Schon drei Tage nach dem Wahlsieg der Union wurde Friedrich Merz vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Mittwochabend in Frankreich empfangen.
Besuch im Elysée-PalastMacron hofft nach Flaute mit Scholz auf Neuanfang mit Merz

Friedrich Merz.
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Seine erste Reise als Bundeskanzler sollte nach Paris gehen - doch dann ging es noch schneller als erwartet: Schon drei Tage nach dem Wahlsieg der Union bei der Bundestagswahl wurde CDU-Chef Friedrich Merz vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Mittwochabend im Elysée-Palast empfangen. Macron scheint es kaum erwarten zu können, nach der Zeit mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Macron sieht in Merz offensichtlich jemanden, der politisch wie charakterlich deutlich mehr auf seiner Linie liegt. „Es ist ein historischer Augenblick. Es könnte eine engere deutsch-französische Zusammenarbeit geben als je zuvor“, hatte Macron kurz nach Bekanntgabe des Bundestagswahlergebnisses vor Journalisten gesagt. Noch vom Flugzeug aus, das ihn zu seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump nach Washington brachte, rief er Merz an, um ihm zu gratulieren.
„Die beiden passen besser zusammen als Macron und Scholz“
Europäische Verteidigung, Atomkraft, eine größere Unabhängigkeit von den USA - all dies sind Themen, bei denen Merz dem französischen Präsidenten näher steht als der derzeitige Bundeskanzler. „Die beiden passen besser zusammen als Macron und Scholz“, meint Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
„Merz wird eher auf den strategischen Dialog eingehen, den Macron führen will“, erläutert er. Dies könnten beide Politiker auch nutzen, um Druck auf die USA auszuüben. Merz hatte gleich nach der Wahl betont, dass es seine Priorität sei, Europa zu helfen, „Schritt für Schritt Unabhängigkeit zu erreichen von den USA“ - eine Aussage, die Musik in Macrons Ohren gewesen sein dürfte.
Dabei geht es etwa um die Entwicklung und Anschaffung europäischer Rüstungsgüter, die Macron seit langem fordert, und für die Merz sich auch schon ausgesprochen hat.
Schuldenaufnahme zur Finanzierung der europäischen Verteidigung
Macron hatte in der Vergangenheit zudem mehrfach angeboten, über eine gemeinsame nukleare Abschreckung nachzudenken. Eine Stationierung französischer Kampfjets mit Atomwaffen in Deutschland - über die Zeitungen wie „Telegraph“ und „Bild“ kürzlich spekulierten - dürfte dabei allerdings höchst unrealistisch sein.
Offen ist auch, ob Merz sich auf eine von Macron immer wieder ins Spiel gebrachte gemeinsame Schuldenaufnahme zur Finanzierung der europäischen Verteidigung einlassen wird. Da könnten die Erwartungen auf französischer Seite zu hoch sein, meint Ross. „Die Franzosen sind sehr auf Merz und sein Programm fixiert und vergessen, dass es Koalitionsverhandlungen gibt“, sagt der Politologe.
Ein erster Test der deutsch-französischen Zusammenarbeit dürfte die Ukraine-Politik werden. Noch ist unklar, ob Merz als Bundeskanzler bereit sein wird, Bundeswehrsoldaten als Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden - die Macron im Gespräch mit Trump in Aussicht gestellt hatte.
Merz und Macron kennen sich schon länger
Persönlich kennen Merz und Macron sich schon länger. Zum ersten Mal sind sie sich 2007 in einer französischen Expertenkommission über den Weg gelaufen. Vor zwei Jahren wurde Merz von Macron im Elysée empfangen. Merz zeigte sich anschließend sehr zufrieden mit dem Treffen und betonte seine „emotionale Bindung“ an Frankreich. Die beiden kamen ohne Übersetzer aus und sprachen Englisch miteinander. Anschließend besuchte Merz die Werkstatt des in Frankreich lebenden deutschen Monumentalkünstlers Anselm Kiefer, den auch Macron sehr schätzt.
Während der Amtszeit von Scholz war es im deutsch-französischen Verhältnis immer wieder zu Spannungen gekommen. Dies hatte nicht zuletzt mit Unstimmigkeiten der Berliner Ampel und den höchst verschiedenen Persönlichkeiten von Bundeskanzler und Präsident zu tun.
Daher besteht nun Hoffnung auf französischer Seite, dass es mit Merz einen Neuanfang geben kann. „Viele hoffen, dass Deutschland künftig schneller reagieren wird und sich in den aktuellen Debatten aktiver zeigt“, sagt Camille Grand von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR). (afp)