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Kommentar zum Corona-PapierWie die Regierung das Vertrauen der Bürger verspielt

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Merkel Corona (1)

Angela Merkel bei der Pressekonferenz am Montagabend

Sie haben es so oft betont und so scharf formuliert: Die Lage ist ernst, nehmen Sie sie auch ernst, hat Angela Merkel gemahnt. Es geht um Leben und Tod, hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gewarnt. Gemeinsam haben die Kanzlerin und die Länderchefs die Bevölkerung beschworen: Jeder Tag zählt. Und was machen sie dann? Sie vergeuden Zeit.

Lebensrettende Zeit, wenn man sie beim Wort nimmt. Und warum? Weil sie sich nicht einigen können, obwohl sie alle dasselbe Ziel haben: Die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Und obwohl sie alle seit Februar erklären, dass es derzeit kein höheres Ziel für Deutschland gibt. So stressen sie die Bürgerinnen und Bürger mehr als mit harten Entscheidungen, für die Bund und Länder in sehr vielen Fällen Hilfe und finanzielle Unterstützung bieten. Und damit verspielen sie ihre wichtigste Währung im Krisenmodus: Vertrauen.

Viele Empfehlungen klingen weltfremd

Es hat nur Appellcharakter, was die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin am Montagabend vorgelegt hat – die Landespolitiker folgten Merkels hartem Vorschlag von Anordnungen mit Kontroll- und Sanktionsfunktion nicht. Aber wenn die Politik mit bloßen Feststellungen und Bitten irgendetwas erreichen will, müssen diese überzeugend und dürfen nicht realitätsfern sein. In dem Beschlusspapier steht aber nur, dass es darauf ankomme, dass „Bürgerinnen und Bürger tatsächlich auch im privaten Bereich“ ihre Kontakte „noch einmal deutlich reduzieren.“ Auf private Feiern zu verzichten, ist da noch das Leichteste. Dass aber die Beschränkung der Kontakte auf nur noch einen festen weiteren Hausstand die Kinder und Jugendlichen einer Familie einschließt, die tagsüber eng an eng im Schulbus oder in der Klasse sitzen, klingt weltfremd.

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Es hätte dann auch zwingend gleich neue Vorgaben für die Schulen geben müssen – etwa wie die vom Kanzleramt vorgeschlagenen festen Lerngruppen, der Abstand von 1,5 Meter auch in Schulbussen sowie die Halbierung der Klassen. Das aber verhinderten die Ministerpräsidenten und beriefen sich darauf, dass die Videoschalte am Montagabend doch nur eine Zwischenbilanz sein sollte und das Kanzleramt einfach zwölf Stunden vorher ohne Absprache ein scharfes Papier erarbeitet habe. Die Frage ist nur, wozu Zwischenbilanzen in einer Pandemie-Krise sonst taugen, wenn nicht zum Nachschärfen, um die Ziele zu erreichen.

Nun soll es am 25. November einen „großen Wurf“ geben, kündigt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder an. Bisher ist das der Rhythmus: Merkel warnt, die MPK bremst, dann steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter und die MPK geht auf Merkels Vorschläge ein. So kommt es auch diesmal, wenn Söder mit dem großen Wurf Recht behält. Dann hätten sie es aber auch gleich machen können. „Dann hätte es sieben Tage schon gewirkt“, sagte Merkel. So sind es sieben verlorene Tage. Nächste Woche will die MPK einen Pandemie-Plan bis Anfang 2021 vorlegen. Das muss sie nun perfekt vorbereiten. Sonst wird sie einen Großteil der Bürger spätestens über Weihnachten und Silvester verlieren.