Emmanuel Macron warnt vor der Bedrohung Europas durch Russland – und vor Donald Trump. Die Reaktion aus Moskau kommt sofort.
„Frieden nicht garantiert“Macron hält dramatische TV-Ansprache – Kreml kontert mit Hitler-Vergleich und Häme

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei seiner Rede an die Nation am Mittwochabend.
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor der Bedrohung Europas durch Russland gewarnt. Parallel zu seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine treibe Russland seine Aufrüstung weiter kräftig voran, sagte Macron am Abend in einer Fernsehansprache. „Unsere Weltordnung ist gestört, der Frieden kann auf unserem Kontinent nicht mehr garantiert werden“, erklärte Macron.
„Wer kann in diesem Zusammenhang also glauben, dass das heutige Russland bei der Ukraine aufhören wird. Russland ist, während ich zu Ihnen spreche und für die kommenden Jahre, zu einer Bedrohung für Frankreich und Europa geworden“, führte der französische Staatschef aus.
Emmanuel Macron: „Frieden kann nicht mehr garantiert werden“
„Insgesamt sind unser Wohlstand und unsere Sicherheit unsicherer geworden, und man muss sagen, dass wir in ein neues Zeitalter eintreten“, sagte Macron. „Über die Ukraine hinaus ist die russische Bedrohung da und wirkt sich auf die Länder Europas aus. Sie berührt uns.“ Russland habe den Krieg gegen die Ukraine bereits zu einem globalen Konflikt gemacht, sagte der französische Präsident.
Macron attackierte auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin direkt. Der Kremlchef „verletzt unsere Grenzen, um politische Gegner zu ermorden, manipuliert Wahlen in Rumänien und Moldawien, organisiert Cyberangriffe gegen unsere Krankenhäuser und testet unsere Grenzen – in der Luft, auf dem Land, zur See und im digitalen Raum“, erklärte Macron.
Macron warnt vor Donald Trump: USA nicht mehr an der Seite Europas?
In seiner eindringlichen Rede warnte der Franzose am Mittwochabend kurz dem EU-Gipfel nicht nur seine Landsleute, sondern richtete sich an alle Europäer. Die Vereinigten Staaten könnten sich demnach als verlässlicher Partner für die Sicherheit Europas zurückziehen. „Ich will daran glauben, dass die USA an unserer Seite bleiben, aber wir müssen darauf vorbereitet sein, dass das nicht der Fall ist“, erklärte Macron in der global ausgestrahlten Ansprache.

Emmanuel Macron (M) posiert mit US-Präsident Donald Trump (l.) und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Elysee-Palast. (Archivbild)
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„Der Weg zum Frieden kann nicht bedeuten, die Ukraine aufzugeben. Frieden darf nicht um jeden Preis geschlossen werden – schon gar nicht nach russischen Bedingungen“, bekräftigte Macron und dürfte auch mit dieser Botschaft Washington adressiert haben.
„Der Weg zum Frieden kann nicht bedeuten, die Ukraine aufzugeben“
Zuvor war bekannt geworden, dass die US-Regierung den Druck auf die Ukraine noch einmal erhöhte. Am Mittwoch strich Washington den Zugang zu Geheimdienstinformationen, zuvor hatte US-Präsident Donald Trump bereits die US-Waffenlieferungen an das angegriffene Land gestoppt – und damit für Freude in Moskau und Entsetzen bei westlichen Partner gesorgt. Insgesamt verfolgte Trump zuletzt einen Kurs, der Russland begünstigt – und die Interessen der Ukraine ignoriert. Auch darauf dürfte Macron nun reagiert haben.
Macron erwägt zudem, verbündete Länder unter den Schutz der französischen Atomwaffen zu stellen. Frankreichs nukleare Abschreckung habe seit 1964 ausdrücklich immer eine Rolle bei der Wahrung des Friedens und der Sicherheit in Europa gespielt, sagte Macron. „Aber als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Kanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen.“
Emmanuel Macron greift Idee von Friedrich Merz auf
Der wahrscheinliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Wahlkampf Gespräche mit den europäischen Atommächten über eine nukleare Teilhabe von Deutschland angeregt. Neben Frankreich wäre dies auch Großbritannien.
