Schon vor Monaten hatten Militärexperten vor der Sprengung des ukrainischen Staudamms am Dnipro gewarnt. Die jüngste Tat muss man als Kriegsverbrechen bezeichnen.
Kommentar zur Staudamm-SprengungDie nächste Stufe der Eskalation ist erreicht
Staudämme gehören zu den mächtigsten Werken menschlicher Schaffenskraft. Werden sie zerstört, sind sie so gefährlich wie kaum eine andere Infrastruktur, abgesehen von Kernkraftwerken. Denn die Wassermassen sind vom Menschen nicht mehr kontrollierbar. Im Krieg haben solche Bauwerke daher eine unübersehbar strategische Bedeutung. Die Zerstörung des riesigen Kachowka-Staudamms in der Region Cherson stellt somit zweifellos eine Eskalation im russischen Krieg gegen die Ukraine dar.
Schon vor Monaten hatten Militärexperten vor der Sprengung des ukrainischen Staudamms am Dnipro gewarnt. Zumal es ein historisches Vorbild dafür gibt: Im Zweiten Weltkrieg ließ der sowjetische Diktator Josef Stalin 1941 den Damm des Dnipro sprengen, um den Vorstoß der deutschen Truppen aufzuhalten.
Die jüngste Tat muss man als Kriegsverbrechen bezeichnen. Denn wer zivile Infrastruktur zerstört, der richtet diesen Schlag nicht nur gegen Soldaten, sondern gegen Zivilisten. Tausende Menschen sind in den überfluteten Gebieten in Gefahr, schwere Umweltschäden sind zu erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass der Betrieb des Atomkraftwerks Saporischschja weiter flussaufwärts nicht gestört wird, aber auch hier gibt es ein Restrisiko.
Auch wenn beide Seiten sich gegenseitig die Schuld für die Vernichtung des Staudamms zuschieben, so spricht doch vieles dafür, dass Russland der Urheber dieser gigantischen technologischen Katastrophe ist. Aus militärischer Sicht ist das auch durchaus sinnvoll: Die Russen erwarten eine Offensive der Ukrainer. Wegen der Wassermassen wird es den ukrainischen Truppen nun nicht mehr möglich sein, einen Angriff über den Fluss durchzuführen. Die Sprengung wäre ein weiteres Kriegsverbrechen in der Liste, die seit Kriegsbeginn gegen Russland von den Vereinten Nationen geführt wird. Man denke nur an die Massaker von Butscha, an Angriffe auf Zivilisten und die Energie-Infrastruktur, vorsätzliche Tötungen, Folter und Verschleppungen von Kindern aus der Ukraine. Klar wird: Der Krieg in der Ukraine nimmt nach den Wintermonaten nun wieder an Intensität zu. Die Sprengung des Staudamms hat der Weltöffentlichkeit bewusst gemacht, dass Russland durchaus weitere Möglichkeiten hat, diesen Angriffskrieg eskalieren zu lassen, bis hin zum Einsatz nuklearer Waffen. Die Auseinandersetzung ist noch lange nicht vorbei – derzeit deutet leider nichts auf einen Friedensschluss hin.