Auch Soldaten nutzen Soziale Medien von Facebook bis TikTok. Die Bundeswehr fördert das sogar. Doch an der Prävention mangelt es. Die Folge: Überforderte Vorgesetzte und russische Spione, denen das Spiel allzu leicht gemacht wird.
Agenten suchen Netz-KontaktLiebesgrüße aus Moskau an deutsche Soldaten
Man muss gar nicht bei Tinder sein, es reicht der Hashtag #bundeswehr: Unter dem findet man etwa bei Instagram haufenweise Selfies von Soldaten, in Uniform und in Zivil, beim Dienst und in der Freizeit, mit Dekolleté und ohne. Den Hashtag empfiehlt die Bundeswehr ihren Angehörigen, wenn sie sich in sozialen Netzwerken präsentieren. Was gut und sinnvoll klingt, weil eine positive Selbstdarstellung immer Werbung für die Bundeswehr ist, hat aber auch seine Schattenseiten: Einige Soldaten interagieren bei ihren Aktivitäten im Netz nicht nur mit Bundeswehrangehörigen, sondern unbeabsichtigt auch mit russischen Spionen.
Alte Masche, neues Medium
Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ warnt der Militärische Abschirmdienst (MAD) vor den Versuchen russischer Nachrichtendienste, über Plattformen wie die Dating-App Tinder Kontakt zu Bundeswehrangehörigen aufzunehmen – und dabei womöglich geheime Informationen zu bekommen. „Liebesgrüße aus Moskau“ gewissermaßen.
Die Romeo-Masche ist dabei vermutlich so alt wie die Geheimdienste selbst. Geändert hat sich nur das Medium. Zwar können Soldaten und andere Bundeswehr-Angehörige „auffällige Profile“ umgehend an Sicherheitsbeauftragte der Dienststellen und regionale Stellen des MAD melden.
Ob solche Meldungen seit Kriegsbeginn zugenommen haben, lässt das Verteidigungsministerium auf Anfrage unserer Redaktion aber unbeantwortet. Ein Sprecher betont jedoch, dass die Bundeswehr „entschieden und konsequent Ausspäh- und Anwerbungsversuchen“ entgegentrete. Demnach sei der Umgang sowohl für Soldaten als auch für ziviles Personal Teil der Aus- und Weiterbildungen – vor allem bei Vorgesetzten.
Als Headhunter getarnte Agenten
Das offenbar schärfste Schwert der internen Spionage-Prävention: In einer Broschüre des MAD wird insbesondere vor chinesischen Fake-Profilen gewarnt, mit denen auch Bundeswehr-Angehörige gezielt angesprochen und für geheimdienstliche Mitarbeit gewonnen werden sollen. Demnach tarnen sich die chinesischen Agenten als Mitarbeiter von Headhunting oder Consulting-Agenturen.
Aber reicht das als Warnung aus? Auch Bundeswehr-Soldaten sind nicht vor den allgemeinen Fallen sozialer Plattformen gefeit. Selbstdarstellung und ein laxer Umgang mit den eigenen und Bundeswehr-Daten bergen Gefahren. Soldaten würden noch „zu unbedarft“ etwa mit Chat-Gruppen umgehen, kritisiert die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) in ihrem aktuellen Wehrbericht. „Ihnen muss klar sein: Jeder Beitritt zu einer Messenger-Gruppe ist mit der Gefahr verbunden, durch rechtswidrige Inhalte, die Dritte in diesen Gruppen teilen, selbst eine Dienstpflichtverletzung zu begehen.“ Oder gar zum Verdachtsfall für den MAD zu werden.
Doch auch einzelne Posts bergen Risiken: Bei einem Post versehentlich zu viel über den Einsatz zu verraten, ist auch ein Grund, warum sich beispielsweise bei der Marine längst nicht alle der Forderung nach Internet an Bord der Kriegsschiffe anschließen. Dienstvorgesetzte könnten gar nicht dauerhaft im Auge behalten, was die Soldaten in den sozialen Medien treiben, heißt es von ranghohen Mitgliedern. Mal aus zeitlichen Gründen, mal aufgrund fehlender Berührung mit der Thematik.Wer sich in den sozialen Netzwerken präsentiert, ist generell angehalten, Privates und Dienstliches zu trennen sowie die Truppe würdig zu repräsentieren. Ob das gelingt, liegt nicht nur im Auge des Betrachters, sondern eben vor allem in dem des Vorgesetzten.
Prospekte statt Schulungen
Spezielle Schulungen für die teilweise noch sehr jungen Soldaten gibt es offenbar nicht, wie unserer Redaktion mehrere Bundeswehrangehörige bestätigen. Das Verteidigungsministerium lässt Fragen nach Schulungen unbeantwortet, verweist stattdessen auf die „Social Media Guide Lines“, die die Bundeswehr seit mehr als zehn Jahren hat. „Sie sind keine Vorschrift im klassischen Sinne, sondern eine Handreichung, um den komplexen Umgang mit den sozialen Medien zu erleichtern und vorschriften- und gesetzeskonform zu gestalten“, ergänzt ein Sprecher.
Acht Seiten Tipps und Tricks zum Umgang bei Facebook, Instagram, TikTok und Co. – wobei die Bundeswehr, die etwa beim umstrittenen chinesischen Dienst TikTok selbst gar nicht vertreten ist, eben auch auf Werbung für sich selbst hofft. So heißt es von der Bundeswehr zu den Richtlinien an die Soldaten gerichtet: „Nutzen Sie bei Posts in ihren persönlichen Profilen gerne Hashtags wie #Bundeswehr, #Bundeswehrkarriere oder #SocialMediaDivision. Sie helfen anderen engagierten Bundeswehrangehörigen, Ihre Beiträge zu finden, mit Ihnen durch Likes oder Kommentare zu interagieren und erleichtern dabei die Vernetzung. Seien Sie dabei und zeigen Sie sich und Ihren Berufsalltag, verlinken Sie andere Mitglieder.“
Tipps, wie Soldaten auf privaten Accounts dem Bundeswehr-Image helfen können, wollen so gar nicht zu den hinter vorgehaltener Hand getätigten Aussagen von Vorgesetzten passen, die wenig Lust verspüren, ständig ein Auge auf die Accounts der eigenen Soldaten zu haben.
Richtlinien alleine reichen nicht, mahnt indes die Wehrbeauftragte Eva Högl. Sie böten zwar eine gute Grundlage, dennoch „muss die Truppe an der praktischen Umsetzung der darin aufgenommenen Regelungen und Vorgaben in der Breite und Tiefe arbeiten“. Heißt auch: Informativ gestaltete Prospekte und Richtlinien zur Gefahr vor Spionen im Netz und dem Umgang mit den sozialen Medien allgemein sind zu wenig, damit auch wirklich alle Soldaten die Truppe „würdig“ vertreten – und niemand in die „Liebesfallen“ russischer Agenten gerät.