Polen will der Ukraine Leopard-Panzer liefern. Während Kanzler Scholz zögert, will Verteidigungsminister Pistorius „in Kürze“ eine Entscheidung fällen.
Pistorius will Entscheidung „in Kürze“Geht jetzt alles schnell im Leopard-Streit für die Ukraine?
Nun könnte es Schlag auf Schlag gehen: Als erstes Land hat Polen bei der Bundesregierung eine Liefererlaubnis für 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 an die Ukraine beantragt. Und der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Dienstag in Berlin erklärt, dass er „in Kürze“ eine Entscheidung über mögliche Lieferungen aus Deutschland erwartet. Darum geht es – ein Überblick zur Panzer-Debatte.
Warum fordert die Ukraine den Leopard so dringend ein?
Vom ersten Kriegstag an hat die Ukraine die russischen Angreifer mit ihren militärischen Fähigkeiten überrascht: Der Vormarsch wurde gestoppt und im Lauf der inzwischen elf Kriegsmonate auch zurückgedrängt. Aber Russland lässt nun neue gepanzerte Kräfte für einen erwarteten großen Vorstoß aufmarschieren, bei dem die Ukraine schwere Verluste erleiden oder weitere Gebiete verlieren könnte. Der frühere Nato-General Hans-Lothar Domröse etwa erwartet, wie andere Experten auch, „eine fürchterlich blutige Frühjahrsoffensive“.
Welche Kampfpanzer hat die Ukraine bisher, was können die Leopard-Panzer besser?
Die Ukraine hat aus eigenen Beständen und von Partnern („Ringtausch“) hunderte Schützenpanzer sowie Kampfpanzer aus sowjetischer Entwicklung. Darunter sind ältere Kampfpanzer wie T-72 oder T-80 und - als Beute-Panzer, von russische Truppen zurückgelassen - auch das Folgemodell T-90. Westliche Kampfpanzer, hier vor allem der Leopard, sollen nun die Fähigkeit der Ukraine zur Offensive erhöhen, also zur Rückeroberung besetzter Gebiete.
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Diese Panzer sind vor allem in den moderneren Versionen dem russischen Gerät überlegen und können den Gegner im „Duell“ vielfach zerstören. Der Leopard gilt Fachleuten dabei in seiner jeweiligen Generation als bester Kampfpanzer weltweit. Der ehemalige Oberkommandierende der US-Armee in Europa, Ben Hodges, machte im US-Radiosender NPR deutlich, dass die Ukraine damit zu einem Schlag gegen den von Russland eroberten Korridor vom Donbass zur annektierten Halbinsel Krim ausholen könnte.
Dazu könne die Ukraine mit westlichen Kampfpanzern einen schwer gepanzerten Verband bilden, „die Speerspitze einer Truppe, die die russischen Linien in Richtung Mariupol durchbrechen könnte“. Und auch generell könne der Infanterie mit solchen Kampfpanzern der Weg zum Vormarsch geebnet werden.
Könnte die Bundesregierung Leopard-Panzer noch rechtzeitig zur befürchteten Frühjahrsoffensive Russlands liefern?
In Deutschland stehen Leopard-Panzer in den Werkstätten und Lagern der Industrie sowie bei der Bundeswehr. Rheinmetall-Chef Armin Papperger sagte dem „Stern“, bis Ende März seien rund 29 Kampfpanzer Leopard 2A4 einsatzbereit, die für den Ringtausch mit Tschechien und der Slowakei vorgesehen sind. Weitere Leopard einsatzbereit zu machen dauert demnach.
Die Bundeswehr hatte im Kalten Krieg mehr als 2100 Leopard 2 im Bestand, die im Zuge der Abrüstung verkauft, weggegeben oder zerstört wurden. Im vergangenen Jahr verfügte die Bundeswehr noch über 312 Leopard-2-Panzer, darunter aber kein einziges Modell der älteren Version Leopard 2A4, die nun für die Ukraine in den Blick genommen wird. Als noch am ehesten verzichtbar für die Bundeswehr gelten 19 Stück in der Version Leopard 2A5. Sie werden derzeit im Gefechtsübungszentrum zur „Darstellung gegnerischer Kräfte“ genutzt, sollen bei Ausbildungen also den Feind darstellen.
Gibt es noch andere Kampfpanzer, die für die Ukraine von Bedeutung sind?
Großbritannien hat schon angekündigt, den Challenger 2 an Kiew geben zu wollen. Für den Einsatz der Waffensysteme ist es aber von Vorteil, wenn das Gerät möglichst einheitlich ist. Für die Instandsetzung muss das Großgerät womöglich sogar wieder aus der Ukraine herausgefahren werden. So haben der Panzerbauer KMW und das deutsche Verteidigungsministerium ein Werkstattzentrum („Hub“) im Grenzgebiet der Slowakei zur Ukraine aufgebaut, um Systeme wie die Panzerhaubitze 2000 nach dem Fronteinsatz zu reparieren und Verschleißteile auszutauschen.
Wie viele Leopard-Panzer stehen zur Verfügung?
Der US-Sender ABC News berichtete am Dienstag unter Berufung auf einen ukrainischen Regierungsvertreter, dass 12 Staaten grundsätzliche Bereitschaft zur Lieferung von Leopard-Panzern signalisiert hätten, darunter auch Spanien, die Niederlande und Dänemark. Insgesamt stehe schon damit eine Zahl von 100 Leopard zur Verfügung, wird die ukrainische Seite zitiert. Die Zusicherungen seien bereits in der vergangenen Woche bei den Ukraine-Gesprächen in Ramstein gemacht worden.
Nimmt man die Zahlen, müssten praktisch alle europäischen Leopard-Nutzer außer der Türkei ihre Bereitschaft signalisiert haben. Polen hat die Karten schon auf den Tisch gelegt: Die von dort zur Lieferung beantragten 14 Leopard 2A4 sind von der Zahl her ausreichend für die Ausstattung einer Kompanie. Der Leopard-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann hat bisher deutlich über 3500 Leopard 2 gebaut, wobei der Großteil von Ländern zur eigenen Verteidigung eingeplant ist.
Wann wird die Bundesregierung entscheiden?
„Ich rechne damit, dass in Kürze eine Entscheidung fällt“, sagte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag in Berlin, wo er mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch über die Leopard sprach. Fragen wie der Nachschub und die Versorgung der Waffensysteme werden nach seinen Worten bereits geprüft. „Und für den Fall einer positiven Entscheidung werden wir dann sehr schnell handlungsfähig sein“, sagte er. Stoltenberg forderte die zügige Lieferung neuer Waffen, wobei „schwerere und fortschrittlichere Systeme“ nötig seien.
Der Norweger sagte: „Der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden besteht darin, Putin klar zu machen, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen wird.“ Kritiker warnen vor einer weiteren Eskalation.
Wie ist die Stimmung in Deutschland?
Eine mögliche Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ist - so eine Umfrage - in der deutschen Bevölkerung umstritten. 46 Prozent der Befragten im aktuellen „Deutschlandtrend“ für das ARD-„Morgenmagazin“ sprechen sich dafür aus, fast ebenso viele sind dagegen (43 Prozent). Die verbleibenden 11 Prozent können oder wollen sich nicht festlegen. Vor allem im Osten Deutschlands sind die meisten Befragten dagegen (32 zu 59 Prozent). (dpa)