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Rundschau-Debatte des TagesWie gefährlich sind die Reichsbürger?

Lesezeit 4 Minuten
Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen vermummte Polizisten nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß (M.) zu einem Polizeifahrzeug. Er trägt dabei Handschellen.

Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen Polizisten Heinrich XIII Prinz Reuß (M.) zu einem Polizeifahrzeug.

Bei einer groß angelegten Razzia sind mehrere radikale „Reichsbürger“ festgenommen worden, die mutmaßlich einen Umsturz planten. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Aktion.

Wochenlang liefen die Vorbereitungen für die Beweissicherung und Festnahme der mutmaßlichen Verschwörer. Beamte der Sicherheitsbehörden mehrerer Bundesländer wurden eingeweiht. Intern trug die Operation den Namen „Schatten“ – tatsächlich liegt auch nach der Festnahme der Hauptbeschuldigten noch manches im Schatten.

Zwar sind die Ermittler überzeugt, dass Mitglieder der Gruppe gewaltbereit sind und sich als eine Art Vorhut sahen, die bei einem Umsturz Führung übernehmen würde. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass die Beweisführung, wenn es zum Prozess kommt, nicht einfach werden dürfte. Denn einige der Ideen, die in der Gruppe kursierten, waren so merkwürdig, dass die Grenze zwischen Wahrnehmung und Realität oft schwer zu ziehen ist. Das gilt vor allem für ihre Vermutung, eine Allianz ausländischer Akteure werde in Deutschland eingreifen.

Wer die Verdächtigen sind

Bei einigen der Verdächtigen soll es Überschneidungen mit der Szene der radikalen Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen geben, beispielsweise in Pforzheim. Zum Kreis der Festgenommenen gehört auch ein Polizist, der bei „Querdenker“-Protesten aufgetreten war und sich gegen seine Entlassung aus dem Polizeidienst juristisch zur Wehr setzt. Fest steht: Die während der Pandemie beschlossenen Einschränkungen spielten auch in Verlautbarungen von Mitgliedern der Gruppe in den sozialen Medien eine Rolle. Einige der Beschuldigen kennen einander schon sehr lange. So hatten zwei der Festgenommenen in den 90er-Jahren gemeinsam bei der Bundeswehr gedient, im Fallschirmjägerbataillion 251, das später teilweise im Kommando Spezialkräfte (KSK) aufging.

Welche Waffen gefunden wurden

Während der Durchsuchungen am Mittwoch sind zwar etliche Waffen gefunden worden. Das waren allerdings laut einer ersten Aufstellung hauptsächlich Signalschuss- oder Schreckschusswaffen sowie Schwerter und Armbrüste. Mit anderen Worten: Nicht genügend Ausrüstung für das Umsturz-Szenario, auf das sich die Gruppe vorbereitet haben soll. Die Durchsuchungen waren gestern noch nicht abgeschlossen.

Welche Fragen offen bleiben

Dass direkt nach dem Zugriff lediglich eine Kurzwaffe und zwei Langwaffen, die scharfe Munition verschießen, entdeckt wurden, wirft allerdings weitere Fragen auf: Gibt es vielleicht noch geheime, unentdeckte Waffendepots? Und haben Verdächtige womöglich Wind von der geplanten Razzia bekommen und rechtzeitig Waffen verschwinden lassen?

Mehrere der Verdächtigen besaßen nach Angaben aus Sicherheitskreisen eine waffenrechtliche Erlaubnis, etwa als Sportschützen.

Was noch entdeckt wurde

Bei einem Beschuldigten sei eine Liste mit Namen von Abgeordneten gefunden worden, heißt es. Ohne weitere Anmerkungen, sodass die Bedeutung dieser Liste unklar ist. Die betroffenen Politiker seien aber informiert worden, hieß es.

Warum die AfD nun im Fokus steht

Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im Innenausschuss des Bundestages, sagt, für sie sei es nicht erstaunlich, dass mit Birgit Malsack-Winkemann eine AfD-Politikerin unter den Verdächtigen sei. Sie meint: „Man sollte die Diskussion beginnen über ein Verbot der AfD, juristisch und politisch.“

Birgit Malsack-Winkemann, ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD, spricht im Parlament

Birgit Malsack-Winkemann, ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD

Die Voraussetzungen dafür sind allerdings hoch. Gewaltbereitschaft alleine reicht wohl nicht aus. Hinzukommen muss laut Bundesverfassungsgericht „eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint“.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil fordert Konsequenzen. „Die AfD gehört flächendeckend auf die Beobachtungsliste des Verfassungsschutzes und nicht in Parlamente, Gerichte oder den öffentlichen Dienst“, sagte Klingbeil gestern. Die Razzia habe abermals eine enge Verbindung der gewaltbereiten rechtsextremen Szene mit der AfD gezeigt. „Das muss Konsequenzen haben.“ Klingbeil nannte die AfD eine „offen verfassungsfeindliche Partei“, die als „parlamentarische Schnittstelle für Hass, Hetze und Gewalt“ agiere. „Dass sich unter den Verdächtigen eine ehemalige AfD-Abgeordnete und Richterin, sowie jetzige und frühere Mitglieder der Sicherheitsbehörden befinden, zeigt, dass wir als Gesellschaft und Staat wachsam und wehrhaft bleiben müssen“, sagt Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenausschuss.

Was der Verfassungsschutz sagt

Das sieht auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, dessen Behörde die Gruppe über Monate beobachtet hat, so. Er wünscht sich, dass der Sicherheitscheck bei Menschen, die in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern arbeiten, in Zukunft gründlicher und lückenloser wird. Damit Extremisten dort keinen Platz – und womöglich Zugang zu Waffen – haben. (dpa)