, die auf dem früheren Schulgelände eine Kommandozentrale eingerichtet hätten.

+++ Polio-Impfkampagne für hunderttausende Kinder in Gaza beginnt +++

Im Zentrum des Gazastreifens hat nach Krankenhausangaben eine Kampagne zur Impfung Hunderttausender Kinder gegen das Polio-Virus begonnen. Ein Krankenhaussprecher in Deir al-Balah sagte der Deutschen Presse-Agentur, es werde zunächst in mehreren Zentren und Schulen im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens geimpft. Dies betreffe auch mehrere Flüchtlingsviertel in dem Gebiet.

Während der Impfkampagne, die insgesamt gut eine Woche dauert und auf andere Teile des Gazastreifens ausgeweitet werden soll, wollte die israelische Armee zeitlich und örtlich begrenzte Kampfpausen einhalten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor nach Angaben seines Büros betont, dass es sich bei den geplanten Kampfunterbrechungen nicht um eine Waffenruhe im klassischen Sinne handeln solle. Es würden lediglich sichere Gebiete für die Impfungen und ein humanitärer Korridor eingerichtet, den die Menschen auf dem Weg zu Impfungen ohne Gefahr passieren könnten.

+++ Sechs Geiseln tot im Gazastreifen gefunden, darunter Amerikaner +++

Die israelischen Armee hat im Gazastreifen nach eigenen Angaben die Leichen von sechs Geiseln der radikalislamischen Hamas gefunden. Die Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet hätten die Toten am Samstag aus einem Tunnel unterhalb von Rafah im Süden des Gazastreifen geborgen, teilte die Armee am Sonntag mit.

Es handele sich um die Geiseln Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Hersh Goldberg-Polin, Alexander Lobanov, Almog Sarusi und Ori Danino. Fünf von ihnen waren bei dem Hamas-Großangriff am 7. Oktober auf das Nova-Musikfestival im Süden Israels entführt worden.

Das Forum der Familien der Geiseln und Vermissten bekundete seine Trauer und forderte die israelische Regierung erneut zu einer Waffenruhe auf. „Ohne die Verzögerungen, die Sabotage und Ausreden wären die Menschen, von deren Tod wir heute Morgen erfahren haben, wahrscheinlich noch am Leben“, erklärte die Gruppe.

US-Präsident Joe Biden hatte bereits vor der Identifizierung der Toten durch die israelische Armee bekanntgegeben, dass der US-israelische Doppelstaatler Goldberg-Polin unter den Toten ist. Der 23-Jährige war einer von insgesamt 251 Geiseln, die von militanten Palästinensern beim Angriff am 7. Oktober aus dem südlichen Gazastreifen verschleppt worden waren. Rund 100 Geiseln sind noch in Gefangenschaft – Dutzende von ihnen sind nach Angaben des israelischen Militärs tot.

Goldberg-Polins Eltern hatten kürzlich auf dem Demokraten-Parteitag in Chicago an das Schicksal ihres Sohns erinnert. „Unter den Geiseln sind acht amerikanische Staatsbürger und einer von ihnen ist unser einziger Sohn“, hatte Goldberg-Polins Mutter Rachel Goldberg in ihrer Rede gesagt, die mehrere Delegierte zu Tränen rührte.

Am Donnerstag hatte sich das Paar mit anderen Geisel-Angehörigen an der Grenze zum Gazastreifen versammelt. Die Angehörigen versuchten, die Geiseln im Gazastreifen mit lauten Lautsprecher-Durchsagen direkt zu erreichen. „Hersh, hier ist Mama“, wandte sich Goldberg-Polins Mutter an ihren Sohn. „Ich bete zu Gott, dass er dich zurückbringt. Jetzt sofort. Ich liebe dich, bleib stark.“

Im April hatte die Hamas ein Video von Goldberg-Polin veröffentlicht. Darin beschuldigt er den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, die Geiseln in der Gewalt der Hamas „im Stich gelassen“ zu haben. Goldberg-Polin war israelischen Medienberichten zufolge am 7. Oktober bei dem Anrgiff auf das Nova-Musikfestival schwer verletzt und anschließend in den Gazastreifen entführt worden.

In der im April veröffentlichten Aufnahme ist er mit einem roten Hemd bekleidet und auf einem Plastikstuhl sitzend zu sehen, sein linker Arm ist amputiert. „Ich wollte mit meinen Freunden abhängen und fand mich stattdessen mit schweren Verletzungen am ganzen Körper um mein Leben kämpfend wieder“, sagt er darin.

Freitag, 30. August

+++ Polio-Impfeinsätze im Gazastreifen sollen in Kürze beginnen +++

Im Gazastreifen laufen die Vorbereitungen für eine Massenimpfung von Kindern gegen das Poliovirus auf Hochtouren. Alle Seiten haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „vorläufige Verpflichtungen zu sogenannten gebietsspezifischen humanitären Pausen“ abgegeben. Gemeint sind damit begrenzte Feuerpausen. Nachdem es kürzlich den ersten Fall von Kinderlähmung seit 25 Jahren im Gazastreifen gab, soll mit der Impfkampagne ein massiver Ausbruch der hochansteckenden Krankheit vermieden werden.

Das Programm soll am Sonntag starten. Vorgesehen seien Einsätze von sechs Uhr morgens bis frühen Nachmittag, sagte Rik Peeperkorn, WHO-Vertreter für die palästinensischen Gebiete. Insgesamt sollen 640 000 Kinder unter zehn Jahren geimpft werden. Sie benötigen zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen.

+++ Israel meldet Tötung von Hamas-Führer in Dschenin +++

Israel hat bei dem großangelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland nach eigenen Angaben den für die Stadt Dschenin zuständigen Hamas-Führer getötet. Wissam Chasim sei in einem Fahrzeug in der Gegend unterwegs gewesen, hieß es in einer Erklärung der Armee, des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet sowie der israelischen Polizei. Er habe Anschläge geplant und ausgeführt.

In dem Wagen hätten zudem zwei weitere Hamas-Mitglieder gesessen. Die Einsatzkräfte töteten sie den Angaben nach bei einem Angriff mit einem Fluggerät, als sie versuchten, aus dem Fahrzeug zu fliehen. In dem Wagen seien Waffen und Sprengstoff gefunden worden.

Augenzeugen berichteten, in einer Ortschaft im Süden Dschenins habe Israels Armee ein Auto mit drei Insassen angegriffen. Zwei hätten versucht, zu entkommen. Eine Drohne habe eine Rakete auf beide gefeuert. Alle drei kamen den Angaben nach bei dem Angriff ums Leben.

Israel hatte die großangelegte Militäraktion in mehreren Orten in der Nacht zu Mittwoch begonnen. Ein israelischer Armeesprecher begründete das Vorgehen mit der deutlich gestiegenen Anzahl von Anschlägen auf Israelis. Zugleich hat auch die Gewalt extremistischer israelischer Siedler im besetzten Westjordanland zugenommen.

+++ Kamala Harris pocht auf Waffenruhe im Gaza-Krieg +++

Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat sich erneut deutlich für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Freilassung der Geiseln ausgesprochen. „Es wurden viel zu viele unschuldige Palästinenser getötet, und wir müssen eine Einigung erzielen“, sagte die 59-Jährige in einem TV-Interview des US-Senders CNN. „Dieser Krieg muss beendet werden, und wir müssen eine Vereinbarung treffen, die die Freilassung der Geiseln vorsieht“, sagte sie. Gleichzeitig betonte sie, dass Israel das Recht habe, sich selbst zu verteidigen.