Der Streit um Taurus-Lieferungen ist Anlass für parteipolitisches Gerangel im Bundestag – und Kanzler Olaf Scholz kann seine Haltung offenbar nicht einmal den eigenen Leuten erklären. Fürchtet er eine Zerstörung der Brücke von Kertsch?
Kommentar zum Streit um Taurus-LieferungWelches Szenario befürchtet Olaf Scholz?
Was für ein peinliches Schauspiel. Im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine müsse „Schluss sein mit dem Prüfen“, fordert die FDP-Verteidigungsexpertin Maria-Agnes Strack-Zimmermann. Sie fordert es ein paar Stunden, nachdem sie und andere Taurus-Befürworter aus der Ampelkoalition gegen einen entsprechenden Antrag der Union gestimmt haben. Nun kündigt sie einen Antrag „der Ampel-Parteien“ an. Für die Taurus-Lieferung. Und zwar „ohne Wenn und Aber“.
Peinlich ist das für beide Seiten. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz wollte die Ampel vorführen und ist gescheitert. Das Vorbringen des Grünen Anton Hofreiter wiederum, er könne dem Merz-Antrag nicht zustimmen, weil der CDU-Mann für die Schuldenbremse eintrete, konkurriert im Wettbewerb um die absurdeste Verknüpfung mit dem Verhalten von US-Republikanern, die Ukraine-Hilfen blockieren, solange ihren Wünschen in der Migrationspolitik nicht entsprochen wird.
Die Selbstlähmung der USA ist schon schlimm genug
Ex-Außenminister Joschka Fischer hat zu Recht vor einer Serie russischer Revisionskriege gewarnt. Verbunden mit der terroristischen Zündelei von Wladimir Putins iranischen Partnern und dem aggressiven Auftreten Chinas ist das eine für die weltweite Sicherheit bedrohliche Situation. Die Nato sieht sich veranlasst, den Bündnisfall zu proben. Dass sich die westliche Noch-Führungsmacht USA angesichts dessen selbst lähmt, ist schlimm genug. Umso weniger können wir uns eine Abstimmung im Bundestag leisten, bei der sich Strack-Zimmermann und Hofreiter Seit an Seit mit rechts- und linksradikalen Zarenknechten wiederfinden. Und einen Kanzler, der sich als einsamer Entscheider gefällt.
Frankreich liefert der Ukraine nochmals 40 Scalp-Marschflugkörper. Was spricht dann gegen die Weitergabe des technisch verwandten Taurus? Welches Szenario befürchtet Olaf Scholz für den Fall, dass die Ukraine etwa die Krim-Brücke von Kertsch mit einem Taurus-Angriff zerstört? Niemand verlangt von ihm, Geheimdiensterkenntnisse zu Markte zu tragen, aber eine Situation, in der nicht einmal der Vizekanzler das Denken des Kanzlers nachvollziehen kann, ist untragbar. Die Zusammenarbeit der Parteien im Interesse der nationalen Sicherheit kann nur funktionieren, wenn der Regierungschef sie informiert – angefangen bei seinen Koalitionspartnern.