Mehrere AfD-Politiker haben an einem Treffen teilgenommen, bei dem auch Martin Sellner von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ seine Ideen präsentierte.
Millionenfache Abschiebung geplant?Was es mit dem „Masterplan“ zur Migration auf sich hat
Mehrere AfD-Politiker haben an einem Treffen teilgenommen, bei dem unter anderem der Taktgeber der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, seine Ideen vortrug. Dabei soll unter anderem über einen „Masterplan“ zur Migrationspolitik gesprochen worden sein, der auch die massenhafte Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund vorsieht, wie das Medienhaus Correctiv am Mittwoch berichtete.
Das Treffen fand Ende November in einem Hotel in der Nähe von Potsdam statt. Dazu sollen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckereikette „Backwerk“, Hans Christian Limmer, sowie der Rechtsextremist Gernot Mörig eingeladen haben. Von Seiten der AfD nahmen den Recherchen zufolge mehrere hochrangige Politiker teil, unter anderem der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy und der Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Ebenfalls vertreten waren demnach zwei Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion Nordrhein-Westfalens und ein ehemaliges Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung.
Von Sellner-Auftritt „überrascht“
Ein Sprecher Weidels bestätigte Hartwigs Teilnahme an dem Treffen. Doch sei dieser von einem Auftritt Sellners dort überrascht worden. Der Sprecher teilte auf Anfrage mit: Frau Weidel „hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner.“ Auch Siegmund bestätigte Correctiv dem Bericht zufolge seine Teilnahme. Er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen.
Der stellvertretende Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause, der bei dem Treffen zeitweise anwesend war, sagte, es sei darum gegangen, „dem Migrationsrecht wieder zu Recht und Geltung zu verhelfen“. Sellners Vortrag habe er nicht gehört, weil er erst ab frühem Abend teilgenommen habe. „Die Identitäre Bewegung steht aus gutem Grund auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD“, sagte Krause.
Ein Sprecher der Partei erklärte: „Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern.“ Hartwig habe dort lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestellt, welches er im Aufbau begleite.
AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet. „Im Rahmen der Verdachtsfall-Bearbeitung beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die weitere Entwicklung der AfD sehr genau“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. „Dabei werden auch mögliche Treffen mit Akteuren aus dem rechtsextremistischen Spektrum einbezogen.“
In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der Correctiv vorliegt, heißt es, bei der Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Für die Teilnahme werde eine „Mindestspende von 5000 Euro“ erhoben. Correctiv berichtete unter Berufung auf Teilnehmer, Thema bei dem Treffen sei ein Vortrag Sellners zur „Remigration“ gewesen. Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer.
Führende AfD-Politiker vertreten diese Forderung seit einiger Zeit auch öffentlich. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, sagte im November im Parlament: „Was wir jetzt brauchen, ist nicht nur der sofortige Stopp der illegalen Migration. Wir brauchen die wirkliche, tatsächliche Rückführung, die komplette Abschiebung. Wir brauchen, meine Damen und Herren, endlich die wirkliche Remigration.“
Der Begriff wird oft nicht klar umrissen. Bisweilen wird er im Zusammenhang mit Menschen ohne Aufenthaltsrecht genannt. Bei dem Potsdamer Treffen soll die Dimension jedoch größer gewesen sein. Auch die Möglichkeit einer „Remigration“ in großem Umfang wird in der AfD diskutiert: Auf dem Europaparteitag 2023 forderte die Delegierte Irmhild Boßdorf öffentlich eine „millionenfache Remigration“.
Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner sind nicht neu, auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zur Identitären Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch gewertet wird. Der Schweriner AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer hatte sich Ende 2023 für seinen persönlichen Podcast mit Sellner unterhalten und dafür Kritik eingesteckt. (dpa/afp)