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Lockdown wird abermals verschärft

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Berlin – Da die Zahl der Corona-Infektionen nicht deutlich sinkt, müssen sich die Menschen in Deutschland für die kommenden drei Wochen auf weitere Beschränkungen einstellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder einigten sich am Dienstag auf eine Verlängerung der ursprünglich bis zum 10. Januar vereinbarten Lockdown-Regeln bis zum Monatsende. Zudem vereinbarten sie noch strengere Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich. „Die Maßnahmen, die wir beschlossen haben, sind einschneidend”, betonte Merkel. „Es ist jetzt keine Zeit für Halbherzigkeit”, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Merkel sagte nach der Online-Konferenz, im zweiten Quartal dieses Jahres werde es „nach menschlichem Ermessen” deutlich mehr Impfdosen geben. Auf konkrete, verbindliche Ankündigungen, wann spätestens mit flächendeckenden Covid-19-Impfungen zu rechnen ist, verzichtete die Runde jedoch. „Ich rate dazu, keine falschen Versprechungen zu machen”, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Seit dem 16. Dezember sind viele Geschäfte in Deutschland, aber auch die Schulen und die meisten Kitas dicht. Es gelten zudem strenge Beschränkungen etwa für private Treffen. Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen mussten bereits mehrere Wochen vorher schließen. Ziel der Maßnahmen ist es, Kontakte zwischen Menschen und damit Ansteckungen mit dem Coronavirus massiv zu reduzieren. Zusätzlich sollen nun auch Betriebskantinen nach Möglichkeit geschlossen werden oder nur noch Speisen zum Mitnehmen anbieten.

Private Treffen sollen künftig nur noch mit einer Person, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, möglich sein. Die bislang geltenden Ausnahmen für Kinder im Alter bis zu 14 Jahren gibt es nicht mehr. Das heißt etwa, dass sich zwei Paare nicht mehr zum Essen verabreden und zwei Kinder nicht ein weiteres Kind zuhause besuchen dürfen. In dem Beschluss vom Dezember, der von den Ländern in eigenen, zum Teil leicht abweichenden Verordnungen umgesetzt wurde, stand dazu: „Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind weiterhin auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Falle auf maximal 5 Personen zu beschränken. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen.”

Die Länder sollen zudem für Kreise, in denen sich binnen sieben Tagen mehr als 200 Menschen pro 100.000 Einwohner neu infiziert haben, den Bewegungsradius der Bürger auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzen. Wer in einem solchen Corona-Hotspot lebt und sich weiter von seinem Wohnort entfernen will, müsste dafür dann einen triftigen Grund vorbringen, etwa die Fahrt zum Arbeitsplatz. Aktuell weisen laut Robert Koch-Institut 68 Kreise einen entsprechend hohen Inzidenzwert auf.

In Deutschland gibt es einen eingeschränkten Bewegungsradius bereits in Sachsen, wo die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen drei Monaten stark angestiegen war. Hier dürfen sich die Bürger nur maximal 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen, etwa um Sport zu treiben oder zum Einkauf. Für das ebenfalls stark von Covid-19 betroffene Thüringen hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine entsprechende Regelung vorgeschlagen. Es gibt aber in Thüringen zunächst keine Verpflichtung für die Bürger, ihren Bewegungsradius auf 15 Kilometer um ihren Wohnort einzuschränken. Die Mobilitätsbeschränkung werde „in den Katalog der Empfehlungen für die Kreise aufgenommen”, sagte Ramelow nach einer Kabinettssitzung.

Andere europäische Staaten haben bereits Erfahrungen mit solchen Maßnahmen gesammelt. Allerdings waren und sind diese dort oft mit anderen Einschränkungen kombiniert worden - etwa einer nächtlichen Ausgangssperre - und teilweise auch deutlich strenger.

Um die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen gleichzeitig vor Covid-19 und vor Vereinsamung zu schützen, wollen Bund und Länder dabei helfen, genügend Freiwillige in diese Einrichtungen zu entsenden, um Personal und Besucher auf das Coronavirus zu testen.

Die meisten Schüler und auch viele Kita-Kinder werden wohl auch in den nächsten drei Wochen noch zu Hause bleiben müssen. Schulen und Kindertagesstätten sollen bis mindestens Ende Januar weitgehend geschlossen bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Wenn Eltern deshalb nicht zur Arbeit gehen können, soll zehn Tage zusätzlich Kinderkrankengeld gezahlt werden.

Verschärft werden sollen die Bestimmungen für Einreisende aus Risikogebieten. Hier soll grundsätzlich bereits direkt zur Einreise ein Corona-Test gemacht werden.

Eine große Mehrheit der Deutschen ist für eine Verlängerung des Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich fast zwei Drittel der Befragten dafür aus, die Einschränkungen mindestens in der bisherigen Härte über den 10. Januar hinaus fortzuführen. 41 Prozent sind für eine unveränderte Beibehaltung, weitere 24 Prozent sogar für eine Verschärfung. Dagegen befürworten nur 17 Prozent eine Lockerung des Lockdowns, und nur jeder Zehnte (11 Prozent) ist für eine komplette Aufhebung aller Einschränkungen.

Strittig ist nach wie vor die Frage, wer die Verantwortung für den schleppenden Start der Covid-19-Impfungen in Deutschland trägt und wie da mehr Tempo gemacht werden kann. Seit Beginn der bundesweiten Impfkampagne nach Weihnachten wurden laut RKI knapp 317 000 Impfungen gemeldet. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Kritik mit Hinweis auf begrenzte Produktionskapazitäten der Hersteller zurückgewiesen.

„Es ist entscheidend, dass Deutschland ausreichend Impfstoff zur Verfügung hat und die Impfungen koordiniert, zügig und konsequent ablaufen”, sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck. „Die Produktionskapazitäten und die verfügbare Impfstoffmenge müssen schnellstmöglich erhöht werden, die Abwicklung muss laufen.” Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte: „Unabhängig davon, wie man zur Corona-Impfung steht, sollte jeder Bürger die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.” Die Bundesregierung habe bei der frühzeitigen Beschaffung einer ausreichenden Menge von Impfstoff versagt.

Darüber, wie es ab dem 1. Februar weitergehen soll, wollen die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder am 25. Januar beraten.

Die deutschen Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 11.897 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 944 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Dienstagmorgen bekanntgab. Eine Interpretation der Daten bleibt weiter schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel herum Corona-Fälle verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden.

© dpa-infocom, dpa:210105-99-900121/21 (dpa)