Was eine Ausweitung des französischen nuklearen Schutzschirms auf Alliierte konkret bedeutet, sagte Macron in seiner Rede an die Nation nicht. Die Frage ist, ob beispielsweise auch französische Atomwaffen in Partnerländern wie etwa Deutschland stationiert werden könnten. Auch auf die Frage, ob diese Partnerländer sich dann finanziell an der französischen nuklearen Abschreckung beteiligen, ging Macron nicht weiter ein.
Wut in Moskau nach dramatischer Rede von Macron
Moskau reagierte noch am Mittwochabend mit scharfen Worten auf die Worte Macrons. „Russland sei zu einer Bedrohung für Frankreich und Europa geworden, sagt Macron“, schrieb der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew kurz nach der Rede des Franzosen auf der Plattform X.
Macron „selbst stellt allerdings keine große Bedrohung dar“, führte Medwedew aus und fügte an: „Spätestens am 14. Mai 2027 wird er für immer verschwinden. Und er wird nicht vermisst werden.“ Dann endet die Amtszeit Macrons als französischer Präsident.
Russische Duma poltert: „Macrons Hysterie ist ungeheuerlich“
Auch der russische Duma-Abgeordnete Leonid Ivlev warnte den Franzosen. „Wenn die Führer Russlands und anderer führender Länder über Frieden sprechen und an den Ufern der Seine gleichzeitig über den Einsatz von Atomwaffen gesprochen wird, dann können sie damit nicht in die Geschichte eingehen, sondern in Schwierigkeiten geraten“, sagte Ivlev der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti. „Napoleons Schicksal bestätigt dies nur. Das dürfen wir nicht vergessen“, fügte der Politiker an.
Auch der Duma-Abgeordnete Michail Scheremet reagiert mit wütenden Worten auf Macrons eindringliche Warnung vor Russland. „Macrons Hysterie ist ungeheuerlich“, zitierte RIA den Abgeordneten. Der Franzose wolle „Deutschland beiseiteschieben“ und „alleiniger Führer“ in der EU werden, behauptete Sheremet ohne Grundlage. „Ich bin sicher, dass Macrons kranker Traum, ein neuer Napoleon zu werden, zum Scheitern verurteilt ist“, fügte der Abgeordnete an.
Sergej Lawrow vergleicht Emmanuel Macron mit Hitler
Später äußerte sich dann auch Außenminister Sergej Lawrow, der zuletzt mehrfach mit verbalen Entgleisungen für Aufsehen gesorgt hatte. Den Kurs behielt Moskaus Top-Diplomat bei und verglich Macron am Donnerstagnachmittag mit Adolf Hitler. Im Unterschied zu seinen Vorgängern Napoleon und Hitler, die auch mit Russland hätten kämpfen wollen, handele Macron nicht sehr adrett, sagte Lawrow nach Angaben der russischen Staatsagentur Tass. Außerdem warf der langjährige Putin-Gefährte dem Franzosen „unintelligente Anschuldigungen“ vor.
Auch Außenamtssprecherin MAria Sacharowa meldete sich zu Wort – und verspottete Macron als „Atom-Ole-Lukøje“. Der Franzose versuche ebenso, seinen Schirm zu öffnen, nur eben einen atomaren und über Europa. „Ole Lukøje“ ist eine Märchenfigur von Hans Christian Andersen, die, ähnlich wie der Sandmann, Kinder zum Einschlafen bringt. Die Figur hat stets zwei Schirme bei sich.
Während aus Moskau sofort wütende Reaktionen kamen, reagierte Washington bisher nicht auf die Worte des französischen Präsidenten, die auch als Warnung vor US-Präsident Trump verstanden werden konnten. Auch CDU-Chef Merz, der die Ausweitung des französischen nuklearen Schutzschirms auf Alliierte ins Spiel gebracht hatte, reagierte nicht sofort auf die Äußerungen aus Paris. (mit dpa)
Der Artikel wurde nach der Stellungnahme von Sergej Lawrow aktualisiert.